Читать книгу Sternstunde der Mörder - Pavel Kohout - Страница 6

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Als unmittelbar nach dem Jaulen der Sirene die Türklingel schrillte, war Elisabeth Baronin von Pommeren überzeugt, der tschechische Hausmeister sei da, um sie mit dem Fahrstuhl in den Keller hinunterzubringen; sie warf sich den schwarzen Pelz wieder über, den sie eben erst hinhängte, nahm ihr Luftschutzköfferchen, hakte die Sicherheitskette auf und wußte, daß sie ihrem Mörder geöffnet hatte.

Sie hatte den Mann mit der prallen Schultertasche flüchtig auf dem Vyšehrader Friedhof wahrgenommen, es war ihr nichts Ungewöhnliches mehr, daß die Tschechen bereits in aller Öffentlichkeit die Gräber ihrer Nationalheiligen schmückten, den deutschen Okkupanten zum Trotz. Er hatte den Eindruck eines Handwerkers gemacht, der dort auf einen Sprung bei seiner Runde vorbeikam, und sie bemerkte ihn deshalb nur flüchtig, weil sein Gesicht gegen die scharfe Sonne wie das eines Negers wirkte. Jetzt blickte sie in Augen wie aus Glas, farblos und ausdruckslos. Ohne jede Hast keilte er seinen abgewetzten Schuh mit der dicken Gummisohle zwischen Türflügel und Schwelle und schob ebenso langsam seinen in eine wattierte Bundjacke gezwängten Körper hinterdrein. Und schließlich sah sie die lange und seltsam schmale Klinge. Ein Tranchiermesser! erinnerte sie sich.

Die Baronin wußte, daß sie sterben würde, doch sie unternahm nichts, es zu verhindern. Nicht nur, weil ihr Schrei hier im obersten Stock, wo sie allein geblieben war, im Gedröhn der Flugzeugmotoren, das sie so in Prag noch nie gehört hatte, untergegangen wäre: Die Baronin wollte nicht mehr leben.

Als Katholikin durfte sie nicht Hand an sich legen, und so war sie schon seit langem auf die Strafe Gottes gefaßt. Dieser Krieg konnte nicht anders enden als mit der Vernichtung aller, die ihn gebilligt hatten! Ihren Mann hatte ein russischer Partisan erschossen, ihren Sohn ein Maquisard in der Bretagne. So schien es ihr nur verständlich, daß jetzt ein Mann vom tschechischen Widerstand kam, um auch an ihr Rache zu nehmen.

Das gewaltige Patrizierhaus begann zu beben. Ein überirdisches Glockengetön schwoll an. Die rasch näher kommenden Detonationen ließen die Fensterscheiben, die Lüsterbehänge und die Weingläser in der Vitrine immer stärker erzittern.

Barmherziger Gott! betete Elisabeth von Pommeren, in den Salon zurückweichend, als bitte sie den Gast herein, ob Bombe oder Messer, wenn es nur schnell geht!

Ihr Mörder stieß die Tür mit dem Fuß hinter sich zu und öffnete mit der freien Hand die Tasche, die voller Riemen war.

Sternstunde der Mörder

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