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Beispiel: Fall Mendoza
ОглавлениеViele bedeutende völkerrechtliche Institutionen sind aus der Praxis herausgewachsen. Der «Fall Bernardino de Mendoza» etwa aus dem späten 16. Jahrhundert ist anschaulich für die Entstehungsweise von Völkerrecht «von unten».11 Er war für die Herausbildung der diplomatierechtlichen Institutionen der Erklärung einer Person zur persona non grata und der Immunität von Diplomaten von grosser Bedeutung. Politisch ging es in dem Fall um die Frage, wie eine Krise zwischen Spanien und England, die sich zum Krieg hätte auswachsen können, mit möglichst wenig Gesichtsverlust auf beiden Seiten deeskaliert werden konnte.
Bernardino de Mendoza war von 1578 bis 1584 Botschafter Spaniens in England. Er pflegte als Katholik enge Kontakte zu Jesuiten und unterstützte im englischen Machtkampf die Anhänger der katholischen Königin von Schottland, Mary Stuart, gegen die protestantische Königin Elizabeth I. Tudor. Als sich herausstellte, dass Mendoza gar in ein Komplott gegen Elizabeth verwickelt war – sie sollte durch Mary Stuart ersetzt werden –, stellte sich für England die Frage, wie es mit Mendoza verfahren sollte. Man befürchtete im schlimmsten Fall einen Krieg mit Spanien und bat deshalb Alberico Gentili, Professor für Zivilrecht in Oxford, um seine Meinung. Auf dessen Anraten hin wurde Mendoza von der Königin aufgefordert, das Land binnen 15 Tagen zu verlassen. Zugleich schickte England einen Gesandten nach Spanien, der mitteilte, dass der Konflikt Englands mit Mendoza nicht Spanien als Land betreffe, sondern nur Mendoza als Person. England sei bereit, einen anderen Botschafter Spaniens zu akzeptieren. Gentili vertrat zudem die Ansicht, der Botschafter könne Immunität beanspruchen, also gerichtlich nicht belangt werden. Wir sehen an diesem Fall auch den Einfluss, den Wissenschaftler als Gutachter und Ratgeber auf die Entstehung und Entwicklung des frühen Völkerrechts hatten.