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V. Über den Rubikon

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Bismarcks Konzept einer föderalen Mischverfassung, die ihre Vorkehrungen zur Sicherung der preußischen Hegemonie und zum Schutz der Exekutive vor dem Parlament hinter der Fassade eines Fürstenbundes versteckte, überlebte den konstituierenden Reichstag relativ unbeschadet. Die parlamentarischen Beratungen nahmen zwar einige wichtige Änderungen vor, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, ließen die Grundstruktur des Regierungsentwurfs aber unangetastet. Als drei Jahre später die Vereinigung mit Süddeutschland anstand, ging Bismarcks Kampf um den Fürstenbund somit in die nächste Runde. Und wieder setzte sich der Kanzler durch. Auch die Verhandlungen mit den süddeutschen Regierungen änderten nichts am Grundriss seines Bundesbaus. Der Beitritt der vier Südstaaten vollzog sich auf Basis der Verfassung des Norddeutschen Bundes. Alle dafür notwendigen Zusatzbestimmungen schlossen sich an den Kern an, den Bismarck 1866 geformt hatte. Der angebliche Fürstenbund überschritt also den Main und weitete sich auf ganz Deutschland aus. Im Zuge dieser Erweiterung entwickelte er sich weiter. Aus dem Bund wurde ein Kaiserreich. Um zu verstehen, welche strukturellen Folgen diese Metamorphose für die Verfassung hatte, dürfen wir uns nicht in dem Klein-Klein der vertrackten Verhandlungen verlieren. Vielmehr müssen wir die größeren Gestaltungsoptionen in den Blick nehmen, die für die Vereinigung von Nord und Süd im Raum standen. Aus dieser Vogelperspektive können wir erkennen, wie die Lösungen, für die man sich entschied, die Legende vom Fürstenbund weiter fortschrieben.

In den beiden Jahren nach Gründung des Norddeutschen Bundes gelang es Bismarck, den Süden durch die Reform des Zollvereins und den Abschluss der Schutz- und Trutzbündnisse wirtschaftlich und militärisch eng an den Norden zu binden. 1869 kam die Integration der beiden Hälften Deutschlands jedoch ins Stocken. Eine politische Lösung der deutschen Frage schien weit entfernt. Vor allem die Nationalliberalen, auf die sich Bismarck im norddeutschen Reichstag stützte, beschwerten sich laut, dass es mit der Vereinigung Deutschlands nicht schnell genug voranginge. Auf der Suche nach neuen Impulsen entwickelte Bismarck Anfang 1870 die Idee, dem preußischen König in seiner Funktion als Bundespräsidium beziehungsweise Vorsitzender des Fürstenbundes den Titel eines Kaisers zu verleihen. Die Gelegenheit für diesen „Kaiserplan“ schien günstig. Zum 1. Januar wurde das preußische Außenministerium in eine Bundesbehörde umgewandelt, das Auswärtige Amt. In diesem Zusammenhang warf besonders die Akkreditierung preußischer Diplomaten als Vertreter des gesamten Norddeutschen Bundes ein Problem auf. Einen Monarchen wie den König von Preußen im diplomatischen Verkehr als „Präsidium“ zu bezeichnen, wurde seiner Stellung gegenüber anderen Staatsoberhäuptern kaum gerecht. Schon aus Protokollgründen bot es sich deshalb an, dem Bundespräsidium einen klangvolleren Titel zu geben.98

Im Rahmen der oben erwähnten Vorstöße um den Großherzog von Oldenburg hatten sich die meisten norddeutschen Fürsten bereits 1867 für die Einführung eines Kaisertums ausgesprochen. Die Gründe, aus denen er damals dagegen und jetzt dafür war, erläuterte Bismarck Mitte Januar in einem Schreiben an den deutschen Botschafter in London, durch das er eine Indiskretion des preußischen Kronprinzen gegenüber dem englischen Gesandten in Berlin klarstellen wollte. Er habe es damals sowohl aus außen- als auch aus innenpolitischen Erwägungen heraus „für das Richtige“ gehalten, „es bei der Herstellung der Sache bewenden zu lassen und das Aussprechen des Namens der Zukunft vorzubehalten“. Zum einen hätte die Einrichtung des Kaisertitels durch dessen Anspruch auf Gesamtdeutschland einen „direkten Widerspruch“ zu der im Friedensvertrag vereinbarten Mainlinie gebildet und so die „Eifersucht“ Frankreichs sowie das Misstrauen Russlands und Italiens geweckt. Nur einen „Kaiser von Norddeutschland“ auszurufen, hätte derweil jeder „historischen Tradition“ widersprochen und womöglich einen „Verzicht auf eine weitere, Süddeutschland umfassende“ Vereinigung signalisiert. Zum anderen wäre, „wenn der König gleich 1866 ohne einen vermittelnden und durch die Erfahrung belehrenden Übergang den Kaisertitel angenommen hätte“, gleich „die Frage, wie die Souveränetät der Bundesmitglieder durch diesen Titel des Bundesoberhauptes affiziert werde, hüben und drüben mit doktrinärer Leidenschaftlichkeit behandelt […] und […] das Werk [so] erschwert“ worden. Anders gesagt: Der Fürstenbund habe sich erst einspielen und seinen hohen Mitgliedern beweisen müssen, dass er ihre Souveränität nicht kompromittiere, sondern schütze, bevor man die „Formsache“ des Kaisertitels habe angehen können.99

Bismarcks ewiger Bund

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