Читать книгу Bismarcks ewiger Bund - Oliver Haardt - Страница 12

Оглавление

Abb. 1.8: „Der deutsche Bürgerkrieg“, Münchener Punsch (27. August 1865), anonymer Künstler

Die epochale Folge dieses Bürgerkrieges war, dass eines der seit Jahrhunderten prägenden Mitglieder aus der deutschen Staatengemeinschaft ausgeschlossen wurde: Österreich. Dadurch begann die Vereinigung des Reiches mit der „ersten modernen Teilung der Nation“, wie Thomas Nipperdey in seiner Deutschen Geschichte zu einer Zeit hervorgehoben hat, als der Eiserne Vorhang Deutschland in Ost und West trennte. Diese Teilung hatte bleibende Auswirkungen auf die bundesstaatliche Ordnung, die mit ihrer Hilfe entstand. Zwei von ihnen waren besonders wichtig. Zum einen bedeutete das Ausscheiden Österreichs, dass der sich bildende preußisch-dominierte Nationalstaat nicht in der historischen Tradition der großdeutschen Staatenverbünde stehen würde, die vor 1866 existiert hatten. Dieses Problem war mitverantwortlich dafür, dass der neu geschaffene Bundesstaat unter einem ausgeprägten Legitimationsdefizit litt. Dazu später mehr.46

Zum anderen veränderte Österreichs erzwungener Rückzug die geopolitische Lage in Deutschland grundlegend. Vor 1866 bestand eine tripolare Ordnung aus den beiden Großmächten und der mannigfaltigen Gruppe der Mittel- und Kleinstaaten, die häufig als „Drittes Deutschland“ bezeichnet wurde. Paul Schroeder, Peter Burg, Brendan Simms und andere haben aufgedeckt, wie wichtig diese auch unter dem Namen „Trias“ bekannte Gruppe für die deutschen Verhältnisse im 19. Jahrhundert war. Die Staaten des Dritten Deutschlands nahmen oft Mittlerfunktionen ein und spielten dabei die beiden Großmächte gegeneinander aus, gelegentlich auch mit der Hilfe anderer europäischer Länder. So gelang es den Mittel- und Kleinstaaten trotz ihrer geringen militärischen und wirtschaftlichen Schlagkraft, ihre Selbstständigkeit erfolgreich zu behaupten. Zwischen 1859 und 1864 organisierten sie mit den Würzburger Konferenzen gar eine Serie von Tagungen, die für eine Bundesreform in ihrem Sinne eintraten.47

Ein anonymer Karikaturist des Münchener Punsch machte deutlich, wie geschickt die Mittelstaaten die tripolare Konstellation im Bund ausnutzten. Er verglich die innerdeutschen Beziehungen mit einem Kartenspiel, in dem Bayern, die Führungsmacht der Mittelstaaten, Preußen und Österreich mit seinem „größten Trumpf “ aussticht, nämlich dem „Tri-Aß“, dem kollektiven Gewicht des Dritten Deutschland (Abb. 1.9). Sachsen und Württemberg stehen im Hintergrund und stärken Bayern den Rücken, während der französische Kaiser Napoleon III. das Spiel von der Seite aus beobachtet. Der Bayer erklärt selbstbewusst, dass er „die ‚Herzen‘ […] ohnehin schon alle“ gewonnen habe. Damit spielt er wohl auf die breite Unterstützung an, die Forderungen nach mehr Einfluss für die Trias in weiten Teilen des Bundes erfuhren. Von so viel Kühnheit geschockt, schrecken der Österreicher und der Preuße vom Spieltisch zurück. Der Habsburger fällt dabei fast vom Stuhl.

Interessanterweise lässt die Karikatur offen, wer das Spiel gewinnt. Als die Zeichnung Anfang 1864 entstand, schien es politischen Beobachtern also offenbar noch so, dass der Bund sich in jede Richtung entwickeln könne, sogar in eine Organisationsform, in der den Mittelstaaten eine gleichberechtigte Rolle gegenüber den beiden Großmächten zukäme. Der Krieg zwei Jahre später beendete die Partie abrupt. Anstelle des Pokerspiels der Diplomatie entschieden nun die Waffen der Heere über die Zukunft Deutschlands. Der Gewinner war Preußen. Da Österreich aus Deutschland ausschied, konnten die Mittelstaaten nicht länger eine Dreieckspolitik in den innerdeutschen Beziehungen verfolgen. Ein Drittes Deutschland gab es nicht mehr. Die tripolare Struktur hatte sich in eine bipolare Ordnung verwandelt, in der die Mittel- und Kleinstaaten einem überwältigend starken Hegemon gegenüberstanden. Dieser Zustand reduzierte ihre Handlungsmöglichkeiten drastisch.

Abb. 1.9: „Die Tri-Aß“, Münchener Punsch (24. Januar 1864), anonymer Künstler

Das Kaiserreich, das so entstand, war in erster Linie preußisch. Aber nicht in dem Sinne, dass Preußen sich einfach den Rest Deutschlands einverleibt hätte, wie Le Charivaris „neuer preußischer Adler“ suggerierte. Vielmehr formte Preußen eine Staatengemeinschaft, in der die Hohenzollernmonarchie das unbestrittene Machtzentrum war. Dieser strukturelle Aufbau verursachte ein Grundproblem für den neuen Bundesstaat: Eine von Preußen unabhängige Bundesregierung konnte es nicht geben. Die föderale Exekutive würde strukturell gar keine andere Wahl haben, als hauptsächlich auf preußisches Personal, Geld und Militär zu vertrauen. Denn keiner der anderen Mitgliedsstaaten verfügte über die nötigen Ressourcen, um den kleindeutschen Nationalstaat zu unterhalten. Nicht einmal in ihrer Gesamtheit konnten die Mittel- und Kleinstaaten das leisten. Langfristig stellte die Reichsgründung deshalb die Frage, ob die preußische Regierung die föderale Exekutive würde kontrollieren können oder umgekehrt. Mit anderen Worten: Bismarcks kleindeutsche Lösung machte die Bande zwischen Preußen und dem Reich so eng, dass die Zukunft Deutschlands davon abhing, wie sich deren Beziehung entwickeln würde. Würde der preußische Adler mit seinen erweiterten Schwingen zu neuen Höhen emporsteigen, oder würden die künstlichen Flügel den Vogel langsam erlahmen und schließlich abstürzen lassen?

Bismarcks ewiger Bund

Подняться наверх