Читать книгу Einführung in die Praxis der Strafverteidigung - Olaf Klemke - Страница 24
bb) Der Verteidiger als streng parteilicher Beistand und der Zweifelssatz
Оглавление46
Neben seiner Verpflichtung, die Einhaltung der für ein faires, rechtsstaatliches Verfahren erforderlichen Formerfordernisse zu kontrollieren und gegebenenfalls konsequent einzufordern, hat der Verteidiger alle Umstände geltend zu machen, die Zweifel an der Schuld des Angeklagten begründen. Hegt das Gericht berechtigte Zweifel an der Schuld des Angeklagten, verlangt das im Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes verankerte Schuldprinzip, ihn freizusprechen. Der Verteidiger hat die nach der Beweisaufnahme noch bestehenden Zweifel an der Schuld des Angeklagten auch dann hervorzuheben, wenn er persönlich weiß oder davon ausgeht, dass sein Mandant schuldig ist. Dies verlangt die dem Verteidiger zugewiesene Beistandsfunktion von ihm, nach welcher er streng parteilich ausschließlich die zu Gunsten des Beschuldigten sprechenden Umstände in das Verfahren einzuführen hat.[25]
47
Weist der Verteidiger auf Zweifel an der – ihm intern bekannten – Schuld seines Mandanten hin und wird dieser freigesprochen, ist dies für ihn kein Grund, seine Rolle im Strafverfahren in Zweifel zu ziehen. Denn er hat nichts anderes getan, als dabei mitzuhelfen, dem Recht Genüge zu tun. Dieses fordert bei nicht behebbaren Zweifeln an der Schuld des Angeklagten den Freispruch. Das eventuelle persönliche Wissen des Verteidigers von der Schuld seines Mandanten ist wegen seiner Verpflichtung zur Verschwiegenheit nicht Gegenstand der Hauptverhandlung. Es steht außerhalb des Prozesses.[26]
48
Dies gilt auch für die Verteidigung im Jugendstrafverfahren. Der sog. „Erziehungsgedanke“ des Jugendstrafrechts wird von den „staatlichen Erziehungsträgern“ als trojanisches Pferd verstanden, mit denen die Fesseln der beschuldigtenschützenden Formen des Strafprozesses abgeworfen werden sollen. Die Verfahrensbeteiligten (einschließlich des Verteidigers) sollen in harmonischer Eintracht am Jugendlichen herum erziehen. Derjenige Verteidiger, der auf Einhaltung der schützenden Formen der Strafprozessordnung besteht, wird als „Fremdkörper“ oder als „Störenfried“ angesehen, der die sonst einvernehmliche staatliche Erziehungsveranstaltung „sprengt“. Nach wie vor gilt jedoch: auch Jugendstrafrecht ist und bleibt Strafrecht. Es besteht daher kein Anlass für den Verteidiger, eine „Strafverteidigung light“ zu fahren und Beihilfe zum staatlichen Erziehungsunterricht zu leisten. Alles andere wäre Verrat am jugendlichen Mandanten.