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4. Mehrheit

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§ 13 stellt keine Mehrheitserfordernisse für den zu fassenden Verschmelzungsbeschluss auf. Die notwendigen Mehrheiten sind vielmehr gesondert für die einzelnen Rechtsträger iRd bes Vorschriften für die Verschmelzung geregelt (Drygala in Lutter, § 13 Rn 27).

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Überwiegend ist für die Verschmelzungsbeschlüsse eine Drei-Viertel-Mehrheit der anwesenden Gesellschafter vorgesehen. Durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung können nur höhere Mehrheiten oder zusätzliche Erfordernisse im Vergleich zur gesetzlichen Regelung bestimmt werden. Erleichterungen und insbes eine geringere Mehrheit sind nicht zulässig (Zimmermann in Kallmeyer, § 13 Rn 11; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 13 Rn 38). Sollen durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung eine höhere Mehrheit oder zusätzliche Erfordernisse festgelegt werden, ist ausdrücklich vorzusehen, dass die betreffende Regelung für Verschmelzungen oder allg für Umw gelten soll. Jedenfalls muss sich aus der Klausel ein eindeutiger Bezug auf die Verschmelzung ergeben. Sind besondere Mehrheiten oder Erfordernisse für Satzungsänderungen generell oder die Auflösung der Gesellschaft vorgesehen, gelten diese auch für den Verschmelzungsbeschluss, obwohl sich Satzungsänderungen bzw Auflösung einerseits und Verschmelzungen andererseits qualitativ voneinander unterscheiden (Drygala in Lutter, § 13 Rn 27; Zimmermann in Kallmeyer, § 13 Rn 11; Heckschen in Widmann/Mayer, § 13 Rn 70; vgl hierzu bereits oben unter Rn 17 zu den Einberufungsformalien. Die dortigen Ausführungen gelten hier sinngemäß). Als höhere Mehrheit kann auch eine einstimmige Entscheidung verlangt werden. Unzulässig wäre es nur, wenn die Satzung die Verschmelzung oder die Beschlussfassung über die Verschmelzung ausschließen würde (Drygala in Lutter, § 13 Rn 27 mwN); eine solche Klausel könnte jedoch im Sinne eines Einstimmigkeitserfordernisses ausgelegt werden (vgl Drygala in Lutter, § 13 Rn 27).

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Bei den einzelnen Rechtsformen gelten überblicksmäßig folgende Mehrheitserfordernisse:

AG, KGaA: Notwendig ist eine Mehrheit von mindestens drei Viertel des vertretenen Grundkapitals sowie die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 65 Abs 1 S 1 sowie § 133 Abs 1 AktG). Diese Mehrheit gilt auch bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung oder bei einer Mischverschmelzung (zB Verschmelzung einer AG auf eine GmbH). Bei einer Konzernverschmelzung (§ 62, vgl oben Rn 9) ist ein Verschmelzungsbeschluss beim übernehmenden Rechtsträger im Grundsatz nicht erforderlich; ein Verschmelzungsbeschluss ist nur zu fassen, wenn Aktionäre der übernehmenden AG, die mindestens 5 % des Grundkapitals halten, die Einberufung einer Hauptversammlung verlangen, in der über die Zustimmung zu der Verschmelzung beschlossen wird. Für die KGaA bedarf es der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter zu dem Verschmelzungsbeschluss. Für die Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter kann die Satzung der KGaA eine Mehrheitsentscheidung vorsehen (vgl § 78 Rn 12).
GmbH: Erforderlich ist eine Mehrheit von mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen, § 50 Abs 1. Diese Mehrheit gilt auch bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung.
PersHandelsGes: Im Grundsatz ist Einstimmigkeit erforderlich, § 43 Abs 1. Eine Mehrheitsentscheidung mit mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen kann gesellschaftsvertraglich vorgesehen werden, § 43 Abs 2 S 1 und 2. Für die PartGes gilt nach § 45d Entspr wie für die PersHandelsGes.
eG, VVaG, Rechtsfähige Vereine: Der Verschmelzungsbeschluss bedarf jeweils einer Mehrheit von mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen (§§ 84, 112 Abs 3 S 1, 103).

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Für das Abstimmungsverfahren gelten die für die jeweilige Rechtsform der einzelnen Rechtsträger maßgebenden gesetzlichen Vorschriften. Gleiches gilt für das Stimmrecht der einzelnen Anteilsinhaber.

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Ist ein an der Verschmelzung beteiligter Rechtsträger an dem anderen Rechtsträger beteiligt, kann er bei dem Verschmelzungsbeschluss mit seinen Stimmen mitstimmen. Ein Stimmverbot besteht nicht (Drygala in Lutter, § 13 Rn 26; Heckschen in Widmann/Mayer, § 13 Rn 115 ff). Die Regierungsbegründung zum UmwG geht hiervon ausdrücklich aus (RegBegr Ganske UmwR S 100, wonach § 47 Abs 4 S 2 GmbHG nicht anwendbar ist). Stimmverbote bestehen nur in den ausdrücklich gesetzlich oder gesellschaftsvertraglich angeordneten Fällen. Für den Verschmelzungsbeschluss gibt es gesetzlich angeordnete Stimmverbote nicht. Auch nach Sinn und Zweck ist für den Verschmelzungsbeschluss das Stimmverbot nicht angebracht. Die übrigen Anteilsinhaber sind zudem durch die umfassenden Schutzmechanismen des UmwG mit Verschmelzungsbericht, Verschmelzungsprüfung, Spruchverfahren, Klageverfahren gegen die Verschmelzungsbeschlüsse ausreichend geschützt.

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Wenn die gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen für die Rechtsformen der einzelnen Rechtsträger eine Stellvertretung oder Stimmbotenschaft zulassen, ist sie bei der Abstimmung über den Verschmelzungsbeschluss zulässig. Die Form der Vollmacht richtet sich nach den rechtsformspezifischen Regelungen der beteiligten Rechtsträger. IdR ist Schriftform hinreichend und genügend. Die notarielle Beglaubigung oder notarielle Beurkundung der Vollmacht ist nicht erforderlich (Gehling in Semler/Stengel, § 13 Rn 16; Zimmermann in Kallmeyer, § 13 Rn 13). Dies gilt auch beim Verschmelzungsbeschluss einer Verschmelzung durch Neugründung (Drygala in Lutter, § 13 Rn 9; Zimmermann in Kallmeyer, § 13 Rn 13).

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Bei der Beschlussfassung ist das Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB zu beachten, da durch den Verschmelzungsbeschluss die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander tangiert werden (BGH GmbHR 1988, 227, 338; Heckschen in Widmann/Mayer, § 13 Rn 100; Stratz in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 13 Rn 51). Ein Anteilsinhaber kann somit andere Anteilsinhaber bzw ein Stellvertreter kann mehrere Anteilsinhaber nur dann vertreten, wenn er jeweils von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Handelt bei Fassung des Verschmelzungsbeschlusses bei einer 100 %igen Tochtergesellschaft der (einzelvertretungsberechtigte) Geschäftsführer der Muttergesellschaft, ist seine Befreiung von § 181 BGB nicht erforderlich. Da es sich um eine 100 %ige Tochtergesellschaft handelt, werden Rechtsbeziehungen zu anderen Gesellschaftern nicht berührt. Dies gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer für die Muttergesellschaft den Verschmelzungsvertrag abgeschlossen hat.

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Bei minderjährigen Gesellschaftern kann nach §§ 1629 Abs 2, 1795 BGB die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich sein. Eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung ist nicht bei der Verschmelzung durch Aufnahme (etwas anderes gilt hier nur, wenn der Minderjährige infolge der Verschmelzung bei dem übernehmenden Rechtsträger die persönliche Haftung übernimmt), jedoch bei der Verschmelzung durch Neugründung nach §§ 1643, 1822 Nr 3 BGB notwendig (vgl hierzu Heckschen in Widmann/Mayer, § 13 Rn 139 ff).

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Der Verschmelzungsbeschluss ist wirksam gefasst, wenn in der hierfür stattfindenden Versammlung die notwendige Stimmenmehrheit erreicht und der Beschluss nicht wirksam angefochten wird. Die notwendige Mehrheit muss in der Versammlung selbst zustande kommen (zur Möglichkeit schriftlicher oder im Wege der elektronischen Kommunikation erfolgender Abstimmung vgl § 118 Abs 2 AktG sowie bei Schöne/Arens WM 2012, 381). Wird die notwendige Mehrheit erst durch eine nachträgliche Abstimmung seitens solcher Personen, die an der Versammlung selbst nicht teilgenommen haben, erreicht, ist zu unterscheiden. Ist die nachträgliche Abstimmung im Einzelfall gesellschaftsvertraglich zugelassen und wird sie dort ausdrücklich als Abstimmung gewertet (vgl zur nachträglichen Abstimmung auch BGH DB 2006, 1048), so ist dies als eine Abstimmung in der Versammlung selbst zu behandeln. Die notwendige Mehrheit ist damit zustande gekommen. Fehlt es an einer entspr Satzungsermächtigung für eine nachträgliche Abstimmung, ist eine positive nachträgliche Willensäußerung als Zustimmungserklärung zu werten. Es liegt dann keine Stimmabgabe vor. Wurde in der Versammlung die notwendige Mehrheit nicht erreicht, kann die Mehrheit nicht durch eine nachträgliche Zustimmung bewirkt werden. Vielmehr wurde die Zustimmung zum Verschmelzungsvertrag verweigert. Für diesen Fall müsste eine erneute Abstimmung durchgeführt werden.

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Einer sachlichen Rechtfertigung bedarf der Verschmelzungsbeschluss nicht. Aufgrund der Zulassung der Verschmelzung und der ausführlichen Regelung des gesamten Verschmelzungsverfahrens im UmwG sowie aufgrund der Tatsache, dass das Gesetz selbst die notwendigen Mehrheiten regelt und für bestimmte Fälle die Zustimmung einzelner Anteilsinhaber ausdrücklich vorsieht, ist davon auszugehen, dass eine besondere sachliche Rechtfertigung für einen Verschmelzungsbeschluss nicht erforderlich ist. Der ordnungsgemäß gefasste Verschmelzungsbeschluss trägt vielmehr – wie der Auflösungsbeschluss – seine Rechtfertigung in sich (vgl BGH 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184 ff für den Fall der Auflösung einer Gesellschaft; ausführlich zur sachlichen Rechtfertigung bei Drygala in Lutter, § 13 Rn 38 ff und bei Heckschen in Widmann/Mayer, § 13 Rn 163.11 ff). Lediglich in Einzelfällen kann eine Überprüfung des Verschmelzungsbeschlusses unter dem Gesichtspunkt der Treuepflichtverletzung vorgenommen werden (Gehling in Semler/Stengel, § 13 Rn 24). Dies kommt insbes dann in Betracht, wenn die Verschmelzung nur vorgeschoben ist und mit der Verschmelzung im Grunde andere, außerhalb der Verschmelzung liegende Ziele zum Nachteil einer Aktionärsminderheit oder Aktionärsgruppe verfolgt werden. Dies kann zB dann der Fall sein, wenn die Verschmelzung nur das Ziel hat, Minderheitsbeteiligungen unter die Schwelle von 5 % zu senken, um ein Squeeze-out-Verfahren durchführen zu können (OLG Hamburg BB 2008,2199)

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