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"Die Goldlandwölfe haben wieder zugeschlagen", sagte Jessy Chandler, als ihr Vater den Laden durch die Hintertür betrat. "Sie haben Chuck Warner in seiner Hütte überfallen, ihn halb tot geschlagen und ihm des gesamte Gold gestohlen, das er in den vergangenen Tagen aus der Erde geholt hat."

Craig Chandler war Storebesitzer und Town Mayor von Salmon. Er war Ende 60. Er selbst arbeitete nicht mehr im Laden. Das besorgte Jessy für ihn.

Der alte Mann schaute ziemlich unglücklich drein. "Es wird immer schlimmer hier", murmelte er. "Was war Salmon für eine ruhige Stadt, ehe das verfluchte Gold hier am Creek gefunden wurde. Jetzt ..."

Er brach ab und seufzte ergeben. Es war sinnlos, sich zu beklagen. Er wusste es, denn er hatte die ungute Entwicklung hier nicht aufhalten können. Aus dem kleinen Ort hatte sich eine Stadt entwickelt, in der der Dollar locker saß und das Leben eines Mannes gerade mal den Preis für eine Kugel wert war.

"Salmon ist keine Stadt mehr", hub er noch einmal an. "Es ist ein Sündenpfuhl, ein lasterhaftes Babel. Hier läuft nichts mehr in geordneten Bahnen. Seit Franklin hier den Ton angibt, regiert die Gewalt. Der Town Marshal ist ein Mann Franklins. Die meisten Bürgerräte reden Franklin nach dem Mund. Im Bürgerrat wird nur noch beschlossen, was Franklin abgesegnet hat."

"Vater", murmelte Jessy, "ein Mann wie Franklin ist notwendig in Salmon. Er ist so etwas wie die ordnende und zähmende Hand in der Stadt. Es ginge drunter und drüber, wenn nicht er immer wieder eingreifen und die Ruhe herstellen würde. Er ..."

"... beschäftigt ein Rudel Schnellschießer, eine Horde Schläger, eine Bande von Kerlen, deren Sprache die der Fäuste und Revolver ist und die über Leichen gehen, wenn es darum geht, die Interessen Franklins durchzusetzen und seinem Willen Geltung zu verschaffen. Aber auf diesem Ohr hörst du schlecht, Jessy, ich weiß schon. Seit dir dieser Jack Randall den Hof macht ..."

Craig Chandler verschluckte den Rest, ging um die Verkaufstheke herum und näherte sich der Vordertür.

"Du magst Jack nicht, Dad", holte ihn die Stimme Jessys ein. Ihre Augen hatten sich etwas verdunkelt. Ihre Stimme klang kehlig. "Ich frage mich nur, warum nicht."

Craig Chandler wandte sich seiner Tochter noch einmal zu. "Als er mit Franklin hier ankam, waren es Landstreicher. Franklin, Randall, Slade und Mason – vier Satteltramps, die sich mit roher Gewalt behaupteten und schließlich Lester Carmickel von seinem Thron stießen, auf den er sich selbst gesetzt hatte. Franklin ist kein Deut besser als Carmickel. Vielleicht sogar noch einige Nuancen schlimmer. Doch er versteht es besser, den Menschen hier Sand in die Augen zu streuen. Und Randall ist so etwas wie seine rechte Hand. Nein, Jessy, ich mag ihn nicht. Diese Kerle säen nicht, sie ernten nur. Und das entspricht nicht meiner Vorstellung von einem Mann – schon gar nicht meiner Vorstellung von dem Mann, der dich eines Tages glücklich machen soll."

Craig Chandler ging zur Tür und öffnete sie. Die Ladenglocke bimmelte. Draußen zog ein Reiter vorbei. Es war ein Mann um die dreißig. Er saß nach vorne gekrümmt auf seinem Pferd. Feiner Staub puderte seine Kleidung. Staub klebte auch im Fell seines Pferdes. Das Tier ging mit hängendem Kopf und zog müde die Hufe über die Straße.

"Sieh dir diesen Mann an", sagte Craig Chandler über die Schulter. "Er kommt von weit her, wie viele der Kerle, die nach und nach in die Town einfallen wie Wölfe. Franklin wird ihm einen Job bieten und mit ihm seine Revolvermannschaft verstärken. Er übernimmt die Stadt mehr und mehr und lebt auf ihre Kosten wie die Made im Speck. Franklin ist ein Wolf im Schafspelz, Jenny. Und die Kerle, die für ihn arbeiten, sind von der selben Spezies."

Jenny war hinter ihn getreten und fixierte über seine Schulter hinweg den Reiter, der am Store vorbeizog.

Es war Mittagszeit und sehr heiß. In der Stadt war es ruhig. Sie erwachte erst am Abend zu sündigem, lasterhaftem Leben, wenn die Digger die Saloons und anderen Vergnügungsetablissements stürmten. Dann verwandelten sie Salmon in einen Hexenkessel, in ein Sodom und Gomorrha des Goldlandes.

Der Reiter sah die beiden in der Tür des Ladens und lenkte den Rotfuchs, auf dem saß, auf sie zu. Vor dem Store hielt er an, tippte mit dem Zeigefinger der Rechten lässig an die Hutkrempe und sagte staubheiser: "Ich komme von Red Lodge herüber, Sir. Nicht gerade ein einfacher Weg über die Bitterroot Berge. Mein Pferd ist ziemlich am Ende. Wo finde ich den Mietstall?"

Jetzt nahm der Reiter erst Jessy wahr, die fast verdeckt von der Gestalt ihres Vaters über dessen Schulter den Blick auf ihn gerichtet hatte. Er griff nach dem Stetson und lüftete ihn. "Sorry, Ma'am", sagte er. "Ich wollte nicht unhöflich sein."

"Warum haben Sie denn den halsbrecherischen Weg genommen, Mister?", stieß Craig Chandler nicht gerade freundlich hervor. "Hat man Ihnen auch die Story auf die Nase gebunden, dass hier am Salmon Creek der Reichtum sozusagen auf der Straße liegt und man ihn nur aufzuheben braucht? Hat Sie diese Aussicht über die Berge getrieben?"

Die Brauen des Reiters schoben sich etwas zusammen. "Nein", brach es fast brüsk über seine rissigen, trockenen Lippen. "Ich bin nach Salmon gekommen, weil die Spur zweier Mörder hierher führt. Mein Name ist Jim Hannagan. Ich bin Hilfssheriff in Red Lodge. Die beiden haben den Sheriff von Red Lodge ermordet. Das ist der Grund, Sir, der mich über die Bitterroot Range getrieben hat."

Jim wollte den Rotfuchs herumziehen, um weiterzureiten. Er war verärgert. Hinter ihm lagen tausend Strapazen und Gefahren. Der Weg über den Pass war mörderisch gewesen. Er und das Pferd waren ziemlich am Ende. Und der erste Mensch, den er ansprach, war ein schlechtgelaunter Oldtimer ...

Jessy drängte sich an ihrem Vater vorbei. "Warten Sie, Jim Hannagan. Es tut mir leid, wenn mein Dad ..."

Craig Chandler fiel ihr ins Wort. Er rief: "Sorry, Hannagan. Ich dachte eben, Sie sind auch einer dieser Abenteurer und Glücksritter, die tagtäglich nach Salmon kommen. Die meisten lassen sich einen Claim eintragen und schuften sich den Rücken krumm. Ja, sie graben sich wie Maulwürfe in die Erde und träumen davon, auf ein Nest voller Nuggets oder vielleicht sogar auf eine Goldader, eine Bonanza, zu stoßen. Es gibt aber auch andere. Es sind jene, die sich keinen Claim eintragen lassen. Sie ..."

Chandler brach ab. "Es wird Sie kaum interessieren, Hannagan. Reiten Sie die Main Street entlang bis zur vierten Querstraße und folgen Sie dieser nach rechts. An ihrem Ende finden Sie den Mietstall."

Jim, der noch einmal angehalten hatte, musterte die Frau. Nachdem sie jetzt nicht mehr völlig von ihrem Vater verdeckt wurde, sah er eine mittelgroße, schlanke und ausgesprochen hübsche Lady Mitte der 20, die ihn interessiert musterte. Ihr gebräuntes Gesicht bestach nicht so sehr durch seine Regelmäßigkeit, sondern durch die Wärme und Fraulichkeit, die es verstrahlte. Ihr Hals war braun und schlank, die Linie des feingeformten Kinns makellos. Sie lächelte – ein Lächeln, das ihre weißen, glitzernden Zähne zeigte und ihre Lippen verlockend erscheinen ließ.

"Doch", sagte Jim versonnen, "es interessiert mich. Zu den anderen gehören nämlich die beiden Mörder, denen ich gefolgt bin. Zu jenen also, die sich hier nicht den Rücken krumm arbeiten wollen, die dennoch mitverdienen möchten."

Craig Chandler vollführte eine umfassende Handbewegung. "Salmon ist voll von Gestrauchelten und Gescheiterten, Hannagan. Es gibt hier drei Kategorien. Die einen sind die Digger, die von morgens bis abends den Boden zu beiden Seiten des Flusses aufwühlen. Die anderen sind diejenigen, die auf einem wertlosen Claim gelandet sind und aufgegeben haben. Sie haben alles verloren und verfügen oft nicht einmal mehr über die paar Dollars, um sich ein Ticket zu kaufen, in die nächste Kutsche zu setzen und der Stadt den Rücken zu kehren."

"Das sind die Gescheiterten", knurrte Jim. "Es fehlt noch eine Kategorie, Mister – äh ..."

"Chandler, Craig Chandler. Storebesitzer und Town Mayor. Letzterer nur noch auf dem Papier, sozusagen als Statist." Einen Moment kniff der Oldtimer bitter die Lippen zusammen. Dann erhob er wieder die Stimme. "Tja, die dritte Kategorie ... Das sind jene, die sich hier aufs hohe Ross geschwungen haben. Sie halten die Fäden in der Hand und kontrollieren das Geschäft mit dem Vergnügen in Salmon. Sie sind die großen Gewinner. Denn wenn einer dieser Narren, die sich in die Erde graben, tatsächlich mal eine Handvoll Gold findet, dann trägt er sie sofort in den nächsten Saloon oder in eines der Bordelle, wo er ausgenommen wird wie eine Weihnachtsgans. Tut er es nicht, kommen die Goldlandwölfe über ihn und er muss dankbar sein, wenn sie ihm nicht den Hals durchschneiden."

Jim legte beide Hände übereinander auf das Sattelhorn und beugte sich etwas nach vorn. "Wer gehört hier zur dritten Kategorie, Mr. Chandler? Oder wer ist die dritte Kategorie? Vielleicht muss ich mich an ihn wenden, um zu erfahren, wo ich die beiden Mörder suchen muss."

"Sein Name ist Franklin. Er ist seit knapp einem Jahr hier. Als er kam, hatte er drei Figuren im Schlepptau. Sie sicherten sich jeder einen Claim, und sie arbeiteten sogar kurze Zeit darauf ..."

Jims Gesicht hatte sich jäh verändert. Chandler entging diese Veränderung nicht. Er verstummte und fixierte Jim mit dem Ausdruck neugieriger Erwartung.

"Franklin!", wiederholte Jim nachdenklich. "Etwa James Franklin?"

"Kennen Sie ihn etwa?", fragte Jessy.

Jim hob die Schultern, ließ sie wieder sinken und erwiderte: "Ich kenne einen Mann namens James Franklin. Aber es gibt sicher viele Männer, die so heißen. Es ist sicherlich Zufall."

Craig Chandler ließ wieder seine Stimme erklingen. "Lester Carmickel war damals der ungekrönte King der Goldgräberkolonie um Salmon. An jedem Geschäft, das hier getätigt wurde, verdiente er zehn Prozent. Außerdem gehörten ihm der Silvermoon Saloon, der Nugget Inn, zwei Spielhallen, eine Tanzhalle, ein Bordell und ein Hotel. Franklin, Randall, Slade und Mason gründeten so etwas wie eine Goldgräbervereinigung, ein Syndikat ..."

Jim hatte sich fast verschluckt. Sein Atem ging keuchend, jeder Zug seines Gesichts drückte Rastlosigkeit aus. In seinen Augen zeigte sich ein unruhiges Flackern. "Sagten Sie Randall, Mr. Chandler? Jack Randall etwa?"

"Ja. Mir scheint, Sie sind hier auf ein Nest voll alter Bekannter getroffen, Hannagan."

"Großer Gott!", entrang es sich Jim. "Jack und ich waren Partner. Wir waren Freunde. Vor etwa einem Jahr verloren wir uns aus den Augen. Ich – ich ..."

"Sie finden Ihren Freund im Silvermoon Saloon", knurrte Chandler. Ein Schatten lief über sein Gesicht. "Die Frage ist nur, ob er noch Ihr Freund ist. Er hat sich gemausert, Hannagan, und ist der zweite Mann in dieser Stadt, vielleicht sogar die graue Eminenz."

Jim wollte nicht glauben, was er hörte. Hart pochte sein Herz gegen die Rippen und jagte das Blut durch seine Adern. Hinter seiner Stirn wirbelten die Gedanken.

"Ja, das ist die dritte Kategorie, Hannagan", hieb die Stimme Chandlers in sein Denken. "Franklin, Randall, Slade und Mason bildeten die Köpfe des Syndikats. Und sie begannen, Carmickels Männer systematisch auszuschalten. Mit Pulverdampf und Blei. O ja, sie waren besser als alle anderen, vor allem aber waren sie kompromissloser, unerbittlicher und tödlicher. Zuletzt saß Carmickel alleine in seinem palastähnlichen Haus. Er wurde mit Schimpf und Schande aus der Stadt verjagt. Und James Franklin nahm seinen Platz ein. Niemand stellte sich ihm in den Weg. Man zeigte Dankbarkeit."

Die Stimme des Oldtimers triefte zuletzt vor beißendem Sarkasmus.

"Sie sind nicht besonders glücklich darüber, wie?", grollte Jims Organ.

"Nein. Für mich sind das alles skrupellose ..."

"Jack und ich sind verlobt!", schnitt ihm Jessy hastig das Wort ab. "Wir werden heiraten. Und das gefällt Dad nicht. Darum ..."

"Als ich sagte, dass Sie hier auf Nest voll alter Bekannter gestoßen seien, Hannagan, meinte ich ein Nest voll Klapperschlangen. Sie leben von den Goldgräbern, deren Lohn für harte, schweißtreibende Arbeit am Ende oft bittere Armut, Hoffnungslosigkeit und Tod sind. Aber das werden Sie sicher selbst herausfinden, falls Sie längere Zeit in Salmon bleiben sollten."

Jim griff noch einmal an den Hut, neigte den Kopf etwas, bedankte sich und ritt weiter.

Eine Sturmflut von Gefühlen hatte die Eröffnung in ihm ausgelöst, dass in Salmon sein alter Sattelgefährte Jack lebte. In Jim wallte etwas hoch. Ja, sie waren die besten Freunde gewesen. Sie waren miteinander durch dick und dünn gegangen und hatten zusammengehalten wie Pech und Schwefel.

Doch dann trafen sie auf James Franklin ...

O verdammt!, durchzuckte es Jim. Jack ist mit Franklin und den anderen beiden Schuften abgehauen und hat mich schmählich im Stich gelassen, als mich die Circle-M-Reiter um ein Haar aufknüpften. Wäre Link nicht zufällig des Weges gekommen, dann wäre ich längst in einem namenlosen Grab verrottet.

Es war düstere, unerfreuliche Gedanken, die durch seinen Kopf zogen. Auch das, was Chandler von sich gegeben hatte, ließ Jim nachdenklich werden. Und da war noch die junge, hübsche Frau, die mit Jack verlobt war.

Jim folgte dem Weg, den ihm Craig Chandler beschrieben hatte, und fand den Mietstall ...

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