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Rückfall (1997)

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Meine sämtlichen Connections aus meinem Leben von vor der Transplantation waren natürlich nicht mehr aktuell. Entweder weil ich Schulden bei einigen hatte oder aber weil sie tot oder im Knast waren. Ich machte mich auf den Weg zum Steintor, wo, wie ich wusste, Schwarzafrikaner Koks verkauften, bevor dann später die Albaner den Kokshandel am Steintor aufmischten. Ich holte mir eine Kugel für einen Fuffi, besorgte mir ne 10er-Packung Insulinspritzen und machte mich auf den Weg nach Hause.

Ein Viertel des Koks legte ich auf einen Löffel, vermischte es mit Wasser und zog die Mischung durch ein Stück Watte in die Spritze. Meine Venen hatten sich trotz der ständigen medizinischen Behandlungen, denen ich ausgesetzt war, wieder etwas erholt, sodass ich relativ problemlos eine Vene fand. Alles lief wie automatisiert ab. Ich sah, wie das Blut in die Spritze schoss und drückte den Inhalt der Spritze in meine Vene. Sofort schmeckte ich den bitteren Beigeschmack des Kokses und fing an zu schwitzen. Es war okay, aber irgendwie fühlte es sich falsch an. Nach einer Weile machte ich mir die nächste Mischung fertig und dann noch eine, bis das Koks aufgebraucht war.

Am nächsten Tag fühlte ich mich übelst beschissen. Was habe ich Idiot denn da gemacht? Immerhin war es „nur“ Koks, dachte ich, Heroin wäre sicher viel heftiger gewesen. Ab und an mal ein bisschen Koks kann ja nicht so schlimm sein. Ich fing an, mir die Geschichte schönzureden.

Für den Rest der Woche, es war Mittwoch, meldete ich mich krank. Zuhause fing ich dann an zu grübeln, wusste nicht, was ich machen sollte und fing an mich zu bemitleiden. Ich war übelst depressiv gestimmt und fragte mich, was das alles noch soll. Ich würde nie was auf die Reihe bekommen. Erneut machte ich mich auf den Weg zum Steintor, um mir eine Kugel Koks zu besorgen. Insulinspritzen hatte ich ja noch und konsumierte alles noch am selben Tag. Danach ging es mir psychisch sehr schlecht. Die Enttäuschung über meinen Rückfall erzeugte bei mir eine heftige Depression. Ich wusste aber auch, dass es so nicht weitergehen konnte, und versuchte alles Mögliche, um mich abzulenken. Gras und Videospiele auf der Konsole halfen mir dabei. Link aus Zelda war mein großer Held. Und weit davor noch Pitfall Harry. Es sollte vorerst mein letzter Rückfall bleiben.

Der Rest des Jahres 1997 plätscherte so dahin bis zum Dezember, als ich einen Termin zu einer Untersuchung in der MHH hatte. Eine ERCP sollte stattfinden: eine Darstellung der Gallenwege und der Bauchspeicheldrüse mit Kontrastmittel. Dabei wird ein Endoskop über Mund und Magen bis in den Dünndarm zur Mündung des Gallengangs eingeführt. Der Termin fiel mir ein und ich hatte Angst, dass mein Kokskonsum durch die Blutwerte auffallen würde. Also hielt ich mich die nächsten Tage bis zur Untersuchung bedeckt.

An einem Montag war es dann soweit. Die ERCP stand an. Wenn ich an dem Morgen gewusst hätte, was mich jetzt in den nächsten 4 Wochen erwartet, ich hätte auf dem Absatz wieder kehrtgemacht und die Untersuchung abgeblasen.

Die Untersuchung war ein einziges Fiasko. Der Arzt verletzte mit dem Endoskop meine Bauchspeicheldrüse, sodass ich mir eine akute Pankreatitis einfing, eine äußerst schmerzhafte Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Ich war unheimlich wütend auf den Arzt, der mich ja nicht vorsätzlich verletzt hatte. Dieses Risiko bestand halt.

Wenn ich heute darüber nachdenke, war es reichlich scheinheilig von mir, den Arzt zu verurteilen, mir Schaden zugefügt zu haben, während ich mir ein paar Tage vorher durch meinen Kokskonsum selbst Schaden zugefügt habe. Dazu noch mit meiner neuen Leber, für die ein anderer Mensch gestorben ist. Das war sehr respektlos von mir. Ich war damals gedanklich noch nicht so weit, das alles einzuordnen und in Zusammenhang zu bringen.

Ich wurde sofort auf die Intensivstation verlegt und erhielt für die nächsten paar Tage Dipidolor, ein Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Piritramid, ein synthetisches Opioid. Halleluja, dachte ich mir unter dem Einfluss von Dipi, wie die Schwestern und Pfleger das Mittelchen liebevoll nannten. Unmittelbar nach der Einnahme waren die Schmerzen verschwunden und ein vertrautes, bekanntes Gefühl von opiatgeschwängerter Wärme und Geborgenheit durchfloss mich. Meine Toleranzgrenze, was Schmerzmittel angeht, ist allerdings bedingt durch meine Drogenvorgeschichte eine sehr hohe, und so flammten nach ca. 3–4 Stunden die Schmerzen wieder heftig auf und ich verlangte nach mehr. „Schwester, ich brauch mehr von dem Dipizeugs, die Schmerzen sind nicht zu ertragen.“

Nach 10 Tagen fiel den Ärzten ein, dass es wohl nicht so gut wäre, einen Ex-Junkie noch weiter mit Dipi zu versorgen, und ich bekam dann Methadon als Schmerzmittel, da es wohl besser auszuschleichen wäre als das Piritramid.

Nach 3 Wochen ging es mir besser und ich hatte außer meiner heftigen Wut auf den Arzt, der mir das angetan hatte, zusätzlich noch Entzugserscheinungen von dem Dipi und dem Methadon. Daher sollte ich noch eine Woche auf der Normalstation bleiben, was ich dann auch tat und dort einen weiteren Entzug durchlief.

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