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ins Bad.

– Was machen die dort mit ihr? fragte Doktor Tachecí schon zum drittenmal.

– Ich bitte dich, beruhige dich, sagte zum drittenmal seine Frau, du selbst hast mir gesagt, sie muß eine Prüfung ablegen.

– Werden Prüfungen denn im Bad abgelegt? fragte ihr Mann.

– Jedenfalls werden sie ohne Eltern abgelegt, sagte seine Frau.

– Dann hätten wir ja in die Küche gehen können, sagte ihr Mann.

– Sie wollten uns eben nicht stören. Dieser Professor sieht aus wie ein englischer Lord.

– Dafür sieht dieser Dozent aus wie ein Laffe.

– Genauso hast du ausgesehen, als ich dich kennengelernt habe.

– Aber nur ausgesehen! sagte ihr Mann.

– Leider! sagte seine Frau.

Durch zwei Türen war zu hören, wie im Bad Wasser floß.

– Sie füllen die Wanne, sagte Doktor Tachecí.

– Sie machen irgendeinen Versuch, sagte seine Frau.

– In der Wanne? sagte ihr Mann.

– Ihr habt diese Formel nicht gelernt? fragte seine Frau, wie das Gewicht des Wassers dem Gewicht eines Körpers gleich ist?

– Wir haben sie anders gelernt. Und nicht in der Wanne.

– Glaubst du vielleicht, die baden sie dort, oder was?

– Es sollte mich nicht wundern.

– Du kannst dir wohl nicht vorstellen, daß es Männer gibt, sagte seine Frau, die ein Mädchen nicht gleich beim erstenmal in den Klee werfen.

– Ich möchte dich erneut daran erinnern, sagte ihr Mann, daß es ein englischer Rasen war und daß ich dich zunächst in aller Form um Erlaubnis gebeten habe.

Durch zwei Türen hindurch erklangen aus dem Bad gedämpfte Schläge.

– Was schlagen sie dort? fragte Doktor Tachecí.

– Es ist ihnen etwas runtergefallen, sagte seine Frau.

– Das waren Schläge, sagte ihr Mann.

– Dann nageln sie dort eben was fest, sagte seine Frau.

– Hast du jemals in einem fremden Bad etwas festgenagelt?

Durch zwei Türen hindurch erscholl aus dem Bad ein unmenschliches Geräusch.

– Und was ist das? fragte Doktor Tachecí.

– Jemand lacht, sagte seine Frau.

– Jemand schreit! sagte ihr Mann. Ich gehe hin!

– Ich bitte dich, mach dich nicht lächerlich!

Das Geräusch schwoll an.

– Das ist doch ein Huhn! sagte Doktor Tachecí.

– Du bist ja übergeschnappt! sagte seine Frau.

Das Geräusch riß ab.

– Sag, was du willst, sagte Doktor Tachecí, das war ein Huhn!

– Um Gottes willen, wie käme ein Huhn in unser Bad? fragte seine Frau.

– Das frage ich mich ja gerade!

– Emil, ich bitte dich, befaß dich lieber eine Weile mit deinen Briefmarken. Für Lízinka geht es jetzt ums Ganze, und du machst hier Geschichten!

– Bitte, sagte ihr Mann, aber wenn sie dieses Ganze in unserem Bad verliert, dann klag dich selbst an! Ich wasche meine Hände in Unschuld.

– Solange ich dich kenne, tust du nichts anderes, sagte seine Frau. An dir gemessen, war Pilatus ein Dreckfink!

In diesem Moment war zu hören, wie sich die Badezimmertür öffnete. Männerstimmen erklangen, und gleich darauf öffnete sich auch die Wohnzimmertür. Auf der Schwelle standen Professor Wolf und Dozent Schimssa. Im Bad rauschte die Dusche.

– Meine Herren! sagte Doktor Tachecí, ich glaube es ist höchste Zeit, daß Sie uns reinen Wein einschenken!

– Das ist eben das Problem, sagte Professor Wolf finster. Frau Tachecí erbleichte.

– Wir haben nämlich glatt den Champagner vergessen, sagte Dozent Schimssa heiter.

Frau Tachecí begann zu strahlen. Professor Wolf trat vor die Eltern und drückte ihnen feierlich die Hand.

– Gratuliere. Gratuliere. Ihre Lízinka hat hervorragend bestanden. Nun, da kann man nichts machen, wir müssen eben mit Kognak darauf anstoßen.

Dozent Schimssa hatte die mitgebrachte Flasche schon aus dem Geschenkpapier gewickelt und ein Mehrzweckmesser gezückt.

– Ich habe es gewußt, sagte Frau Tachecí, ihre Rührung bekämpfend, Emil, ich hab’ es dir gleich gesagt!

– Meine Herren, wiederholte Doktor Tachecí in jähem Eigensinn, erfahren wir endlich ...

– Deshalb sind wir ja da, Herr Doktor, sagte Professor Wolf und legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter. Aber sollten wir nicht auf sie warten?

– Wo bleibt sie überhaupt? fragte Doktor Tachecí.

– Sie säubert die Wanne, sagte Professor Wolf, trinken können wir freilich auch ohne sie, da entgeht ihr nichts.

Frau Tachecí hatte inzwischen aus der Vitrine die Feiertagsgläser geholt, die Dozent Schimssa bis zum Rand mit Courvoisier füllte. Professor Wolf hob sein Gläschen mit so fester Hand, daß der Flüssigkeitsspiegel nicht einmal erbebte.

– Das Leben, sagte er, hat mir leider kein solches Glück beschieden wie Ihnen, Herr Doktor. Ich habe keine Kinder. Aber meine Arbeit hat mich befähigt, vieles zu verstehen. Deshalb kann ich mich in die Gefühle der Eltern hineinleben, deren einzige Tochter am ersten und zugleich entscheidenden Kreuzweg des Lebens steht. Ich trinke darauf, daß der Pfad, den sie heute einschlägt von schöpferischen Erfolgen und Freude am gelungenen Werk begleitet sein möge!

Er und der Dozent reckten sich, grüßten mit einem Senken des Kopfes und leerten die Gläser bis auf den Grund. Die gerührte Frau Tachecí schloß sich spontan an. Doktor Tachecí tat es ihnen gleich, obwohl das seinen Gewohnheiten zuwiderlief.

– Gestatten Sie, gnädige Frau, fragte Professor Wolf, daß wir uns setzen? Wir sind seit halb fünf auf den Beinen.

Frau Tachecí war entsetzt.

– Um Gottes willen! sagte sie, Emil, biete den Herren doch einen Stuhl an! Sagen Sie, meine Herren, haben Sie überhaupt etwas gegessen?

– Besten Dank für die Aufmerksamkeit, gnädige Frau, sagte der Professor und nahm am Tisch Platz. Essen und Trinken gab es mehr als genug, aber Arbeit doppelt soviel. Wieder das alte Lied vom Personalmangel!

– Denen haben Sie aber Bescheid gegeben! sagte Dozent Schimssa voll Bewunderung.

– Ich habe ihnen gesagt, sagte der Professor, das sei das gleiche, als wolle man von jemandem verlangen, den Hamlet zu spielen und dabei noch Kulissen zu schieben.

– Und auch noch Haare zu schneiden! ergänzte der Dozent.

– Ja, sagte der Professor entrüstet, es überläuft einen kalt, wenn man bedenkt, wie leicht ein paar Bürokraten und Verrückte die Menschheit der ältesten Traditionen berauben könnten. Allerhöchste Zeit –

fuhr er, schon wieder ausgeglichen, fort und bedeutete dem Dozenten, einzuschenken.

– daß sich anständige und einflußreiche Leute gefunden haben, die das begreifen. Bevor Lízinka ausstudiert hat, bleibt davon nur ein peinlicher Absatz in den Skripten.

– Sie hatten, fragte Frau Tachecí, irgendeine Probe?

– Probe, Premiere und zugleich letzte Reprise, sagte Dozent Schimssa.

– Und das lohnt sich?

– Je nachdem, sagte Dozent Schimssa grinsend, für uns drei hat es sich gelohnt, für zwei andere nicht. Also dann, auf deren Wohl!

Eine Bestätigung, daß er um einen Scherz nie verlegen war. Professor Wolf und Frau Tachecí stimmten in sein Lachen ein. Ehe er es sich versah, merkte auch Doktor Tachecí, daß er ein leeres Glas in der Hand hielt, das Dozent Schimssa abermals füllte.

– Meine Herren, sagte er zum drittenmal; er hatte beabsichtigt, sehr kategorisch zu sprechen, doch seinem Mund entrang sich nur ein Flüstern.

– Sie haben eine hübsche Wohnung, sagte der Professor anerkennend und trat an die Fenster, bloß die Umgebung ist ein bißchen unfreundlich.

Aus einem der Fenster waren nur die Fenster des Hauses gegenüber zu sehen, aus dem anderen das Feld hinter der Wohnsiedlung, wo ein keilförmiger Abladeplatz auslief, der von oben so aussah wie eine ausgeschlachtete Matratze.

– Das sage ich zu meinem Mann seit Ewigkeiten, sagte Frau Tachecí, ohne den bewundernden Blick von ihm zu wenden, solange Lízinka ein Kind war, hatte das seine Vorteile, doch nun, da sie heranwächst, ist es hier einfach zum Fürchten!

– Eine Frau versteht sich besser zu verteidigen als ein Mann, sagte der Dozent, Männer sind Feiglinge. Mit einer Frau werden manchmal erst vier fertig.

– Und wenn es tatsächlich vier sind?

– Dann kann sie nur noch beten, lächelte Dozent Schimssa.

– Ich, sagte Frau Tachecí, ließe solchen Kerlen die Haut bei lebendigem Leib abziehen.

Professor Wolfs Miene verdüsterte sich.

– Aber, aber! sagte er streng, wie kämen die denn dazu? Frau Tachecí stutzte.

– Ja, aber, sagte sie verwirrt, bringt eine Mutter denn ihre Tochter nur deshalb zur Welt, päppelt sie sie deshalb auf, damit sie dann von vier Strolchen straflos vergewaltigt wird?

– Ach so, sagte der Professor, und seine Miene hellte sich sofort auf, ich habe nicht gleich verstanden, wen Sie meinen. In dieser Hinsicht haben Sie natürlich recht. Die Strafe des Schindens war bei uns sogar schon einmal eingeführt, und zwar im sechzehnten Jahrhundert unter König Vladislav.

– Dann also auf König Vladislav! sagte Frau Tachecí, dankbar, daß die momentane Mißstimmung verflogen war.

– Auf König Vladislav! wiederholte zustimmend Professor Wolf und erhob sich, um mit ihr und ihrem Mann anzustoßen.

Doktor Tachecí trank mechanisch aus, Dozent Schimssa schenkte ihm mit anerkennendem Zwinkern wieder ein.

– König Vladislav, fuhr der Professor fort, war überhaupt ein interessanter Mann. Anno 1509 verurteilte er einen Missetäter dazu, aus der Kanone geschossen zu werden. Leider hat sich bei uns weder die eine noch die andere Strafe durchgesetzt.

– Ich, sagte Frau Tachecí, würde sie für solche wieder einführen!

Sie trank sonst ebenso selten, wie ihr Mann und kam gerade zu dem Schluß, das sei schade. Der Alkohol vervielfachte die Freude über den Erfolg der Tochter, und die Gesellschaft der beiden interessanten Männer setzte Gedanken frei, die an der Seite Doktor Tachecís in der Regel unausgesprochen blieben.

– Ich, fuhr sie fort, würde ihnen eigenhändig bei lebendigem Leib die Haut abziehen, und alle Mütter würden mir dafür die Hände küssen. Schade, daß ich kein Mann bin!

Ihr Mann hob zum Protest immerhin schlaff die Hand. Zufällig war es die Hand mit dem Glas. Der Professor hob sofort das seine, bis Glas an Glas klang.

– Richtig, Herr Doktor, sagte er bewundernd, da kann man nur auf das Wohl Ihrer Gattin trinken.

Doktor Tachecí stand auf, trank aus und setzte sich, ohne sich erklären zu können, warum. Die anderen blieben stehen.

– Gnädige Frau, sagte Professor Wolf, so denkt wohl jede normale Frau, aber kaum eine getraut sich, es auszusprechen. Es waren ja auch Frauen, die den harten Kern des ständigen Publikums vor der Guillotine bildeten, wie zeitgenössische Radierungen bezeugen. Doch selbst die Französische Revolution, die Exekutionen zu Volksfesten erhob, hat das allergrößte Unrecht nicht beseitigt; die Gleichberechtigung ist einer einzigen menschlichen Tätigkeit nicht zuteil geworden, und just der, bei der ein Mensch am meisten Mensch ist. Noch zweihundert Jahre lang, bis –

Professor Wolf verlor allmählich seine kühle Gemessenheit und begann einem romantischen Dichter zu ähneln,

– zum heutigen Tage, blieb das Privileg der gesetzlichen Vergeltung unlogischerweise dem Manne vorbehalten. Der Frau wurde nicht nur verwehrt, in den Strafvollzug ihre Kaltblütigkeit und Gewitztheit einzubringen, sie durfte überdies, wenn sie selbst ihr Leben verwirkt hatte, den Tod nicht aus weiblicher Hand empfangen. Welche Ungerechtigkeit und –

Professor Wolf suchte einen Moment lang nach dem richtigen Wort,

– Rückständigkeit in einer Zeit, da Frauen Raumschiffe lenken und Kriege führen. Um so größer soll unsere Freude sein, daß wir vier es sind, die als erste den Anbruch einer modernen Ära begrüßen dürfen. Dank sei den Aufgeklärten, die diesem Gedanken ihr ganzes Leben geweiht haben ...

– Dank sei Ihnen, Herr Professor! warf Dozent Schimssa ein.

– Nein, nein, Kollege, sagte Professor Wolf bewegt, aber kategorisch, wir sind nur die Schiffsjungen toter Kapitäne. Sie haben das Ziel bestimmt, uns ist es nur vergönnt, vom Mastkorb aus ›Land!‹ zu rufen. Unser Beruf hat zum erstenmal in der Geschichte eine würdige Stätte gefunden, wo er sich unter den gleichen Bedingungen entwickeln kann wie viel, viel jüngere Berufe. Mehr noch: Nach dem 21.Januar 1790, als die französische Nationalversammlung die Exekutionsgleichheit deklarierte, wird der heutige Tag in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem die Gleichheit der Vollstreckungsbeamten eingeführt wurde. Hier haben wir sie! –

rief er herzlich aus, als sich die Tür öffnete und Lízinka eintrat, den blassen Teint von der überstandenen Anspannung rosig überhaucht,

– hier ist sie, unsere zukünftige erste Vollstreckerin und aller Wahrscheinlichkeit nach die erste

Die Henkerin

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