Читать книгу Sechsmal Mord für den Strand: Sechs Kriminalromane - Pete Hackett - Страница 36
Оглавление3
"Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen, Agent Sutter", sagte später Jonathan D. McKee, der Chef des FBI-Districts New York, als wir in seinem Büro saßen.
Sutter zuckte die Schultern.
Milo war auch dabei. Ein Wundverband zierte seine Stirn.
Aber es sah viel schlimmer aus, als es war. Ein Glassplitter hatte ihn touchiert. Die Wunde war desinfiziert und genäht worden. Er würde allenfalls eine kaum sichtbare Narbe zurückbehalten. Er hatte Glück gehabt. Das Ding hätte buchstäblich auch ins Auge gehen können.
"Sie haben Gabriel Nunez in einer Notwehr-Situation erschossen", stellte Mister McKee klar. "Er ließ Ihnen keine andere Wahl..."
"Ich weiß", sagte Sutter. "Und trotzdem..."
McKee sah ihn an und nickte verständnisvoll.
"Ich denke, ich weiß, was Sie meinen."
"Jedenfalls habe ich beim letzten Mal eine ganze Weile gebraucht, um darüber hinwegzukommen."
"Du hast schon einmal jemanden erschossen, Mike?", fragte ich.
Er drehte sich zu mir herum. Bevor er sprach, führte er den Becher mit dem dampfenden Kaffee zum Mund. Mandy hatte ihn gekocht, Mister McKees Sekretärin. Ihr Kaffee war zwar nicht weltberühmt, aber diejenigen, die im Hauptquartier des FBI-Districts an der Federal Plaza ihren Dienst taten und schon einmal von diesem dunklen Gebräu gekostet hatten, waren begeistert.
Sutters Augen wurden schmal.
Seine Augen flackerten unruhig.
"Ist schon lange her, Jesse", sagte er dann. "Und ich habe eigentlich auch keine Lust darüber zu reden."
Ich hob die Hände.
"So war das nicht gemeint."
Sutter nickte.
Er wirkte sehr ernst. Nicht erst seit diesem Vorfall. So war er immer schon gewesen, solange ich ihn kannte. Er war einer, der sich von ganz unten hochgearbeitet hatte. Als Streifenbeamter des NYPD hatte er angefangen, hatte Kurse besucht, sich fortgebildet. Seine Vorgesetzten hatten ihn stets für Beförderungen und Zusatzausbildungen vorgeschlagen.
Sutter schien einer der Männer zu sein, die ihr Leben voll und ganz dem Kampf gegen das Verbrechen gewidmet hatten. Ein Eins-A-Cop. Wir waren froh, ihn bei uns zu haben. Ich persönlich hatte noch nicht so viel mit ihm zu tun gehabt.
Aber Medina und Caravaggio arbeiteten öfter mit ihm zusammen.
"Wollen Sie 'nen Tag Urlaub?", fragte McKee.
Sutter zuckte die Achseln. "Wäre vielleicht nicht schlecht"
"Aber grübeln Sie nicht zuviel, Mike."
"Keine Sorge." Er grinste. "Janice wird das schon verhindern."
"Na, dann..."
Ich nippte an meinem Kaffee.
Er war noch ziemlich heiß.
"Seltsam", sagte ich dann nachdenklich.
McKee sah mich aufmerksam an und machte einen Schritt auf mich zu. Ich saß in einem der Sessel, die in Mister McKees Büro standen und hatte die Beine übereinandergeschlagen.
"Worüber denken Sie nach, Jesse?", fragte er.
Ich blickte auf.
"Darüber, dass dieser Nunez mich kurz vor seinem Tod noch bereden wollte..."
"Bereden?" Das was Sutter. Er wirkte plötzlich sehr aufmerksam.
Ich nickte.
"Ja, er wollte einen Deal. Und ich sollte mich dafür einsetzen."
"Nun, es steht fest, dass Gabriel Nunez für die ganz Großen gemordet hat", stellte Mister McKee fest. "Allerdings war er immer sehr diskret, was seine Auftraggeber anging."
"Die dürften gerade diese Seite sehr an ihm geschätzt haben", mischte sich Milo Tucker ein.
"Er sprach von Ray Tarantino", sagte ich.
"Was?" McKee zog die Augenbrauen hoch.
Ich nickte.
"Ja, er wollte ihn ans Messer liefern, wie er sagte... Kurz zuvor hatte er bemerkt, dass sich offenbar auch von der anderen Seite der Wohnung unsere Leute heranpirschten. Er muss geahnt haben, dass selbst für einen eiskalten Haifisch wie ihn jetzt die Felle wegschwimmen..."
Hinter Tarantino waren wir schon lange her. Ihm gehörten einige Nobel-Discos und Nachtlokale, von denen wir vermuteten, dass es sich in Wahrheit um Umschlagplätze für Designer-Drogen handelte. Allerdings hatten diverse Razzien unserer Kollegen der DEA und verschiedener Sondereinheiten zur Drogenfahndung, die die einzelnen Polizeireviere unterhielten, zu keinem Ergebnis geführt.
Caravaggio, ein blondhaariger Italo-Amerikaner, stellte seinen leeren Pappbecher auf den Tisch.
"Würde mich nicht wundern, wenn dieser Nunez auch etwas mit dem Fall Gordon zu tun hätte."
Harry Gordon war Geschäftsführer in einer Tarantino-Discothek gewesen, bis er vor einer Woche in seinem Wagen erschossen wurde.
"Bis jetzt kann das niemand beweisen", meinte Sutter.
Caravaggio hob die Hand. "Aber das ändert sich vielleicht, wenn die Kollegen von der Scientific Research Division die Waffen unter die Lupe genommen haben, die sich in Nunez' Wohnung befanden..."
Während Clive Caravaggio redete, beobachtete ich Sutter.
Seine Augen flackerten immer noch unruhig. Ich fragte mich, was in ihm vorging.
Er stand auf.
Er strich sich mit der Hand über das Gesicht. Als er meinen Blick bemerkte, ging ein verkrampftes Lächeln über sein Gesicht. Irgendetwas machte ihn verlegen und ich fragte mich was es war.
"War ein harter Tag heute, was, Jesse?"
"Allerdings!"
"Wenigstens wird diese lebendige Kampfmaschine jetzt niemanden mehr umbringen können..."
"Ja."
Aber diese Kampfmaschine namens Nunez war lediglich ein Werkzeug, fügte ich in Gedanken hinzu. Eine Waffe in den Händen ganz anderer Leute, die im Hintergrund agierten...
Immer noch.