Читать книгу Wildwest Großband September 2018: Sammelband 8 Western - Pete Hackett - Страница 39
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ОглавлениеJim Hannagan suchte den Store auf. Hinter der Verkaufstheke befand sich Jessy. Sie musterte ihn seltsam, fast feindselig.
Es entging Jim nicht. Er kaufte sich ein Päckchen Tabak und Zigarettenpapier. "Heute in den frühen Morgenstunden schien ziemlich was los gewesen zu sein am Fluss", sagte er, um mit Jessy ins Gespräch zu kommen. "Hat da eine Schießerei stattgefunden?"
"Ja, es hat sich so angehört", versetzte Jessy reserviert und wandte sich halb ab, um Ware in einem Regal zu ordnen. Sie zeigte Jim die Seite. Er beobachtete ihr Gesicht vom Profil.
"Sie wissen also nicht, wer geschossen hat?"
"Nein. Es kracht immer wieder mal. Am Fluss ist es zwar recht selten, dafür aber umso öfter in der Stadt."
"Es gibt hier einen Marshal", gab Jim zu verstehen. "Sorgt er nicht für Ruhe und Ordnung?"
"Er wird von Franklin bezahlt. Darum vertritt er auch nur James Franklins Gesetz."
"Auch Jack ist ein Mann James Franklins", murmelte Jim. "Als Sie eben sagten, dass Marshal Hayworth Franklins Gesetz vertritt, klang das ziemlich verbittert. Dass Jack Franklins rechte Hand in dieser Stadt ist, scheint Sie nicht zu stören."
Jessy errötete. Sie schoss ihm einen schnellen, unsicheren Blick zu, dann widmete sie sich wieder ihrer Arbeit. "Jack hat versprochen, mit mir Salmon zu verlassen, wenn er genug Geld beisammen hat, um uns eine gute Zukunft aufzubauen." Sie machte eine kleine Pause, schien ihre nächsten Worte im Kopf vorzuformulieren, dann stieß sie hervor: "Mag man von James Franklin halten was man will, Jim – er ist ein skrupelloser Ausbeuter, aber er ist kein Verbrecher oder Bandit. Franklin sichert sich eben ein Stück des Kuchens, der hier am Salmon River verteilt wird. – Es ist richtig: Jack arbeitet für ihn. James und Jack haben eine gewisse Ordnung in die Stadt gebracht. Gewiss, sie verdienen gut an den Diggern, Spielern und Huren. Aber versucht nicht auf der ganzen Welt jeder am anderen zu verdienen? Was soll also schlecht oder verwerflich daran sein?"
Jim zuckte mit den Achseln. "Ich habe Jack ein Jahr lang nicht gesehen. Er hat sich verändert. Er ist nicht mehr der Jack Randall, wie ich ihn all die Jahre, in denen wir Seite an Seite geritten sind, gekannt habe. Nun, Jack muss selbst wissen, wie er sein Leben gestaltet. Ich bin hier, weil ich zwei Mörder der Gerechtigkeit zuführen will. John McKenzie und einen seiner Komplizen. Ihre Spur endet hier."
"Sie – Sie haben mit Ihrem Auftauchen Jack ziemlich aus der Ruhe gebracht, Jim", sagte Jessy und wendete sich Jim voll zu. "Ich weiß zwar nicht wieso, aber es ist so. – Ich liebe Jack. Er ..."
Die Ladentür wurde aufgedrückt. Die Glocke schlug an, Craig Chandler betrat den Store. Er ging heute an einem Stock. "Aaah, Jim Hannagan." Der Oldtimer lächelte. "Haben Sie sich schon ein Bild gemacht von dieser lausigen Stadt? Nur schade, dass ich schon auf die 70 zugehe. Wäre ich noch jung und rüstig, würde ich meinen Krempel zusammenpacken und nach Oregon oder Kalifornien auswandern. In diesem Sündenpfuhl würden mich keine zehn Pferde halten können."
Auch Jim lächelte. "Soeben erzählt mir Ihre Tochter, dass sie und Jack Randall die Town verlassen werden, wenn er das notwendige Geld beisammen hat. Die beiden werden sicherlich nicht ohne Sie gehen."
Die Miene Craig Chandler verkniff sich. Seine Augen versprühten Blitze. "Jack Randall ist ein Windhund", blaffte er. "An seiner Seite würde ich nicht mal die Main Street überqueren, geschweige denn das Land verlassen. – Hey, Jessy, hast du's schon gehört? Die Goldgräber haben sich von Franklin und deinem Jack abgenabelt und eine eigene Ordnung in der Kolonie geschaffen. Und in der vergangenen Nacht haben sie es einigen Goldlandwölfen gegeben. Einer wurde getötet, einen anderen erwischte das Aufgebot. Er wird heute Mittag vor das Goldgräbergericht gestellt. – Nun rate mal, für wen der Tote gearbeitet hat?"
Jessy musterte ihren Vater trotzig und schwieg.
Jim hingegen wurde von gespannter Erwartung erfüllt, obwohl er die Antwort ahnte.
Weil Jessy nichts sagte, stieß Craig Chandler hervor: "Er arbeitete auf einem Claim James Franklins. Heiliger Rauch, sollte sich herausstellen, dass Franklin und seine Wölfe hinter den Goldräubern stehen, dann werden hier Köpfe rollen. Dann ..."
"Wie ist es gelungen, ihn zu schnappen?", fragte Jim.
"Die Digger haben überall das Gerücht gestreut, dass Dale Smith auf seinem Claim fündig geworden sei und Gold im Wert einiger tausend Dollar aus dem Boden geholt habe. Dann legten sich Bob Griffith und ein Aufgebot auf die Lauer. Und prompt kamen die Hyänen, um es Dale Smith zu geben. Man wird an Wade Benbow, das ist der Kerl, der den Diggern lebend in die Hände fiel, ein Exempel statuieren. Und das wird andere davon abhalten ..."
Es traf Jim wie ein eisiger Guss. Seine Lippen sprangen auseinander. "Sagten Sie Wade?", entfuhr es ihm, und eine Erregung bemächtigte sich seiner, die ihm fast körperliches Unbehagen bereitete.
"Ja, Wade Benbow. Man wird ihn ausquetschen wie eine Zitrone." Plötzlich stutzte Craig Chandler, er schob das Kinn vor, seine grauen Raubvogelaugen musterten Jims Gesicht durchdringend. "Kennen Sie Benbow? Ist das vielleicht sogar einer der beiden Kerle, hinter denen Sie her sind?"
"Möglich", murmelte Jim. "John McKenzies Komplize heißt Wade. Wo befindet sich dieser Benbow jetzt?"
"Sie haben ihn in das verlassene Fort am Lemhi Creek gebracht, etwa 10 Meilen südöstlich von Salmon. Dort findet heute Mittag auch die Verhandlung gegen ihn statt. Wenn er schuldig gesprochen wird, hängen sie ihn an Ort und Stelle auf."
Jim hatte es plötzlich sehr eilig. Er verabschiedete sich, schwang herum und verließ den Laden. Die Tür klappte hinter ihm zu.
Als die Türglocke schwieg, knurrte der Oldtimer: "Das ist ein Mann von echtem Schrot und Korn, Jessy. Den interessiert es nicht, dass hier an vielen Stellen Gold in der Erde liegt. Er geht seinen Weg, und wenn er ihn mitten durch die Hölle führen sollte. Verwunderlich, dass er viele Jahre mit einem Burschen wie Jack Randall geritten sein soll. Denn die beiden sind vom Charakter her unterschiedlicher als Feuer und Wasser."
"Du kannst Jack nicht ausstehen, Dad. Du hast dir einen Schwiegersohn vorgestellt, der dir gleicht wie ein Sohn, der den Laden weiterführt und der jeden Sonntag zur Messe geht. Diesem Bild entspricht Jack nicht, und darum lässt du kein gutes Haar an ihm."
"Das stimmt nicht", erwiderte der Oldtimer ernst. "Diesem Bild würde auch Jim Hannagan nicht entsprechen. Du wirst es sehen, Jessy. Lass diesen Wade Benbow nur den Mund aufmachen und Namen nennen. Ich bete deinetwegen, dass Jack Randalls Name nicht fällt. Wenn doch, dann täte es mir um deinetwillen sehr, sehr leid."
Craig Chandler schlurfte hinter den Tresen und verschwand durch eine Tür.
Jessys Gesicht zeigte Ratlosigkeit und Unruhe. Heftig pochte die Schlagader an ihrem schlanken Hals.
Und einer jähen Eingebung folgend verließ sie den Store. Sie lief zum Silvermoon Saloon, in dem Jack Randall als Manager eingesetzt war.
Sie erfuhr, dass Jack zu James Franklin gerufen worden sei.
Als Jessy wieder auf die Main Street lief, sah sie Jim Hannagan auf seinem Pferd aus der Richtung des Mietstalles kommen.
Als er Jessy sah, hielt er an. Er wartete, bis Jessy bei ihm angelangt war, dann sagte er: "Sie haben Jack gesucht, Jessy, nicht wahr?"
Sie nickte. "Er ist bei James Franklin." Das Mädchen griff nach dem Kopfgeschirr des Pferdes, auf dem Jim saß. "Reiten Sie zu dem alten Fort, Jim?"
"Ja. Dieser Wade Benbow interessiert mich. Womöglich ist er mein Mann. Wade ist kein alltäglicher Name."
"Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich Ihnen anschließe?"
"Haben Sie ein Pferd?"
"Es steht im Mietstall. Ich muss mich nur schnell umziehen. Es dauert keine Viertelstunde ..."
"Ich lasse Ihr Pferd satteln und zäumen!", rief Jim und blickte ihr hinterher, als sie in Richtung des Stores lief.
Und er konnte beobachten, dass Reiter und Fuhrwerke die Stadt verließen. Dann kam ein Pulk Reiter. Jim kniff die Augen eng. Es waren fast ein Dutzend, und unter ihnen sah er Jack Randall. Da waren aber auch James Franklin, Doug Slade und Spencer Mason, außerdem der gigantische Samuel 'Bull' Bronson, den Jim mit dem Coltlauf niedergeschlagen hatte.
Etwas in Jim versteinerte.
Die Reiter hatten ihn ebenfalls gesehen und schwenkten auf ihn ein.
Die Kavalkade kam in einer hochschlagenden Staubwolke zum Stehen. Der Staub senkte sich. Die Pferde stampften und prusteten, Sättel jankten, Gebissketten klirrten.
"Sieh an!", rief James Franklin, der frühere Viehdieb, der sich zum ungekrönten König von Salmon gemausert hatte. "Der totgeglaubte Jim Hannagan. Jack hat mir schon berichtet, dass du damals nicht vor die Hunde gegangen bist, Jim. Mir scheint, du hattest eine Menge Glück."
"Ich möchte sagen, es war ein Schutzengel, James", versetzte Jim kalt und distanziert. "Du hast uns damals übel hereingelegt. Ich wäre beinahe für dein, Slades und Masons Verbrechen gehängt worden. Damals wünschte ich dich in die Hölle dafür. Zwischenzeitlich aber ..."
"Du hast es ausgeschlagen, hierzubleiben und für mich zu arbeiten, Jim", dehnte Franklin. "Du hast mich im Silvermoon Saloon sogar als Bandit bezeichnet."
Jim entging nicht, dass ihn Sam Bronson mit einem gehässigen Funkeln in den Augen fixierte. Er beachtete den Schläger aber nicht. "Du bist ein Bandit, Franklin. Du hast mit einigen Komplizen eine Herde Longhorns gestohlen und dabei einige Cowboys erschossen. Und hier spielst du dich, habe ich mir sagen lassen, als Herr über diese Stadt auf. Ich weiß, dass jener Bandit, der in der Nacht auf dem Claim dieses Dale Smith getötet wurde, einer deiner Angestellten war. Hat vielleicht Wade Benbow, über den man heute Mittag in dem alten Fort zu Gericht sitzen wird, auch bei dir angeheuert, als er in Salmon ankam?"
James Franklin stemmte sich mit beiden Armen auf den Sattelknauf. Unter halb gesenkten Lidern hervor starrte er Jim kalt an. "Wie soll ich diese Frage verstehen?", fragte er, und in seiner Stimme schwang ein drohender Unterton.
"Dann wäre es nicht von der Hand zu weisen, dass auch der Name John McKenzie auf deiner Lohnliste zu finden ist. Er und ein Mann namens Wade haben Sheriff Link Jefford in Red Lodge erschossen. Ich habe geschworen, sie zur Rechenschaft zu ziehen."
"John McKenzie", echote Franklin, "nie gehört den Namen."
"Nun, dieser Wade Benbow wird seinen Kopf sicher nicht alleine in die Schlinge stecken wollen, Franklin", knurrte Jim. "Er wird verraten, wer noch dabei war in der vergangenen Nacht, und er wird vielleicht auch den Namen des Mannes nennen, der hinter den Goldlandwölfen steht und die Fäden in der Hand hält."
"Ich bin nicht für die Männer verantwortlich, die auf meiner Lohnliste stehen", tönte James Franklin. "Diesen Wade Benbow kenne ich nicht. Wenn er einer der Goldlandwölfe ist, die die Digger in Angst und Schrecken versetzen, dann soll er seine gerechte Strafe erhalten. Ich werde aber nicht zulassen, dass er vor ein Gericht gestellt wird, das keinerlei Kompetenz besitzt. Ein Goldgräbergericht! Das ist geradezu lächerlich. Ein Richter, der nie ein Gesetzbuch gesehen hat. Ein Ankläger, dem irgendwelche Narren einen Sheriffstern an die Weste gesteckt haben. Das ist Lynchjustiz. Und das darf nicht sein. Ich habe hier eine gewisse Ordnung geschaffen. Wenn ich zulasse, dass dieser Benbow gelyncht wird, dann war alles umsonst."
"Aaah, darum dieses Aufgebot, Franklin", rief Jim. "Du willst zu dem alten Fort reiten, um wieder einmal unter Beweis zu stellen, wer in diesem Teil des Landes Boss ist. Gibt es denn hier in der Stadt eine Einrichtung, die kompetent wäre, über Wade Benbows Kopf den Stab zu brechen?"
"Lass das unsere Sorge sein, Hannagan", schnarrte Franklin. Er drehte den Kopf zu seinen Leuten herum. "Wir reiten!" Mit dem letzten Wort gab er seinem Pferd die Sporen.
Jack Randall blieb zurück. Als das Hufgetrappel, das der Pulk verursachte, weit genug entfernt war, so dass Jim hören konnte, was er sagte, sprach er: "Verdammt, Jim, warum machst du es mir so schwer? Wir waren Partner, sicher, aber das ist Vergangenheit. Ein Jahr liegt dazwischen, und ich bin mit James Franklin eine Partnerschaft eingegangen, bei der ich nicht schlecht fahre. Verschwinde, Jim! Das Gesetz, das du vertrittst, gilt hier nicht. Im Goldland herrschen andere Regeln als dort, wo du herkommst. Reite zurück nach Red Lodge, heirate und gründe eine Familie. Hier ..." Er unterbrach sich und winkte unwirsch ab. "Ach was! Verschwinde, Jim. Du hast hier keine Freunde. Das Angebot, das ich dir unterbreitet habe, hast du ausgeschlagen. Es ist ganz einfach. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Und den vernichten wir."
"Ein klares Wort, Jack. Vielen Dank für deine Warnung. Aber ich reite erst, wenn die Mörder Link Jeffords zur Rechenschaft gezogen sind. Einer von ihnen ist möglicherweise dieser Wade Benbow."
In diesem Moment kam Jessy Chandler zurück. Sie trug jetzt eine enge Jeans, Stiefel, eine Bluse, eine braune Lederweste und auf ihrem Kopf saß ein flacher, schwarzer Stetson mit schmaler Krempe.
Jack Randall schaute verblüfft drein. "Jessy!", entfuhr es ihm überrascht. "Was hast du vor?"
"Ich reite mit Jim zum Fort, Jack. Du wirst doch sicherlich auch schon vernommen haben, dass in der Nacht einer der Goldlandwölfe geschnappt wurde. Ich will dabei sein, wenn ..."
Jacks Blick wurde unstet. Er knirschte eine Verwünschung, sein lodernder Blick traf Jim. "O verdammt, Jim, wärst du doch bloß in Red Lodge geblieben!" Mit dem letzten Wort riss er wild sein Pferd herum und gab ihm die Sporen. Das Tier streckte sich. Jack Randall sprengte hinter James Franklin und der Reiterhorde her.
"Er ist so verändert seit gestern", flüsterte Jessy. "Das gefällt mir nicht. Bei Gott, was ist nur in ihn gefahren?"
Sie hatte plötzlich das Empfinden, dass sich über ihrem Kopf das Unheil wie dunkle, drohende Gewitterwolken ballte.