Читать книгу Völkerrecht - Oliver Diggelmann - Страница 24

Weitere Formen kolonialer Beherrschung

Оглавление

Koloniale Beherrschung bedeutete in dieser Periode nicht automatisch Kolonialstatus des beherrschten Gebiets. Das Völkerrecht kannte verschiedene Formen kolonialer Beherrschung, wobei die Wahl vor allem von der Interessenlage aufseiten der Kolonialmacht abhing.38 Eine wichtige Rolle spielte im 19. und frühen 20. Jahrhundert etwa das Kolonialprotektorat. Als Protektorat war in der Vergangenheit ein schwacher Staat bezeichnet worden, der einen Teil seiner Souveränitätsrechte aus Sicherheitsgründen auf einen anderen Staat überträgt, ohne dadurch aber seine Existenz als unabhängiger Staat zu verlieren. Reversibilität gehörte zur Konstruktion, der Protegierte hatte es in Händen, wieder vollständig souveräner Staat zu werden. Der Protektorstaat war typischerweise für die Aussenbeziehungen zuständig, da er dafür die notwendige Infrastruktur besass. Die Ionischen Inseln etwa waren von 1815 bis 1864 ein Protektorat Grossbritanniens gewesen. Im kolonialen Kontext wurde das Institut – der Idee nach fremdnützig – denaturiert. «Protegiert» wurden hier nicht schwache Staaten in deren primärem Interesse, sondern Gebiete, die Kolonialmächte als Kolonien ins Auge gefasst hatten. Ein Kolonialprotektorat war eine Kolonie auf Probe, seine Errichtung eine Vorstufe der Annexion. Madagaskar etwa wurde 1885 französisches Protektorat und 1896 Kolonie, Korea 1905 japanisches Protektorat und 1910 Kolonie. Seit 1999 hat der Begriff des Protektorats im Zusammenhang mit den UNO-Übergangsadministrationen auf Osttimor, der UNTAET (1999–2002), und im Kosovo, der 1999 geschaffenen UNMIK, eine gewisse Reaktivierung erfahren. Die Gebiete wurden teilweise als UNO-Protektorate bezeichnet. Mit der ursprünglichen hat diese Begriffsverwendung gemein, dass der Protektor der Idee nach, anders als beim Kolonialprotektorat, fremdnützig handelt.39 Der Unterschied besteht darin, dass er über seinen Status nicht selbst entscheidet.

Weitere Formen kolonialer Beherrschung verdienen kurze Erwähnung. Als Interessensphären galten Gebiete, die an bereits bestehende Kolonien angrenzten und auf die eine Kolonialmacht Ansprüche anmeldete. Der deutsche Ausdruck «Hinterland» wurde in diesem Zusammenhang als Lehnwort auch im Englischen verwendet. Beispiel ist der englisch-deutsche Vertrag über die Kolonien und Helgoland von 1890. Verträge über sogenannte Einflusssphären betrafen staatsähnliche Territorien mit schwacher Staatlichkeit. Die Vertragsparteien verpflichteten sich untereinander, in der Sphäre der anderen keine politischen oder wirtschaftlichen Konzessionen zu erwerben und die anderen Parteien beim Erwerb solcher Rechte in der eigenen Einflusssphäre nicht zu behindern. Einflusssphären wurden etwa mit Blick auf China und Persien vereinbart. So schlossen 1907 Russland und Grossbritannien einen Vertrag, der ihre Einflusssphären in Persien abgrenzte. Die wohl am weitesten reichende Form imperialer Durchdringung überseeischer Gebiete aber waren Abmachungen über Open-door-Regime. Kern solcher Regime waren Vereinbarungen, dass die Bürger aller Länder in diesen Gebieten gleiche ökonomische Möglichkeiten haben sollten. Sie wurden gegen den Willen der betroffenen Gebiete oder Staaten abgeschlossen, ihnen in der Regel aufgezwungen, etwa China 1842. Das Aufkommen von Open-door-Regimen hing mit dem Aufstieg der Freihandelstheorie zusammen, die im Wesentlichen besagte, dass freier Handel letztlich allen Beteiligten zugutekommt.

Völkerrecht

Подняться наверх