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Souveränität, Mächtegleichgewicht, Kolonisierung Souveränität als Angelpunkt

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Das Souveränitätskonzept, Angelpunkt des neuen politischen Denkens und auch bald des Völkerrechts, verdient nähere Betrachtung. Frühere politische Gemeinwesen kannten es nicht. Der Verkehr zwischen ihnen kam ohne es aus, was zur Frage führt, weshalb genau es entstand, auf welches politische Problem es eine Antwort war. Jean Bodin suchte 1576 in «Les six livres de la République» eine Lösung für das Problem verheerender Bürgerkriege in den durch die Reformation gespaltenen Ländern. Adelsheere bekämpften sich, oft unerbittlich, weil es um nichts weniger als die religiöse Wahrheit ging. Bodin suchte deshalb nach einer Instanz, die der Gewalt wirksam ein Ende setzen konnte.15 Die Lösung war ein König, der über den Parteien stand, eine Instanz, die im Innern ein Gewaltmonopol besass. Ausserdem musste sie nach aussen unabhängig handeln können, was zur Zeit Bodins allerdings bloss ein sekundärer Aspekt der Souveränität war. Das Gewaltmonopol im Innern war das Entscheidende. Mit Blick auf das Völkerrecht verdient dies durchaus Hervorhebung, da das Souveränitätskonzept in seinen Anfängen nicht primär ein Konzept für die Aussenbeziehungen war. Jedenfalls sind dies die zwei Seiten der Souveränität, die wir heute noch prüfen, wenn wir bei einem «Staatsaspiranten» die Staatsqualität prüfen. Es braucht neben Volk und Territorium eine Staatsgewalt, das heisst ein Gewaltmonopol im Innern, und Unabhängigkeit nach aussen. Nordzypern etwa, das 1974 von der Türkei errichtet wurde, mag im Innern eine konsolidierte Staatsgewalt besitzen, es kann jedoch nach aussen nicht unabhängig handeln. Es ist kein völkerrechtlich anerkannter Staat.

Das Konzept der Souveränität wurde nach der Formulierung durch Bodin rasch populär, da es die Stellung der Herrscher und den absolutistischen Staat stärkte. Es war wichtig für die Schaffung des modernen Staats als hochleistungsfähiger Organisationsform politischer Herrschaft, und es trug dazu bei, den Staat unabhängig von der Existenz des konkreten Monarchen als Einheit zu denken. Ob Staatsbildungsprozesse glückten, Gewaltmonopol und Souveränität erlangt wurden, entschied sich wesentlich daran, ob ein Herrscher die mit der Einlösung dieser Ambition verbundenen finanziellen Lasten – für Gesandtennetz, Kriegführung mit Söldnerheeren, Hof und Schuldendienst – zu tragen vermochte.16 Das moderne Völkerrecht ruht auf diesem Denken in Kategorien souveräner Staaten. Es schuf die Grundarchitektur der neuen Ordnung: Keine Macht, kein souveräner Staat sollte über den anderen Staaten stehen. Dass es bis heute etwa keine für alle Staaten obligatorische internationale Gerichtsbarkeit gibt, steht in direktem Zusammenhang mit der damaligen Entwicklung. Staaten sind internationalen Gerichten nur dann unterworfen, wenn sie sie vorher akzeptiert haben.

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