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Hand.

– Und wenn es zwei sind? fragte Frau Tachecí. Wie willst du die Flasche teilen?

– Sie werden sie eben gemeinsam hier austrinken, sagte ihr Mann.

– Du hast phantastische Vorstellungen von Bestechung! sagte seine Frau.

Sie saßen im Eckwohnzimmer, zu qualvollem Warten verurteilt. Frau Tachecí rauchte nervös und zuckerte ab und zu den Marmorkuchen nach. Doktor Tachecí ging seine Alben durch und reinigte voll Sorgfalt häufig die Lupe. Lízinka beobachtete eine Fliege auf der Fensterscheibe. Schloß sie das rechte Auge, so erklomm die Fliege den Transformator. Schloß sie das linke Auge, so krabbelte die Fliege über den Feldweg. Ließ sie beide Augen offen und schielte ein wenig, so sah sie zwei Fliegen, dafür verschwammen Transformator und Feldweg.

– Wenn jemand zu mir sagt, wir kommen, dann frage ich, wer! sagte Frau Tachecí.

– Ich dachte, er spricht im Pluralis majestatis, sagte ihr Mann.

– Heilige Einfalt! sagte seine Frau. Mein Gott, möchtest du nicht endlich diese albernen Briefmarken lassen?

Nach der am Donnerstag gemachten Erfahrung hatte sie ein graues Sackkleid inländischer Erzeugung an, das Taille, Busen und Hals kaschierte.

– Verzeih, sagte ihr Mann überrascht, ich hatte keine Ahnung, daß dich das stört.

Er hatte den englischen, aus dem Nachlaß seines Vaters stammenden und umgearbeiteten Anzug an, den er seit Jahren zum samstäglichen Tee trug.

– Es stört mich erst seit ungefähr fünfzehn Jahren, sagte seine Frau. Lízinka, schiel nicht!

Lízinka hörte auf, die Fliege anzuschielen. Sie hatte einen langen Rock von der Farbe ihres Haars an und ein weißes Blüschen, das sich rührend über den winzigen Brüsten bauschte.

Frau Tachecí zuckerte den Marmorkuchen nach und zündete sich eine neue Zigarette an.

– Solltest du nicht weniger rauchen? fragte Doktor Tachecí besorgt.

– Das ist der einzige Luxus, den sich deine Frau leisten kann, sagte Frau Tachecí.

– Ich dachte nur, wenn er zufällig Nichtraucher sein sollte, sagte ihr Mann kleinlaut.

– Glaubst du? erschrak sie, drückte die Zigarette aus, öffnete beide Fensterflügel und half dem Rauch mit den Händen nach. Dabei warf sie einen Blick auf die Uhr.

– Eine Minute nach halb, sagte sie beunruhigt.

– Eine Minute vor halb, sagte ihr Mann beruhigend.

Von irgendwoher erklang das Zeitzeichen und gleichzeitig die leise Wohnungsklingel. Frau Tachecí ergriff den Aschenbecher und leert ihn zum Fenster hinaus.

Im Treppenhaus standen drei Männer. Sie hatten fast gleiche schwarze Raglanmäntel an, schwarze Hüte von klassischer Form und weiße Handschuhe. Der erste trug einen Strauß roter Rosen. Der zweite einen zylinderförmigen Gegenstand in Geschenkpapier. Der dritte eine Milchkanne und einen umfangreichen Koffer.

– Ich bin Professor Wolf, sagte der erste, zog den Hut und streifte die Handschuhe ab. Gnädige Frau, darf ich Ihnen die Hand küssen und diese kleine Aufmerksamkeit überreichen?

Er war ein stattlicher Sechziger mit tiefliegenden Augen, dessen schwarze Mähne und buschige, zusammengewachsene Brauen nur spärlich mit Grau durchsetzt waren. Er weckte Erinnerungen an aufgeklärte Landärzte aus verarmten Adelsgeschlechtern.

– Freut mich, Sie kennenzulernen, sagte Frau Tachecí mit ähnlich berückter Stimme wie damals, als sie zum erstenmal Doktor Tachecí begrüßt hatte. Sie roch an den Rosen und bedauerte heftig, nicht das Kleid vom Donnerstag angezogen zu haben. Unwillkürlich begann sie Lízinka zu beneiden.

– Gestatten Sie, sagte Professor Wolf, daß ich Ihnen meinen Stellvertreter, Dozent Schimssa, vorstelle.

– Dozent Schimssa, sagte Dozent Schimssa, verbeugte sich und überreichte Doktor Tachecí den zylinderförmigen Gegenstand, wir haben angenommen, Sie würden einen guten Kognak vorziehen.

Er war ein Altersgenosse von Frau Tachecí, ein mittelgroßer, wendiger Mann von athletischer Statur, die der kurze Haarschnitt noch betonte. Die Fältchenfächer in den Augenwinkeln verrieten, daß er oft und gern lachte.

– Das war doch nicht nötig, flüsterte Doktor Tachecí höchst verlegen. Zugleich wurde er auf den Dozenten eifersüchtig. Um all dies zu verbergen, stellte er die Flasche auf den Boden und beeilte sich, den dritten Mann von seinen Lasten zu befreien.

Er war ein beleibter Mensch unbestimmten Alters. Seine Augen verschwanden fast in dem fleischigen Gesicht, aus dem der zackige Rücken einer gebrochenen Nase aufragte. Das Ganze erinnerte an ein altes Schlachtfeld, in das sich das Gesicht ehemaliger Boxer zu verwandeln pflegt.

– Das ist Karli, sagte Professor Wolf, unser Gehilfe und Fahrer. Könnten Sie so freundlich sein und ihm das Bad zeigen?

– Ja, sagte Doktor Tachecí, natürlich, gewiß, selbstverständlich ...

Er öffnete die entsprechende Tür und betätigte den Lichtschalter. Der Mann namens Karli wartete respektvoll, bis der Doktor zur Seite trat, dann setzte er sein Gepäck neben der Wanne ab. Gleich darauf zog auch er den Hut, und im Vorzimmer erglänzte eine Glatze. Dienstbeflissen hob er die Flasche auf und reichte sie Doktor Tachecí.

– Karli, sagte Professor Wolf, wenn wir in fünfzehn Minuten noch nicht zurück sind, fährst du die Geräte weg, gehst nach Hause und holst uns punkt fünf Uhr ab!

– Zu Befehl, Chef, sagte Karli, blieb aber stehen, ohne den treuergebenen Blick von ihm zu wenden.

– Darfst dir dreißig Zentimeter von meinem abschneiden, sagte Professor Wolf gönnerhaft.

– Vielen Dank, Chef, sagte Karli und wandte sich an die anderen. Mein Kompliment, küß die Hand, Gnädigste.

Er setzte sich den Hut auf und salutierte. Seine riesige Hand flappte wie ein Elefantenohr.

– Dürfen wir ablegen? fragte Professor Wolf.

– Mein Gott, Emil, sagte Frau Tachecí, sei den Herren doch behilflich!

Doktor Tachecí stellte die Flasche wieder auf den Boden, aber sowohl der Professor als auch der Dozent waren schneller. Unter den Raglanmänteln trugen sie karminrote Sakkos von gleichem Schnitt. Auf dem rechten Ärmel und der linken Brustseite war das Staatswappen aufgenäht. Sie sahen aus wie Funktionäre einer Olympiamannschaft, was Frau Tachecí beruhigte.

– Sie müssen entschuldigen, gnädige Frau, sagte Professor Wolf, wir kommen geradewegs von der Arbeit. Aber wo ist eigentlich das Fräulein Tochter?

– Sie wartet im Wohnzimmer, sagte Frau Tachecí mit einem entschuldigenden Lächeln, sie hat Lampenfieber. Kein Wunder. Sie ist ja noch ein Kind.

– Wenn sie Ihnen nachgeraten ist, gnädige Frau, sagte Professor Wolf, dann braucht sie sich vor nichts im Leben zu fürchten. Könnten Sie uns freundlicherweise miteinander bekannt machen?

– Lízinka! rief Frau Tachecí.

Die Wohnzimmertür öffnete sich. Lízinka stand in ihrem Rahmen wie ein holdes altes Bild.

– Das ist unsere Lízinka, sagte Frau Tachecí voll glücklichem Stolz. Lízinka, das ist Herr Professor Wolf, und das Herr Dozent Schimssa.

Lízinka knickste artig. Professor Wolf und Dozent Schimssa sahen einander offenkundig erregt an. Sie wirkten wie Anwerber eines Profiklubs, was Doktor Tachecí beunruhigte.

– Emil, sagte Frau Tachecí, bitte die Herren doch weiter! Doktor Tachecí machte eine entsprechende Geste.

– Nein, nein, sagte Professor Wolf, wenn Sie freundlichst gestatten, gehen wir mit dem Fräulein zunächst

Die Henkerin

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