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III. Grundrechte zwischen Gestern und Morgen

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Individuelle Grundrechte wie die Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit gehörten zum Kern liberalen Gedankenguts. Seit den napoleonischen Kriegen hatte der deutsche Liberalismus um eine staatliche Garantie dieser Rechte gekämpft. Höhepunkt dieses Kampfes war die Revolution von 1848 gewesen. Überall in Deutschland waren die Könige, Herzöge und Fürsten zur Annahme von Verfassungen mit klassischen Freiheitsrechten gezwungen worden. Die Frankfurter Paulskirchenverfassung hatte einen besonders langen Katalog der „Grundrechte des deutschen Volkes“ umfasst. Dieser hatte unter anderem die Rechtsgleichheit, die persönliche Freiheit und die Religionsfreiheit garantiert. Mit dem Scheitern der Revolution war die nationale Grundrechtsgarantie wieder verschwunden. Jetzt, knapp zwanzig Jahre später, bot der Versuch Preußens, die Einzelstaaten unter seiner Führung zu vereinen, eine neue Chance, die Rechte des Volkes deutschlandweit zu gewährleisten. Entsprechend waren die Grundrechte eines der beherrschenden Themen im konstituierenden Reichstag.51

Bismarcks Entwurf enthielt keine solchen Rechte. Er schloss weder einen umfangreichen Grundrechtskatalog ein noch vereinzelte Garantien. Dafür gab es verschiedene Gründe. Zum einen sprach aus Bismarcks Sicht eine strukturelle Überlegung dagegen, Grundrechte in die Verfassung aufzunehmen. Grundrechte schützten den Einzelnen gegen die Staatsgewalt. Eine Grundrechtsgarantie in der Bundesverfassung wäre also ein Schutz gegen die Bundesgewalt gewesen. Da der Entwurf aber keine eigenen Regierungs- und Verwaltungsstellen des Bundes vorsah, war ein solcher Schutz nicht notwendig. Hätte er dennoch bestanden, hätte er nur eine vom Bund ausgehende Beschränkung der Landesgewalt sein können. Ein solcher Eingriff in die Souveränität der Einzelstaaten war aber unvereinbar mit dem föderativen Aufbau einer Staatenunion, der Bismarck zumindest den Anschein eines Fürstenbundes geben wollte.52

Zum anderen steckte in einer Gewährleistung von Grundrechten in der Bundesverfassung eine ganz konkrete Gefahr. Der Reichstag hätte eine solche Garantie leicht nutzen können, um sich mit Verweis auf vermeintliche Verletzungen in die Angelegenheiten der Einzelstaaten einzumischen und so die Autorität der dortigen Regierungen zu untergraben. Schlimmstenfalls hätte das Parlament damit ein Instrument gehabt, um auf die Modernisierung der monarchischen Landesverfassungen zu drängen. Genau vor solchen Interventionen sollte die Verfassung die Einzelstaaten aber schützen. Das hatte Bismarck in den Verhandlungen der monarchischen Regierungen, wie im vorhergehenden Kapitel erwähnt, vor allem den Vertretern aus dem nach wie vor ständisch organisierten Mecklenburg versprochen.

Bismarcks ewiger Bund

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