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Wandel des Völkerrechtsverständnisses

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Das Völkerrechtsverständnis veränderte sich im Lauf dieser mehr als drei Jahrhunderte grundlegend. Die Veränderungen lassen sich als Verschiebung von einem Denken in Kategorien eines «Binnenrechts des christlichen Universalreichs» zu einem Denken in Kategorien eines säkularen Völkerrechts der westchristlichen Staatenwelt beschreiben. Es war eine Entwicklung von einem theologischen zu einem säkularen Rechtsdenken. Im christlichen Universalreich war die Frage nach den Regeln für den Verkehr zwischen Herrschaftsträgern eine theologische Frage. Das Recht stellte man sich als Ordnung für die ganze Welt vor, als Einheit, die in der Krönung des Kaisers durch den Papst mit Primat des Papstes symbolischen Ausdruck fand. Zu diesem Denken gehörte auch eine Grundunterscheidung zwischen Christen und der nichtchristlichen Menschheit. Päpstliche Edikte schufen auf der Grundlage dieser Unterscheidung in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein erstes spätmittelalterliches Kolonialvölkerrecht, das spätere Entwicklungen in diesem Bereich stark vorzeichnete. Folgenreich war unter diesen Edikten insbesondere die Bulle «Inter Caetera» von 1493, die die überseeisch-nichtchristliche Welt in eine westlich-spanische und eine östlich-portugiesische Hemisphäre unterteilte. Sie sprach indigenen Völkern implizit die Fähigkeit zu eigener Rechtsträgerschaft und Eigentumsrechten im Besonderen ab.

Zentral für die Säkularisierung im Allgemeinen und auch des Rechtsdenkens war die dauerhafte Schwächung des Papsttums, die bereits im frühen 14. Jahrhundert begann. Parallel zum Abstieg des Papsttums vollzog sich die Herausbildung der Territorialstaaten, die das Feudalsystem in kleinen Schritten verdrängten.8 Aus ursprünglich an die Person gebundenen Lehen wurden in einem langen Prozess zusammenhängende Herrschaftsterritorien, Vorformen moderner Territorialstaatlichkeit. Der Abstieg des Papsttums, der Aufstieg territorial organisierter Herrschaft sowie die Glaubensspaltung bewirkten einen Verweltlichungsschub des Politikverständnisses. Das Denken in den Kategorien «gut» und «böse» erhielt Konkurrenz in Form eines Denkens in Interessengegensätzen. Weiter verstärkt wurde diese Verschiebung durch den Aufstieg der Wissenschaft, insbesondere der Naturwissenschaften und der Empirie als induktiver Methode. Die Formulierung des Souveränitätskonzepts durch Jean Bodin im späten 16. Jahrhundert markierte einen Höhepunkt dieser Neuformulierung politischer und rechtlicher Kategorien. Das Souveränitätskonzept sollte sich – nicht auf einen Schlag, sondern ebenfalls schrittweise – zu einem Angelpunkt des neuen politischen Denkens und des Völkerrechts entwickeln.

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