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des Betroffenen, desto heftiger sein Widerstand. Den vierten mußten schon drei Gehilfen festhalten, aber das Ruck-Zuck gelang ihm trotzdem erst nach dem dritten Versuch. Zwar würde ihm niemand einen Vorwurf machen, wenn er diesem hier nach altem Brauch einfach die Beine wegstieß und ihn nach bestem Können ersticken ließ! Aber um diese Zeit hatte er schon begonnen, sein Fach systematisch zu studieren, und seine Exzerpte aus der Literatur füllten bereits das fünfte Heft; der Ruf, der immer häufiger und in einem Ausmaß an ihn erging, das selbst die schönste Kunst zum Handwerk machte, wuchs sich allmählich zur Berufung aus.

Als sie das Gestell mit dem vierten in die Sargkammer schoben, wo die Kunden, um den Betrieb nicht aufzuhalten, für den Amtsarzt »heranreiften« – der Fachjargon hatte, wie in jedem Beruf, so auch hier, Fuß gefaßt –, und das erste Gestell, vom Arzt freigemacht, auf den Hängeboden zurückbrachten, richtete der Professor das Wort an den blutjungen Gehilfen, der sich – Karli ausgenommen – wiederholt am geschicktesten angestellt hatte und überdies nie den sprühenden Humor verlor, den Wolf am Arbeitsplatz so bedauernswert selten antraf. Eben erst, als der vierte mit übermenschlicher Kraft seinen Adamsapfel zum zweitenmal befreit hatte und trotz des Knebels unangenehmes Gekreisch von sich gab, hatte dieser Knabe, der den halb Abgefertigten an den Haaren gepackt hielt, dessen Kopf herumgerissen und ihm ins Ohr geschrien:

– Pepi, benimm dich!

Wolf hatte aus nächster Nähe gesehen, wie die Todesangst in den Augen für den Bruchteil einer Sekunde kindlichem Staunen wich. Für ebenso lange erschlaffte auch der Hals, und das genügte Wolfs geübten Fingern, die richtige Stelle zu finden und den Griff auszuführen, auf den der vierte nur noch mit der Entleerung des Darms reagierte. Wolf mußte sich eingestehen, daß der junge Mann mehr psychologisches Einfühlungsvermögen bewiesen hatte als er selbst, der schon gewähnt hatte, es mit den größten Henkern der Kulturgeschichte aufnehmen zu können. Vielleicht war es eine Art Buße, daß er sich, als der Gefängnisdirektor den fünften aufrief, mit einer Frage an ihn wandte.

– Willst du ihn allein abfertigen?

In den fröhlichen Augen blitzte Argwohn auf, doch gleich darauf füllten sie sich mit Dankbarkeit und Glück. Der Junge schlug sich mit der rechten Hand auf den linken Bizeps und sagte mit heller Stimme:

– Aber immer, Meister. Wenn ich mir nur meine eigene Schlinge knüpfen dürfte?

– Wäre es nicht besser, ihn zu reißen? fragte Wolf zweifelnd. Am liebsten hätte er sein Wort zurückgenommen.

– Das wäre ihm gegenüber unfair, sagte der Junge zu seiner Überraschung, denn aufs Ruck-Zuck versteht sich keiner besser als Sie, Meister. Aber für mein Schischli garantiere ich.

– Was ist das? fragte Wolf verständnislos.

– Die Schimssa-Schlinge, sagte der Junge grinsend, so heiße ich nämlich.

– Heute können wir nicht herumexperimentieren, sagte Wolf streng, der gehört zur ersten Garnitur; wenn er sich losreißt, könnte es Stunk geben.

– Meister, sagte Schimssa eindringlich, ich hab’s drüben an den Abgefertigten ausprobiert, es ging wie geschmiert! Diese Offenheit überzeugte, und außerdem befand sich der fünfte, der nahezu hereingetragen werden mußte, sichtlich in einem apathischen Dämmerzustand. Und Wolf überschritt, ohne sich dessen vorläufig bewußt zu sein, seinen Rubikon und wuchs zum wahren Meister heran: Er wurde zum Mentor. Es konnte nicht ausbleiben, daß er sich unwillkürlich der klassischen Aufforderung bediente:

– Walte deines Amtes!

Dann schaute er zu, wie der Junge mit den Fingern flink die Höhe des letzten Halswirbels des fünften maß, um dann aus dem Hanfseil blitzschnell eine ungewöhnliche Schlinge mit exzentrischem Knoten zu knüpfen.

– Hopp, mit ihm auf den Bock! sagte er fröhlich zu den Gehilfen. Noch hatten sie den fünften nicht hochgehoben, da warf er ihm geübt die Schlinge über den Kopf und zog sie so zu, daß der Knoten unter dem linken Ohr hervorragte wie eine dicke Kokarde.

– Und ab die Post! fügte er hinzu und trat nach dem Dreifuß. Ein Knacken erscholl, als knallte ein Lineal. Der fünfte gab nur einen lauten Furz von sich, und als die Halswirbel nachgaben, dehnte er sich fast bis zum Boden; und ohne das geringste Zappeln schwankte er leicht am sich drehenden Strang. Aus der Gruppe der Zeugen ertönte dünner Applaus. Wolf sah aus dem Augenwinkel, daß auch der Doktor applaudierte. Trotz aller angeborenen Großmut kostete er zum erstenmal den bitteren Geschmack der Eifersucht und begriff sofort: Dieses Talent mußte für immer bei ihm bleiben, um ihm nie Konkurrenz machen zu können.

Ein intensiver, brennender Schmerz im Schoß weckte ihn, und gleich darauf, als er merkte, wieviel es geschlagen hatte, mußte er sich verdammt zusammennehmen, um diese

Die Henkerin

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