Читать книгу 15 Western Koffer Sommer 2018 - Gegen das Gesetz und 14 andere Romane - Pete Hackett - Страница 37
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Ein monotones Klopfen weckt Will Slaughter. Schläfrig liegt er da und lauscht, ruhelos liegt Sarah neben ihm.
„Es ist an der Tür“, flüstert die Frau. „Will, wie spät ist es?“
„Ich weiß nicht. Noch zu dunkel, um auf die Uhr zu schauen.“
„Steh auf und mach Licht an! Und sieh nach, wer zu dieser nachtschlafenden Zeit an die Tür klopft!“
Will klettert fluchend aus dem Bett. Er sucht nach einem Streichholz und brennt die Lampe an. In seinem langen Baumwollnachthemd geht er zur Tür und öffnet sie.
Zuerst erkennt er das Gesicht nicht. Es ist durch den verfilzten Bart verzerrt und hässlich, und die dünnen Lippen sind verkrustet. Aber die Augen sind die gleichen geblieben.
„Will!“, ruft Sarah aus dem Schlafzimmer. „Wer ist es?“
Will ist es, als würde ein Alptraum Wirklichkeit. Er erinnert sich an Buck Travis' Worte: „Eines Tages wird Sam Mahone nach Shelby zurückkehren. Dann möchte ich nicht in deiner Haut stecken — oder in der deiner Frau!“
„Du bist überrascht?“, fragt Sam kalt und schiebt sich ins Zimmer.
Will umklammert den Fuß der Lampe mit beiden Händen und tritt zurück.
„Will!“, ruft Sarah wieder. „Wer ist es?“
Sam sagt mit ruhiger Stimme: „Es ist dein Schwager, Sarah — der Mann, den du gesehen hast, als er Jed Harper ermordete.“
Die Stimme klingt kalt. Will versucht zu sprechen, aber die Worte wollen ihm nicht über die Lippen kommen. Schließlich aber stößt er heraus: „Um Gottes willen, Sam! Was willst du?“
„Nichts. Jedenfalls heute noch nichts.“
Jetzt merkt Will, dass Sam's Stimme gefühllos klingt, dass sein ganzer Hass ihm in die Augen getreten ist.
Als Sarah im Türrahmen erscheint, nickt Sam nur.
„Hallo, Sarah. Wie hast du in den letzten fünf Jahren geschlafen?“
Sarah Slaughter's Gesicht ist weißer als das Laken, das sie sich umgeworfen hat.
Plötzlich lacht Sam rau auf.
„Vermutlich hast du nicht gut geschlafen. Ich hatte übrigens nicht geglaubt, dass dich dein Gewissen plagen würde, Sarah.“
Sam tritt ins Zimmer und setzt sich auf einen Stuhl. Er seufzt und streckt seine langen Beine von sich. Will glaubt sehen zu können, wie die Erschöpfung Sam umfängt.
Bis jetzt hat Sarah kein Wort gesprochen, aber jetzt tritt sie wie eine Schlafwandlerin näher.
„Warum bist du zurückgekehrt?“, fragt sie mit weicher Stimme.
„Hast du das nicht erwartet?“ Fast tonlos klingt seine Antwort.
Will wirft seiner Frau einen warnenden Blick zu, aber sie sieht ihn nicht. Sam sitzt wie ein Toter da, seine Arme hängen schlaff an den Seiten herunter. Nur in seinen Augen ist Leben, als er Sarah anblickt.
„Ich bin zurückgekehrt, um meinen Jungen zu sehen“, sagt er.
„Hast du nicht schon genug angerichtet?“, fragt Sarah. „Bist du noch immer nicht zufrieden?“
Jetzt erscheinen harte Linien des Ärgers um Sam's Mund.
„Ob ich genug angerichtet habe? Was ist denn mit dir, Sarah? Was hast du denn angerichtet?“ Mit einem unerwarteten Kraftausbruch springt er plötzlich auf. „Ob ich genug angerichtet habe!“
Aber augenblicklich hat er sich wieder beruhigt. Er lässt sich wieder in den Stuhl sinken und sagt müde: „Mach mir Waschwasser heiß, Sarah! Und ich könnte auch Kaffee vertragen und was zu essen.“
Sarah benimmt sich, als habe sie es nicht gehört. Schnell sagt ihr Mann: „Tue, was er sagt, Sarah!“
Zögernd geht sie hinaus. Sekunden später wendet sich Sam an Will.
„Wo ist der Junge?“
„Er ist noch hier, Sam. Hier in Shelby.“
„Ich weiß. Wo wohnt er?“
„In einem Zimmer über Frank Ludlow's Laden, schätze ich.“
„Geh hin und sage ihm, sein Vater ist hier!“
„Jetzt, Sam?“, fragt Will unsicher. „Zu dieser nachtschlafenden Zeit?“
„Ja, jetzt! Und lass dich nicht von Buck Travis sehen! Auch von sonst niemandem!“
Will schluckt schwer. „Ich werde aufpassen, Sam.“
„Klar. Und falls du die Idee haben solltest, mich auszuliefern, so denke erst noch mal darüber nach. Denke daran, dass ich hier mit Sarah zurückbleibe, und dass ich nicht viel Grund habe, sie zu lieben.“
Will's Stimme krächzt: „Sam, du weißt, dass ich so was nie tun würde!“
Sam blickt ihn an. Dann schließt er die Augen und lehnt den Kopf zurück.
„Sie sagen, ich sei ein Outlaw“, murmelt er. „Aber das stimmt nicht. Immer wurde ich dazu getrieben, etwas Falsches zu tun. Und als ich einmal büßte und mit Jake von vorne anfangen wollte, hatte ich wieder Pech. Diesmal war es Sarah. Ihr gemeiner, niederträchtiger Plan zwang mich, vor dem Gesetz zu flüchten, obwohl ich unschuldig war. Nur in Mexiko konnte ich sicher sein. Aber ich musste wirklich wie ein Outlaw leben, um nicht zu krepieren.“ Wieder blickt er Will kalt an. „Denk mal darüber nach, Will! Geh jetzt!“
Will stolpert über seine eigenen Füße, als er seine Kleidungsstücke holen will.
Jake ist in seiner Bude, aber er schläft nicht. Er hört die Fußtritte und langt nach seinem Revolver.
„Wer ist da?“, zischt er.
„Will. Ich muss mit dir sprechen, Jake.“
„Hau ab!“
„Jake, es ist wichtig.“
Der Junge stützt sich auf den Ellbogen. Was kann es sein, was Will so spät in der Nacht zu ihm treibt? Schließlich steht er auf und schiebt den Riegel von der Tür.
„Was willst du?“
„Jake, dein Vater ist zurückgekehrt. Er ist bei uns zu Hause.“
Jake steht sekundenlang starr. Sam ist zurückgekehrt! Weiß er denn nicht, daß er gesucht wird?
„Warte“, sagt er schluckend. Er zieht sich an. „Wie geht es ihm? Ist er gesund?“
„Ich ... ich glaube.“
„Du glaubst? Weißt du es denn nicht? Ist er verletzt?“
„Nein, Jake, verletzt ist er nicht.“
Jake wirft ihm einen harten Blick zu, sagt aber nichts mehr. Warum ist Sam zurückgekehrt?
Sein Herz hämmert, als sie zum Haus der Slaughters gehen.
Sam ist eben mit Waschen und Rasieren fertig. Regungslos bleibt er einen Moment stehen und starrt seinen Sohn an. Dann wirft er den Kopf zurück.
„Du bist ein Mann“, beginnt er. „Daran hatte ich gar nicht gedacht.“
„Fast neunzehn“, erwidert Jake.
„Verdammt alt für diese Gegend.“
„Pa“, fragt Jake in plötzlichem Unbehagen, „du bist doch nicht verletzt, oder? Ich meine ...“
„Mir geht's gut! Ein bisschen dreckig vielleicht, aber sonst geht es mir gut.“
Und dann, als seien die Wände zwischen ihnen plötzlich verschwunden, tritt Sam vor und ergreift die Hand seines Sohnes.
Sarah hat das Essen aufgetragen. Sam setzt sich.
„Ich hörte, dass man mich sucht.“
„Man hat sich auch mit unserem Marshal in Verbindung gesetzt“, erwidert Jake. „Auch er sucht dich.“
„Buck Travis? Er würde nicht mal mit beiden Händen seine eigene Nase finden.“
Beide lachen, aber es klingt falsch.
Jake fährt fort: „Ich glaube, du hast gehört, was geschehen ist?“
„Dass sie den Kerl fanden, der Jed Harper ermordete? Yeah, davon hörte ich.“ Seine Stimme klingt nachsichtig, doch Jake sieht, dass sein Vater den Blick starr auf den Teller richtet. „Wie hat es die Stadt aufgenommen?“
„Ich glaube, Sarah Slaughter wird den Leuten hier nie wieder in die Augen schauen können“, antwortet Jake voller Bitterkeit.
Ein wenig überrascht blickt Sam jetzt auf. „So? Und was hast du getan, Jake, als du es erfuhrst?“
„Ich tat das, was jeder andere auch getan hätte. Ich habe das Haus der Slaughters verlassen. Ich wollte sie nie wiedersehen.“
„Du hasst sie, wie?“
„Natürlich hasse ich sie! Und du?“
Die Frage scheint Sam zu überraschen. Er legt die Gabel nieder und denkt nach.
„Yeah, ich hasse sie“, sagt er schließlich. Dann steht er abrupt auf und ruft: „Sarah, bring Kaffee!“ Und dann fragt er überraschend: „Kennst du Bil Somerson gut?“
Jake zuckt zusammen. Wie kann Sam über Sommerson Bescheid wissen?
Der Mann lächelt schwach.
„Unter Indianern und Outlaws verbreiten sich Neuigkeiten schnell. Ich weiß nicht, was du dir mit Somerson zusammen ausgeheckt hast, aber irgendetwas muss es sein.“
Jake ruckt unruhig auf dem Stuhl. Dann schüttelt er den Kopf.
„Warum hast du das Risiko auf dich genommen, nach hier zurückzukehren? Hast du es meinetwegen getan?“
Sam blickt ihn nur an.
„Oder steht die Sache in Mexiko so schlecht, dass du nicht dort bleiben konntest?“
Sam's Augen werden eng.
„Weißt du davon?“
„Alle wissen es, schätze ich. Auch Buck Travis. Deshalb meint er ja, du würdest nach Texas zurückkehren.“
Sam lacht scheppernd. „In Mexiko kann man sich mit Geld immer freikaufen.“
„Und du hast das Geld?“
„Natürlich.“
Aber Jake sieht, dass es eine Lüge ist. Das Pferd im Stall und die Kleider, die Sam trägt, beweisen deutlich, dass er kein Geld hat. Und vielleicht kann Sam die Gedanken lesen, die sich im Kopf seines Sohnes bilden.
„Du brauchst dir keine Sorgen um deinen Vater zu machen“, sagt er fest. „Sam Mahone kann selbst für sich sorgen. Stattdessen mach ich mir deinetwegen Sorgen.“
„Warum?“
Sam schiebt sich auf seinen Stuhl vor.
„Willst du mir was versprechen?“, fragt er rau. „Werde kein Narr, wie ich es in deinem Alter wurde! Bring dich nicht in Schwierigkeiten, aus denen es keinen Ausweg mehr gibt! Und glaube auch nicht, dass es Sam Mahone in Mexiko schlecht ginge.“ Er lacht kurz auf. „Ich kann mir vorstellen, wie diese Geschichte begann. Ich reite morgen zur Grenze zurück. Würde ich das wohl tun, wenn ich in Schwierigkeiten steckte?“
Jake räuspert sich und schweigt.
„Ich will damit sagen“, fährt Sam fort, „dass ich deine Hilfe nicht brauche. Sam Mahone braucht von niemandem Hilfe. Ist das klar?“
Jake nickt.
„Wenn du diese Stadt hasst, soll es mir recht sein. Aber bedenke alles recht, bevor du endgültig fortgehst.“
Der Junge ist verwirrt. Er hat keine Ahnung, worauf das Gespräch hinauslaufen soll.
„Ich möchte dein Versprechen haben“, sagt Sam.
„Du brauchst dich um mich nicht zu sorgen“, gibt Jake unsicher zurück. „Du hast selbst gesagt, dass ich ein Mann bin.“
„Aber ich will dennoch das Versprechen haben, dass du dich meinetwegen nicht in Schwierigkeiten setzt. Ich bin lange geritten, um dir das Versprechen abzunehmen.“
Jake denkt: Lügen kann ich ebenso gut wie er. Und er sagt: „Ich verspreche es.“
„Well“, antwortet Sam. „Du gehst jetzt am besten in dein Zimmer zurück. Wir können es uns nicht leisten, die Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, indem wir hier die ganze Nacht das Licht brennen lassen.“
„Wann sehe ich dich wieder, Pa?“
„Ich weiß nicht. Vielleicht kommst du eines Tages nach Mexiko und besuchst mich.“
„Reitest du gleich wieder fort?“
„Well, es ist doch nur Mexiko — es ist nicht weit.“
Sein Vater hat es gesagt, und eine tödliche Kälte setzt sich in Jake's Magengrube fest. Wenn sein Vater ohne das Geld nach Mexiko zurückkehrt, wird er ihn nie wiedersehen.
Als Jake an der Tür ist, sagt Sam: „Noch etwas ... Somerson ist eine schlechte Medizin. Lass dich nicht mit ihm ein!“
Es ist der Erste des Monats. Milan Fay erscheint.
„Somerson hat alles vorbereitet, Junge. Bist du bereit?“
„Yeah.“
„Du weißt genau, wie es gemacht wird?“
„Yeah.“
Fay schüttelt den Kopf. ,,Na, es wird schon klappen. Bist doch Sam Mahones Junge.“
„Keine Sorge. Um vier bin ich da.“
Der große Mann grinst. „Das höre ich gern. Aber unternimm nichts, bevor ich den Wagen habe!“
„Ich kenne meinen Teil“, erwidert Jake kurz. „Sorge dafür, dass du mit den Pferden rechtzeitig da bist!“
„Das macht mir keine Sorge, Junge. Du machst mir ein wenig Sorge. Denke immer daran, dass das Leben deines Vaters davon abhängt, ob wir das Ding drehen oder nicht.“
Jake sieht Fay nach. Niemand braucht ihm zu raten, vorsichtig zu sein; und niemand braucht ihm zu sagen, wie gefährlich diese Sache ist. Shelby ist kein kleines Nest mehr. Es ist eine Eisenbahnstadt und eine Farmerstadt, und die Bank ist nicht mehr so ungeschützt wie früher.
Aber es ist alles abgemacht. Es gibt kein Zurück mehr. Und er würde auch nicht umkehren, wenn er es könnte ...