Читать книгу Sternstunde der Mörder - Pavel Kohout - Страница 11

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Oberkriminalrat Buback war für seine neue Wirkungsstätte in Prag, wohin man ihn im Verlauf des Krieges von Antwerpen über Straßburg abkommandiert hatte, nicht nur mit langjährigen Erfahrungen auf seinem Gebiet, sondern auch mit perfekten Tschechischkenntnissen gerüstet.

Der unwillkürliche Stoßseufzer des jungen Tschechen belustigte ihn. Er stellte sich vor, was ihm in nächster Zukunft alles zu hören beschieden sein würde. Daß Standartenführer Mekkerle diesen Fall der tschechischen Protektoratspolizei aufhalste, war einer seiner meisterhaften Schachzüge, derentwegen er sich höchster Gunst erfreute.

Den Anlaß für dieses Vorgehen lieferte beileibe nicht die Nationalität von Täter und Opfer. Die Familie von Pommeren stand in einem zwielichtigen Ruf: Neben der allgemeinen Vorsicht dem zumeist hochnäsigen Adel gegenüber, gab es berechtigte Zweifel an ihrer Loyalität zum Führer.

In den Augen der Tschechen stellte die Baronin jedoch logischerweise die deutsche Elite dar, ihre Ermordung war dazu angetan, neue blutige Vergeltung heraufzubeschwören. Das kam freilich nicht in Betracht, es war nicht klug, die einheimische Bevölkerung eines Raumes zu reizen, der bald zum Schauplatz des entscheidenden Zusammenstoßes Deutschlands mit seinen Feinden werden sollte.

Gerade vor dem Einsatz der kriegsentscheidenden Vernichtungswaffe, die sich im letzten Teststadium befand, wußte Meckerle, war es notwendig, in diesem Gebiet unter allen Umständen die Ordnung aufrechtzuerhalten. Und dazu gehörte die vollständige Kontrolle der hiesigen Polizei, die nach der Auflösung des kleinen, aber unzuverlässigen tschechischen Protektoratheeres nicht nur über ein gewisses Waffenarsenal – das spielte keine ernsthafte Rolle –, sondern vor allem über ein gutes Kommunikationsnetz verfügte.

Die Aufklärung dieses Mordfalls wird ihr als Aufgabe von allerhöchstem Interesse übertragen werden. Möge sie sich selbst als Geisel fühlen! Einen Täter dieser Art sucht man wie eine Stecknadel im Heuhafen, hatte Meckerle sich von Buback versichern lassen. Im Nacken werden wir ihnen sitzen! Die Sporen werden wir ihnen geben und zugleich die Zügel straff ziehen! Und durch Sie, so hatte er es zuvor Buback vor der verunstalteten Leiche wie an der Schultafel dargelegt, werden wir sie dabei ins Visier kriegen!

«Frau Elisabeth von Pommeren», belehrte jetzt der Oberkriminalrat die Tschechen, «war nicht nur Angehörige des ältesten deutschen Adels, sondern auch die Witwe eines Generals der Wehrmacht, dem posthum das Ritterkreuz verliehen wurde. Deswegen machen wir von der Verordnung über die Sicherheit im Protektorat Böhmen und Mähren vom 1. September 1939 Gebrauch, Teil zwo, Paragraph 12, nach der, ich zitiere, ‹die Polizeibehörden des Protektorats den fachlichen Weisungen der deutschen Kriminalpolizei zu entsprechen haben›, Zitatende. Es steht zudem zu erwarten, daß der Herr Reichsprotektor auf die Ergreifung des Täters eine Belohnung aussetzt. Der Mörder muß ausfindig gemacht werden. Laschheit wird als Sabotage angesehen und kann unabsehbare Folgen zeitigen!»

Wie für Meckerle war auch für ihn dieser Grünschnabel kein Partner, der bei seiner emsigen Schreiberei fast die Zunge herausstreckte, dabei war Buback aber überzeugt, daß er alles genau nach oben weiterleiten würde. Vor dreiunddreißig Monaten hatten hier Tausende von Geiseln mit ihrem Kopf für den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich bezahlt, der bei einem Attentat getötet worden war. Ein Tscheche konnte sich bestimmt vorstellen, was für ein Gemetzel dieses Massaker da hervorzurufen vermochte, falls man ihm politische Motivation beimaß.

«Wünschen Sie, daß Ihre Leute die Spuren sichern?» fragte der junge Mann überraschend sachlich.

«Wir wünschen», polterte Meckerle von neuem los, «daß Sie diese Bestie rasch unters Beil bekommen, wie, das ist Ihre Sache! Oberkriminalrat Buback wird Ihnen dabei auf die Finger schauen. Fehler oder Verschleppungen, für die er nicht verdammt gute Gründe findet, werde ich persönlich auf die Burg und nach Berlin melden!»

Des Standartenführers Ausbrüche brachten sogar dessen eigene Leute oft aus der Fassung. Buback hat es gereizt, daß dieser Knabe sich wieder nur räusperte.

«Ich verstehe. Darf ich das Telefon benutzen?»

Meckerle zog sich die Handschuhe an.

«Richten Sie Ihrem Vorgesetzten aus, daß ich seine Abwesenheit hier nur ganz ausnahmsweise entschuldige. Morgen Punkt acht null null erwarte ich in der Bredauergasse seinen persönlichen Rapport über den Stand der Fahndung. Und zwar», er vermochte seine Stimme noch zu steigern, «auch wenn der Donner kracht und Bomben fallen!»

Buback vergegenwärtigte sich, daß in diesem Augenblick vielleicht weitere Bomben auf sein geliebtes Dresden fielen. Ob die Wände noch stehen, in denen er so lange glücklich war? Kaum. Und eigentlich auch schon egal! Nachdem die anderen draußen waren, ließ er seine Gereiztheit an dem Tschechen aus.

«Was glotzen Sie hier herum? Das Telefon ist im Korridor, wetzen Sie hin und sorgen Sie dafür, daß die Sache in Gang kommt. Wir haben hier nichts angefaßt, nun geht es bereits um Ihren Hals!»

Er bedauerte, daß er ihn nicht in seiner ehemaligen Muttersprache abkanzeln durfte, auf deutsch klang das alles recht farblos. Der junge Mann stürzte zum Apparat und bat irgendwen namens Jitka, ihm umgehend die Mannschaft zusammenzutrommeln. Nun war Buback allein hier. Er betrachtete den menschenähnlichen Gegenstand, der noch vor kurzem eine lebendige Frau war, und erschauerte. Wer hat das nur tun können? Ein Mensch? Vielleicht sollte man ihn lieber hier den Tschechen lebend als Zuchttier belassen ...

Sternstunde der Mörder

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