Читать книгу Nur der Killer kennt den Trick: 3 Strand Krimis - Pete Hackett - Страница 14
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ОглавлениеDer Chef überließ es uns, welcher Gruppe wir uns anschließen wollten. Milo und ich warfen eine Münze. Ich bekam Chinatown. Im Endeffekt aber war es egal, wer an welchem Einsatz beteiligt war.
Wir warteten bis 10 Uhr.
Das war die Zeit, in der sich Chinatown in einen Hexenkessel verwandelte und auch in Little Italy das sündige Leben begann. Das Police Departement war instruiert. Die Kollegen bezogen um die einschlägigen Clubs, die uns Giotti genannt hatte, Stellung.
In meiner Gruppe befanden sich Annie Francesco, Blacky, Leslie Morell und George Maxwell. Dazu natürlich noch eine Reihe weiterer G-men.
Milo war mit Jennifer Johnson, Jay Kronburg und Fred LaRocca sowie ebenfalls einer Handvoll anderer Agenten aus dem Field Office auf dem Posten.
Natürlich hatten wir auch die Kollegen von der Sitte und vom Narcotic Squad im Schlepptau.
Viele der Cops waren mit Maschinenpistolen ausgestattet, um genau zu sein mit der MP 5 von Heckler & Koch. Jeder von uns trug eine Kevlarweste unter der Jacke, einen Helm mit Headset, also Mikrofon und Lautsprecher, womit wir untereinander in Verbindung standen.
Der Club, den wir „umzingelt“ hatten, trug den Namen „Wild Dragon“. Die Neonschrift an der Fassade des Gebäudes, in dem der Club untergebracht war, warf blutrote Lichtreflexe auf den Gehsteig und die Straße.
Die Gehsteige waren voll. Auf der Straße bewegte sich ein nicht abreißender Strom von Fahrzeugen.
Um 22 Uhr 20 sagte ich in das Mikrophon meines Headsets: „Wir können, Leute. Hals- und Beinbruch.“
Annie Francesco, ich und drei weitere Kollegen vom Police Departement kamen durch den Vordereingang.
Blacky und einige Kollegen kamen durch die Hintertür. Einige der Männer, die unter seinem Kommando standen, stürmten sofort ins Obergeschoss und besetzten es. Die Ausgänge wurden abgeriegelt.
„Polizei!“, rief ich. „Das ist eine Razzia! Jeder bleibt, wo er ist.“ Es gelang mir kaum, den verworrenen Lärm zu übertönen.
Bei der Hintertür hörte ich Blacky ähnliche Worte rufen. Aber auch sie gingen unten in dieser Geräuschkulisse.
Der Schuppen war gerammelt voll. Auf einer Bühne tanzten zwei Go-Go-Girls im Takt hämmernder Musik. Die beiden hatten fast nichts an, und das, was sie an weiblichen Proportionen zu bieten hatten, war mit Sicherheit einen zweiten und dritten Blick wert.
Leicht bekleidete China-Girls bedienten die Gäste. Sie waren jung, knackig und gewiss auch willig. Die wenigsten Gäste hier waren Chinesen.
Aber wenn auch unsere Worte im Lärm untergingen: Wir waren nicht zu übersehen. Und da wir mit unseren Helmen und den Waffen in den Händen sicherlich nicht wie Leute wirkten, die hier das hemmungslose Vergnügen suchten, wurde es sehr schnell ruhig in dem Laden.
Unsicherheit machte sich unter den Gästen breit.
Die beiden Go-Go-Girls standen wie in ihrer letzten Verrenkung erstarrt auf der kleinen Bühne mitten im Lokal und schauten verdutzt. Die Musik schwieg. Auch die Bedienungen und das Personal hinter der Theke wirkten ziemlich verblüfft und ratlos.
„Wer Gast ist, verlässt das Lokal“, rief ich, als Ruhe eingekehrt war. „Vorwärts!“
Die Lähmung fiel. Die Gäste drängten nach draußen.
„Was ist denn los?“, fragte mich ein Amerikaner, als er an mir vorbeigeschoben wurde.
Ich bedeutete ihm mit einer Handbewegung, weiterzugehen.
Dann war das Lokal – abgesehen von uns und dem Personal – leer. Die halbnackten Tänzerinnen hatten die Bühne verlassen. Sie standen jetzt am Tresen.
Ein Chinese in einem schwarzen Anzug, weißem Hemd und einem breitflächigen Pfannkuchengesicht näherte sich mir. „Was soll dieser Aufstand?“, herrschte er mich in perfektem Englisch an. „In meinem Lokal ...“
„Heißen Sie Chu han Singh?“, fuhr ich ihm kalt in die Parade.
Er zog den Kopf zwischen die Schultern und starrte mich aus engen Augenschlitzen an, als wollte er mir im nächsten Moment an die Kehle gehen.
Mit erzwungener Ruhe stieß er hervor: „Nein, ich ...“
„Dann ist das auch nicht Ihr Lokal, Mister“, unterbrach ich ihn erneut.
„Ich rufe meinen Anwalt an“, drohte der Chinamann.
„Tun Sie das“, versetzte ich lakonisch.
An der Hintertür erschien einer der Cops. Er winkte mir. Ich setzte mich in Bewegung. Er wies nach oben. Ich nickte Blacky zu, dann begab ich mich in das obere Stockwerk.
Einige Männer und Girls standen dichtgedrängt in einem Vorraum herum, bewacht von Cops der City Police. Bei dem einen oder anderen fielen mir die unnatürlich geweiteten Pupillen auf. Einer der Polizisten wies auf einen Raum, dessen Tür geöffnet war.
Ich betrat ihn – und befand mich in einer wahrhaftigen Opiumhöhle.
Der Polizist, der mir gefolgt war, gab zu verstehen: „Bei den Ladys handelt es sich um Prostituierte. Meistens Chinesinnen. Wir prüfen nachher, ob sie eine Lizenz für das horizontale Gewerbe besitzen. Ich glaube, wir haben auch eine der Mexikanerinnen hier aufgegabelt. Es ist die dort mit den langen, brünetten Haaren.“
Er wies auf ein hübsches Mädchen mit etwas bräunlichem Teint, deren rassiges Gesicht von langen, leicht gewellten Haaren eingerahmt wurde und das starr auf einen unbestimmten Punkt irgendwo im Raum blickte.
„Die meisten von denen hier sind vollgedröhnt bis unter die Haarwurzeln“, erklärte der Cop. „Hier scheint mir, ist der Punk ganz schön abgegangen.“
„Wir nehmen sie alle mit ins Departement“, sagte ich. Dann ging ich zu der Mexikanerin hin, zog sie mit sanfter Gewalt aus dem Pulk und fragte: „Du bist neu hier, stimmt‘s?“
Sie sah mich an und nickte.
„Wie heißt du?“
„Isabell.“
„Gut, Isabell. Wo sind die beiden anderen Mädchen, die mit dir in die Staaten gekommen sind?“
„Ich weiß es nicht. Ein Mann hat uns auf dem Flugplatz in Empfang genommen und lange mit dem Auto durch die Gegend gefahren. Er lieferte uns schließlich bei zwei ...“
„Wir reden im Departement darüber“, gab ich zu verstehen.
Ich dirigierte die Mädchen aus der Wohnung und die Treppe hinunter. Unten übergab ich Isabell an Annie Francesco und bat sie, sich um die Kleine zu kümmern. Sie war nur Opfer. Mit Rauschgift und Schlägen gefügig gemacht war sie als Sex-Sklavin in dem Club gelandet.
Ich eröffnete dem Geschäftsführer, dass er verhaftet sei. Draußen fuhren Kastenwagen des Police Departements mit kleinen, vergitterten Fenstern vor. Die Verhafteten wurden hineingetrieben. Das Personal des Clubs wurde zur Vernehmung gebracht. Die Kollegen vom Police Departement sorgten für einen organisierten Abtransport und übernahmen die Durchsuchung des Hauses und die Beweismittelsicherung.
Ich übernahm von Annie die junge Mexikanerin. Für diesen Einsatz hatte ich einen Dienstwagen genommen. Zu dem brachte ich Isabell. Per Funk nahm ich Verbindung mit Milo auf. Ich erfuhr, dass die Aktion in Little Italy ein ebensolcher Erfolg gewesen war wie die Razzia im „Wild Dragon“.
Er erklärte mir, dass er jetzt mit einigen Kollegen zu Sergio Moretti fahren würde, um den Paten festzunehmen.
Wir verabredeten uns im Field Office. Dort wollten wir die eingehenden Meldungen über den Ablauf der Razzien in den anderen einschlägigen Etablissements sammeln und die weiteren Schritte in die Wege leiten.
Diese Nacht war für uns also noch lange nicht vorbei.
Nachdem ich mit Milo gesprochen hatte, rief ich Mr. McKee an. Der Chef war natürlich an diesem Abend im Field Office geblieben. Ich berichtete im Telegrammstil und verschwieg dabei nicht, dass ich im „Wild Dragon“ eine der Mexikanerinnen aufgefunden hatte, die von Carl Snyder an Sergio Moretti und von diesem an Chu van Singh verschoben worden war.
Ich ließ auch kurz anklingen, dass die Aktion in Little Italy ebenso erfolgreich verlaufen war.
„Gut Arbeit“, lobte der Chef. „Es wird sich genug Material finden, um sowohl Moretti wie auch den Chinesen aus dem Verkehr zu ziehen.“
Die Mexikanerin hatte auf dem Beifahrersitz Platz genommen. Sie saß ziemlich apathisch da, starrte durch die Windschutzscheibe und schien meine Anwesenheit gar nicht zu registrieren. Sie stand unter Drogen und wusste, dass sie auf Entzug gesetzt und bei der Ausländerpolizei landen würde. Sie war arm dran. Ich spürte ohnmächtigen Hass in mir auf die Verbrecher, die diese Girls in dieses Elend trieben, ohne auch nur die geringsten Skrupel zu kennen.
Ich hatte Mitleid mit dem Mädchen. Betrogen, genötigt, missbraucht und schließlich willenlos hatte es den Vorhof der Hölle durchschritten. Und die Hölle stand ihr noch bevor, wenn sie in einer Entziehungsanstalt wieder clean gemacht wurde. Wenn das überhaupt noch zu schaffen war. Meist landeten diese Girls unaufhaltsam in der Gosse.
Wir fuhren zur Federal Plaza. Ich stellte den Dienstbuick in der Tiefgarage ab und fuhr mit dem Girl hoch in das Stockwerk, in dem das Büro des Chefs lag. Im Federal Building nimmt das FBI die Stockwerke 22, 24, 25 und 26 ein.
Isabell zeigte Unruhe. In ihren Zügen zuckte es. Sie knetete ihre Hände. Ganz schlimm würde es werden, wenn die Wirkung des Heroins nachließ. Dann mussten wir sie in die Obhut eines erfahrenen Arztes geben.
Ich brachte sie zu Mr. McKee und bot ihr einen Platz an. Der SAC schenkte ihr einen teilnehmenden Blick voll Erschütterung. Er war nicht nur ein eisenharter Agent, er hatte auch Herz. Und das Wissen um das Schicksal dieses Mädchens traf ihn wahrscheinlich bis in seinen Kern.
Er sagte an mich gewandt: „Ich habe zwischenzeitlich Meldung von allen Einsätzen, Jesse. Clive Caravaggio meldete mir, dass in der Bar, die er mit seinen Leuten durchsuchte, ein weiteres der mexikanischen Mädchen aufgegriffen wurde. Lediglich in einem Laden namens Mandarin kam es zu einem Übergriff, als der Geschäftsführer nach der Pistole griff. Der Mann wurde jedoch überwältigt. Tja, Jesse, es war ein ausgesprochen erfolgreicher Schlag gegen die kriminellen Elemente in Little Italy und Chinatown.“
Er richtete den Blick seiner Augen, die manchmal sehr gütig, manchmal aber auch stahlhart blicken konnten, auf das bedauernswerte Geschöpf auf dem Stuhl an seinem Konferenztisch. „Möchten Sie eine Tasse Kaffee, Isabell?“, fragte er.
Auf dem Tisch standen einige saubere Tassen und zwei Thermoskannen mit den Edelstahlhüllen, die Mandy, ehe sie Feierabend machte, wohl noch gefüllt hatte, damit wir – also die Agenten – nach erfolgtem Einsatz uns einen Entspannungsschluck genehmigen konnten.
Isabell nickte. Ich schenkte uns zwei Tassen voll. Nachdem sie vorsichtig einen Schluck von dem heißen Gebräu genommen hatte, begann der Chef: „Nun erzählen Sie uns mal, Isabell, wie alles begann unten in Mexiko, und was Sie alles durchmachten, bis Sie in New York landeten.“
Das Girl überlegte nicht lange. Dann begann es stockend zu sprechen. Gespannt hörten wir zu. Auch Isabell war von Männern, der Vermittlungsagentur in Mexiko City in einer Discothek für einen Job in den Staaten angeworben und nach Galveston zu Allan Baldwin geschleust worden. Dort war sie einige Wochen regelrecht eingebrochen und gefügig gemacht und in die Rauschgiftsucht getrieben worden, bis man sie zusammen mit den beiden anderen Mädchen in das Flugzeug nach New York setzte ...
Je länger das Girl sprach, umso fahriger und unruhiger wurde es. Die Lider begannen zu flattern, die Hände zuckten und zitterten. Es zeigte die typischen Merkmale, die die schwindende Wirkung des Heroins mit sich brachte.
Mr. McKee griff zum Telefon und wählte den Notruf. Isabell brauchte ärztliche Hilfe!
Milo erschien. Er erklärte, dass er mit einigen Kollegen bei der Wohnung Sergio Morettis war, dass der Gangster aber, wie es schien, Lunte gerochen und sich dünn gemacht hatte. Lediglich seine Gattin sei anwesend gewesen, die aber hätte nichts über den Verbleib ihres Mann berichten können oder wollen.
Isabell wurde abgeholt. Nach und nach liefen auch die anderen Kollegen ein, die an dem Großeinsatz beteiligt waren.
Chu han Singh war noch nicht verhaftet worden. Um ihn festzunageln, mussten erst seine Gangster und Strohmänner singen. Denn der Triaden-Boss hielt die Fäden in den schmutzigen Händen und verdiente an dem Fußvolk, das wir kassiert hatten. Und nur über dieses Fußvolk kamen wir an ihn heran.
Moretti hingegen war von Adriano Giotti derart belastet worden, dass es für eine Verhaftung ausgereicht hätte. Allerdings hätte seine Verhaftung die Kerle und Ladys gewarnt, die für ihn die Nachtclubs und anderen Etablissements betrieben, und möglicherweise wären die Razzien in den Läden ins Leere gegangen. Wir wollten aber nicht nur die Bosse – wir wollten sie alle. Außerdem lag uns viel daran, eine Fülle von Beweisen gegen Moretti zusammenzutragen. Und darum wollten wir bei ihm erst zugreifen, sobald wir die Läden hochgenommen hatten.
Nachdem wir erste Erkenntnisse ausgetauscht hatten, wandte sich der Chef an mich: „Aus Mexiko City ist noch keine Antwort eingegangen. Ich werde morgen trotzdem versuchen, telefonisch Verbindung mit einem der Verantwortlichen dort unten aufzunehmen. Sollte das auch nichts fruchten“, jetzt schaute der Chef von mir zu Milo, um seinen Blick schließlich wieder auf mich zu heften, „dann, Agenten Trevellian und Tucker, sollten Sie sich auf einen Einsatz in Mexiko City vorbereiten.“
Ich schoss Milo einen schnellen Seitenblick zu. Milo grinste markig. „Acapulco wäre mir lieber“, gab er zum Besten.
Das war Milo. Seine Antwort verriet Galgenhumor. Es würde nicht das erste Mal sein, dass wir im Ausland agierten. Oft hatten wir Federn gelassen bei solchen Einsätzen, denn wir waren zumeist ganz allein auf uns gestellt. Da wir außerhalb der Staaten mit Sondervollmacht der jeweiligen Regierung tätig waren, akzeptierte man uns zwar auf lokaler Polizeiebene, Unterstützung erhielten wir jedoch selten. Aber wir waren schon froh, wenn unsere Arbeit nicht behindert oder sogar untergraben wurde.
Ich hatte die Eröffnung des SAC verdaut und sagte: „Wenn es so kommen sollte, wird es wohl das Beste sein, die Sache von Galveston her aufzurollen.“
„Ja“, nickte der Chef. „Sie werden sich zunächst mal mit diesem Juan Montamerre auseinandersetzen müssen. Vielleicht haben auch die Kollegen in Galveston den Mister schon weichgeklopft. Sollte es nötig sein, dass wir selbst in Mexiko aktiv werden müssen, werde ich abchecken, wie weit man in Galveston gekommen ist.“
Er schaute in die Runde, nickte, lächelte und sagte: „Dann wollen wir mal die Ergebnisse der heutigen Nacht zusammenfassen, Gentlemen, und Resümee ziehen. Und morgen, denke ich, wartet eine Menge Arbeit auf uns.“
Das war ein wahres Wort. Denn wir würden Beweismittel gegen die Bosse zusammenzutragen haben, wasserdichte Beweise, um letztlich zum ganz großen Erfolg zu kommen.