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Schauspielerin.

Als Dr. phil. Tachecí aus dem Büro heimkam, fand er nur seine Tochter vor. Sie saß im Eckwohnzimmer vor dem Fernsehgerät und betätigte die Schaltknöpfe. Drückte sie den einen, so schlugen zwei Männer verbissen mit den Fäusten aufeinander ein. Drückte sie den zweiten, so sang ein Kinderchor Volkslieder. Drückte sie beide zugleich, so erschien eine weiße, rauschende Fläche.

– Na, wie war’s? fragte Doktor Tachecí.

Lízinka zog, anderweitig eingenommen, die schmächtigen Schultern hoch.

– Wo ist Mama? fragte Doktor Tachecí.

Lízinka nickte in Richtung Schlafzimmer.

Doktor Tachecí ging in die Diele und drückte sacht die Klinke herunter. Es war zugeschlossen. Nach einer kleinen Weile klopfte er leise an. Nichts rührte sich. Nach weiterem Zögern fragte er seine Gattin schüchtern durch die Tür, ob sie Tee wolle oder etwas anderes.

Darauf stürzte Frau Lucie in die Diele heraus und schrie, sie wolle vor allem nicht mit einem Menschen zusammen leben, der seiner einzigen Tochter nicht zum Studium verhelfen könne. Dann schloß sie sich weinend im Bad ein.

Doktor Tachecí briet seiner einzigen Tochter das einzige noch vorhandene Ei – die anderen waren schon gefärbt und schickte sie, die zu zart und empfindsam war, um Zeuge der weiteren Ereignisse zu werden, ins Bett. Dann begann er an die Badezimmertür zu klopfen und besänftigende Worte zu äußern. Die Stille entsetzte ihn immer mehr. Er wußte nicht, wo das Gas abgeschaltet wurde, wußte jedoch, daß im Bad auch Rasierklingen und Tabletten waren. Er begab sich zum Telefon und blätterte zerquält im Teilnehmerverzeichnis. Mit seiner Familie verkehrte er nicht, Freunde hatte er keine, und die Polizei fürchtete er; unter dem Druck der Situation beschloß er, die telefonische Lebenshilfe anzurufen.

Der diensthabende Psychiater hörte sich seinen unzusammenhängenden Bericht an und fragte:

– Wie lange ist sie schon dort?

– Etwa zwei Stunden, sagte Doktor Tachecí.

– Macht sie das oft? fragte der Psychiater.

– Nein sagte Doktor Tachecí, gewöhnlich schließt sie sich im Schlafzimmer ein.

– Wo schlafen dann Sie? fragte der Psychiater.

– Gewöhnlich im Bad, sagte Doktor Tachecí.

– Dann schlafen Sie heute im Schlafzimmer, sagte der Psychiater, so können auch Sie es mal genießen.

– Entschuldigen Sie, sagte Doktor Tachecí, aber ich habe die begründete Befürchtung ...

– Entschuldigen Sie, sagte der Psychiater, aber ich habe heute zum drittenmal nacheinander Nachtdienst, ich würde selbst mit dem Bad vorliebnehmen. Glauben Sie, sie würde ans Telefon kommen?

– Ich glaube nicht, sagte Doktor Tachecí, ich dachte, ob Sie nicht hierher ...

– Schwerlich, sagte der Psychiater, ich muß am Telefon bleiben, in diesen Tagen drehen uns massenhaft Eltern durch. Haben Sie kein Stemmeisen?

– Was ist das? fragte Doktor Tachecí.

– Sie sind Philosoph? fragte der Psychiater.

– Philologe, sagte Doktor Tachecí.

– Aha, sagte der Psychiater, wie wär’s dann, wenn Sie ihr sagen, der Schulinspektor möchte sie sprechen?

– Entschuldigen Sie, sagte Doktor Tachecí, ich lüge grundsätzlich nicht.

– Herr Doktor, sagte der Psychiater, vielleicht ruft mich gerade jemand an, dem ich wirklich helfenkann. Solange Sie sich Grundsätze leisten können, ist Ihr Fall keineswegs hoffnungslos.

Doktor Tachecí legte langsam den Hörer auf. Da kam seine Frau aus dem Bad. Sie war festlich frisiert und ausdrucksvoll geschminkt, als ginge sie zu einem Ball. Ohne ihren Mann eines Blickes zu würdigen, zog sie ein goldenes Notizbüchlein aus der Handtasche, trat ans Telefon, wählte eine Nummer und wartete, mit dem Absatz aufstampfend. Dann fragte sie mit glockenheller Stimme:

– Oskar?

– Ja, sagte Oskar, wer spricht dort?

– Lucie, sagte Frau Lucie.

– Welche Lucie? fragte Oskar.

– Lucie Alexandrová, sagte Lucie Tachecí.

Doktor Tachecí stand vor dem Bad, schluckte.

– Lucie Alexandrová! sagte Oskar, ist ja phantastisch! Lucie!

– Was machst du, Ossi? fragte Frau Lucie, immer noch ledig?

– Versteht sich, sagte Oskar, und du immer noch verheiratet?

– Versteht sich, sagte Frau Lucie, ich dachte, ich könnte wieder einmal auf ein Gläschen bei dir vorbeikommen.

Doktor Tachecí sagte vom Bad her:

– Lucie ...

– Das wäre ja phantastisch, sagte Oskar, bloß ...

– Du bist nicht allein, sagte Frau Lucie.

– Versteht sich, sagte Oskar.

– Ich komme gern ein andermal, sagte Frau Lucie, heute brauche ich eher deinen Rat.

– Suchst du ein Auto? fragte Oskar, oder eine Wohnung?

– Nein, sagte Frau Lucie, ich habe eine Tochter.

– Gratuliere, sagte Oskar, suchst du einen Hort?

– Ich habe sie seit fünfzehn Jahren, sagte Frau Lucie.

– Was? Ja so, entschuldige. Das war also schon vor fünfzehn ...? Ist ja phantastisch!

– Man hat sie nicht in die höhere Schule aufgenommen, sagte Frau Lucie, sie schien ihnen entweder zu schön oder zu gescheit.

– Wozu braucht sie dann die höhere Schule? fragte Oskar.

– Ich will, daß sie etwas wird, sagte Frau Lucie, ich will nicht, daß es ihr so ergeht wie mir.

– Lucie ... sagte Doktor Tachecí vom Bad her.

– Höhere Schule, sagte Oskar, Herrschaft, wer wäre da ... Wer hat mir da ... Moment, da gibt es doch so eine Kommission ... Sekunde, Krümelchen ...

– Das hast du schon lange nicht mehr zu mir gesagt, sagte Frau Lucie.

– Was? Ja so, entschuldige, ich sag’s auch nicht zu dir.

– Schade, sagte Frau Lucie.

– Hat es eine Woche Zeit? fragte Oskar, bis ich aus den Bergen zurück bin? Wir könnten dann alles auf einmal erledigen.

– Kannst du mir wenigstens die Kommission nennen?

– Ja so, sagte Oskar, ich weiß schon. Städtische Berufsberatungskommission. Der Name des Vorsitzenden ist mir entfallen, aber du kannst dich ruhig auf mich berufen, ich habe ihm ein Hausboot besorgt.

– Dann beschränke ich mich einstweilen auf ein Danke, Ossi, sagte Frau Lucie, und geh, damit du dich nicht erkältest.

– Woher weißt du das? fragte Oskar.

– Versteht sich doch, sagte Frau Lucie, sag Krümelchen, deine Tante habe angerufen. Fröhliche Ostern, Ossi!

Sie legte den Hörer auf und die strahlende Miene zugleich ab. Vom Bad her ließ Doktor Tachecí sich vernehmen:

– Lucie, wer war das?

– Ein Mensch, sagte Frau Tachecí, der mich einmal heiraten wollte. Du gestattest?

Ihr Mann trat zurück, damit sie wieder ins Bad konnte.

– Warum rufst du ausgerechnet den an? fragte er.

– Das kann ich dir sagen, erwiderte seine Frau, wäre ich vor sechzehn Jahren nicht so strohdumm gewesen, dann wäre Lízinkas Vater heute

Die Henkerin

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