Читать книгу Wildwest Großband September 2018: Sammelband 8 Western - Pete Hackett - Страница 33
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Jim war gebadet und rasiert. Er hatte sich den Staub aus der Kleidung geklopft. Satteltaschen und Winchester waren in dem Zimmer deponiert, das er im Hotel gemietet hatte.
Er hatte sich im Mietstall nach John McKenzie und dessen Kumpan erkundigt, von dem er nur den Vornamen Wade kannte. Der Stallmann jedoch hatte ihm nicht weiterhelfen können. "Es gibt noch einen weiteren Mietstall in Salmon", gab er zu verstehen. "Außerdem verfügt jeder Saloon und jedes Hotel über einen eigenen Stall. Wenn Ihnen nicht der Zufall zur Seite steht ..."
Der Mann schwieg vielsagend.
Jim hatte beschlossen, es nicht dem Zufall zu überlassen.
Er aß in einem Restaurant zu Abend. Durch das Fenster beobachtete er, wie es auf der Straße mit jeder Minute lebendiger zu werden schien. Digger mit schmutziger, abgerissener Kleidung strömten in die Stadt. Bald war das Restaurant gerammelt voll. Verworrener Lärm erfüllte die Stadt. Und nicht nur die Digger, die den ganzen Tag geschuftet hatten, kamen.
Auch die anderen krochen aus ihren Löchern, nämlich jene, die alles verloren hatten und für ein warmes Essen oder ein Glas voll Schnaps ihre Seele dem Satan verkauft hätten. Sie lungerten als Bettler an den Straßenrändern herum, waren heruntergekommen und hohlwangig, und sie verströmten ein hohes Maß an Aggression.
Die Schatten krochen schnell über die Fahrbahn und stießen gegen die Häuser auf der anderen Seite. Dann begann die Sonne hinter die bewaldeten Hügel im Westen zu sinken. Die Abenddämmerung kam von Osten und beraubte das Land seiner Farben. Die Schatten verblassten. Rötlicher Schein legte sich auf die Straße und die Dächer ...
Jim verließ das Restaurant.
Ja, Salmon glich einem Hexenkessel. Die Stadt glich einem brüllenden Untier, das jeden verschlang, der nicht stark genug war, allen Widerständen zu trotzen. Hier konnte nur der Starke bestehen, egal ob er gut oder schlecht war. Entweder man lernte in dieser Town seine Lektionen schnell, oder man verschwand sang- und klanglos in der Versenkung oder in einem namenlosen Grab.
Heftige, wilde Impulse durchströmten Salmon. Die Atmosphäre, der bösartige Lärm, der durch die Straßen und Gassen rollte – es berührte Jim wie ein stinkender Atem. Obwohl der Abend erst begann, hörte er schon Betrunkene grölen und johlen.
Aus einem der Saloons taumelte rückwärts ein Mann. Er trug eine verdreckte Latzhose und ein blaues Baumwollhemd. Mit rudernden Armen bemühte er sich, sein Gleichgewicht zu bewahren. Wild schwangen die Flügel der Pendeltür.
Ein schwergewichtiger, stiernackiger Bursche folgte mit verzerrtem Gesicht, die Fäuste schwingend, mit polternden, stampfenden Schritten. Er traf den anderen zweimal, und als er am Boden lag, stieß er ihn mit dem Fuß über die Vorbaukante. Verkrümmt blieb der Bursche liegen.
Jim hob den Blick. In riesigen Lettern war auf die Holztafel, die an die Front des Gebäudes genagelt war, ‚Silvermoon Saloon‘ gepinselt.
Sein Augenmerk wurde wieder auf die Vorgänge vor dem Saloon gelenkt. Der Grobknochige tauchte unter dem Vorbaugeländer hindurch und sprang auf die Straße. Er zerrte den Burschen, den er über die Vorbaukante gestoßen hatte, auf die Beine. Mit der Linken hielt er ihn fest, mit der Rechten holte er aus ...
Vor dem Saloon rottete sich schnell eine Horde schreiender und johlender Kerle zusammen. Auch einige grell geschminkte Girls fanden sich ein und kreischten dazwischen.
Jim konnte vom Vorbau des Restaurants aus über die Köpfe der Menschenschar hinwegblicken.
Was er sah, widerte ihn an. Der stiernackige, breitschultrige Bursche verprügelte mit einer Brutalität, die ihresgleichen suchte, den Mann in der zerschlissenen Latzhose. Der Grobklotzige wog bestimmt hundertfünfundzwanzig Kilo, der andere war sicherlich an die siebzig Pfund leichter. Er torkelte nur noch auf butterweichen Knien herum, hatte nicht einmal mehr die Kraft, die Fäuste zu heben, und nach einem fürchterlichen Schwinger fiel er um wie ein gefällter Baum.
Einige klatschten Beifall. Der Riese leckte sich über die Handknöchel, blickte geschmeichelt in die Runde, dann erfasste sein Blick Jim und blieb auf ihm etwas länger haften. Schließlich aber riss er sich los, spuckte neben den Bewusstlosen auf die Erde und stapfte davon. Eine Handvoll hartgesichtiger Kerle folgte ihm.
Jim, der gekleidet war wie ein Cowboy, musste hier zwangsläufig auffallen, wo die Männer, die sich ihre Hände mit Arbeit nicht schmutzig machten, Anzüge und weiße Hemden anhatten, die anderen, die sich mit Pickel und Schaufel in die Erde wühlten, Latzhosen, Overalls und derbe Drillichanzüge.
Die Rotte der Neugierigen lief auseinander. Jim rief einen Mann an: "Wer war der Riese, der den armen Burschen dort regelrecht zertrümmert hat?" Er wies auf den Besinnungslosen, der auf dem Gesicht lag und um den sich niemand kümmerte.
Jim begriff, dass sich in Salmon jeder selbst der Nächste war.
Der Angesprochene lachte fast belustigt auf. "Der Riese war Samuel 'Bull' Bronson, und der dort" – er deutete auf den Reglosen –, "ist Calem Masterson, ein großmäuliger Narr, der James Franklin als niederträchtigen Hurensohn beschimpfte. Das hat er nun davon."
Der Mann tippte mit knapper Geste an seine Schildmütze und schritt weiter. Gedankenvoll schaute Jim hinter ihm her. Dann stakste zu dem Burschen am Boden hin. Die Finger des Mannes hatten sich im Schmutz verkrallt. Sein Gesicht lag auf der Seite. Die Hälfte, die Jim sehen konnte, war verschwollen und blutverschmiert.
Einige Passanten beobachteten Jim. Er drehte den Ohnmächtigen auf den Rücken. Dann ging er zu einem Pferd, das vor dem Saloon am Hitchrack stand, und holte die Wasserflasche vom Sattel. Er träufelte dem armen Burschen vorsichtig etwas Wasser zwischen die Lippen. Der Mann begann mechanisch zu schlucken, seine Lider flatterten, er hüstelte, und schließlich kam er zu sich. Ein abgrundtiefes Gurgeln kämpfte sich in seiner Brust hoch und brach sich Bahn aus seinem Mund. Er sah fürchterlich aus. Blut und Schmutz vermischten sich auf seiner linken Gesichtsseite, die im knöcheltiefen Staub gelegen hatte.
Jim half ihm, sich aufzusetzen. Der Mann griff sich mit beiden Händen an den Kopf und röchelte.
"Geht’s wieder? Kommst du allein zurecht?", erkundigte sich Jim.
Da fiel ein Schatten über ihn. Er drehte den Kopf, schaute in die Höhe, erhob sich dann langsam, und nahm Front zu dem Burschen ein, der herangeglitten sein musste wie ein Blackfeet auf dem Kriegspfad. An seiner dunklen Anzugjacke blinkte ein Sechszack.
"Ich bin Marshal Hayworth", stellte er sich vor. Für den Mann, der am Boden saß und der noch immer gegen die anbrandende Benommenheit ankämpfte, hatte er keinen Blick übrig. Er starrte Jim an, stechend, durchdringend und forschend. "Sie sollten bei ihm nicht den Samariter spielen, Fremder", gab er nach einer ganzen Weile des stummen Abtastens zu verstehen. "Es könnte sehr leicht falsch ausgelegt werden."
In Jims Eingeweiden begann dumpfe Wut zu rumoren. Seine Züge verschlossen sich, versteinerten geradezu. "Ein Büffel hat ihn in Grund und Boden gestampft", stieß er hervor. "Fünfzig oder hundert Schaulustige haben Beifall gespendet. Denen scheint es egal zu sein, wenn er vor die Hunde geht hier im Straßendreck. Dort, wo ich herkomme, ist man weniger unbarmherzig."
Der Anflug eines Lächelns huschte um den dünnlippigen Mund des Marshals. "Na schön, Stranger. Ich habe Sie gewarnt. Fremde, die denken, hier gegen den Strom schwimmen zu müssen, werden verdammt schnell eines Besseren belehrt und lassen Federn – viele Federn."
"Ich kann mich meiner Haut wehren, Marshal", versetzte Jim barsch. Aus den Augenwinkeln sah er, dass sich Calem Masterson in die Höhe kämpfte. Er wischte sich mit der Hand Blut und Dreck aus dem Gesicht, seine Bronchien rasselten, heiser sagte er: "Thanks, Mister", dann torkelte er auf weichen Beinen davon.
"Seien Sie sich nur nicht allzu sicher", entgegnete der Marshal gedehnt. "Viele solcher Vögel wie Sie kamen schon nach Salmon. Jetzt sind sie so klein." Er zeigte mit Daumen und Zeigefinger einen Abstand, der mit dem Auge kaum zu erfassen war. Plötzlich schwang er herum und ließ Jim einfach stehen.
Jim starrte der hohen, aufrechten Gestalt hinterher. Er hatte plötzlich das Gefühl, nur von Feinden umgeben zu sein. Unbehaglich zog er die Schultern ein. Dann schraubte er die Wasserflasche zu und hängte sie an den Sattel zurück.