Читать книгу Nur der Killer kennt den Trick: 3 Strand Krimis - Pete Hackett - Страница 20
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Meine Herren! Im diffusen Licht, das in der Spelunke herrschte, kamen wohl 500 Jahre Zuchthaus zusammen. An den Tischen und an der Theke sah ich etwa 50 Leute, Männlein und Weiblein. Ein Leben voll Lasterhaftigkeit und Sünde kennzeichnete die Gesichter. In dieser Kneipe schien sich der Abschaum Galvestons ein Stelldichein zu geben. Mir fielen einige Freibeuter-Filme ein. In den in den Hollywoodschinken nachgestellten Seeräuberkaschemmen des 18. Jahrhunderts waren auch immer solche Galgenvogelgesichter versammelt.
Grölen und Lachen empfing uns. Die Jukebox dröhnte. Tabakqualm, Schweißgeruch, der Hauch von billigem Parfüm und einige Gerüche mehr schlugen uns entgegen und nahmen uns die Luft. Ich befürchtete schon, dass mir im nächsten Moment das Wasser in die Augen trat.
Ein Bursche, hager und krankhaft gelb im Gesicht, in dessen Mundwinkel eine qualmende Zigarette hing, jonglierte ein Tablett mit gefüllten Gläsern zu einem der Tische.
Milo stieß mich an. Ihn beschlich wohl dasselbe Unbehagen wie mich, um nicht zu sagen Beklemmung. Und wären wir ängstliche Menschen gewesen, hätten wir wohl auf der Stelle kehrt gemacht, um uns aus diesem Stadtviertel zu verdünnisieren.
Wir wurden angestarrt wie Männer von einem anderen Stern. Misstrauische Blicke, feindselige Blicke – herausfordernde Blicke. In keinem der Gesichter die Spur von Freundlichkeit.
Wir sahen uns um. Da waren die unterschiedlichsten Nationen zu sehen. Mexikaner, Schwarze, Amerikaner, Puertoricaner, sogar einen Chinesen entdeckte ich. Na ja, hier gab es wenigstens keinen Rassenhass.
Dafür hasste man in diesem Kreis wohl Leute wie uns, die eine Dienstmarke mit sich herumschleppten und die gewissermaßen nach Recht und Gesetz rochen.
Dafür hatte die Sorte, der wir uns gegenüber sahen, einen hervorragenden Riecher. Sie besaß einen untrüglichen Instinkt.
Die sengenden, argwöhnischen Blicke folgten uns, als wir zur Theke schritten. Es war jetzt ziemlich still in dem Laden. Nur die Musikbox lärmte. Der Keeper, ein Bursche in Jeans, einem karierten Baumwollhemd und hochgekrempelten Ärmeln, fixierte uns, als nähme er Maß.
Von Montamerre konnte ich nichts entdecken.
Als ich Milo einen Blick zuwarf, hoben sich dessen Brauen. Er brachte damit zum Ausdruck, dass wir uns auf höllisch dünnes Eis begeben hatten.
Auch ich fühlte mich wie Daniel in der Löwengrube.
„Was seid ihr denn für zwei?“, empfing uns der Keeper. Er bewegte beim Sprechen kaum die Lippen und presste die Wörter zwischen den Zähnen hervor. „Fremd hier, wie?“
Wir standen am Tresen. „Ja, wir sind fremd“, nickte ich. „Wollten noch ‘nen Absacker zu uns nehmen, ehe wir ins Bett kriechen, und uns ein wenig amüsieren. Der Name der Bar klang recht verlockend.“
„Wurde euch die Bar empfohlen?“, dehnte der Keeper. „Zufällig kommt hier kaum jemand vorbei, der so aussieht wie ihr.“
Davon war ich überzeugt. Mir schien, dass wir in einer ziemlich verrufenen Gegend gelandet waren.
„Wie sehen wir denn aus?“, fragte Milo.
Der Keeper grinste schief. „Nun, Mister, man könnte euch für Bullen halten.“
„Warum nicht für Schnürsenkelverkäufer?“, knurrte ich.
„Dazu fehlt euch der Bauchladen“, griente der Keeper. „Wollt ihr was trinken?“
Trotz seiner Frage, die fast verbindlich klang, war das Eis nicht gebrochen. Das spürte ich ganz deutlich. Der Argwohn blieb.
Im Schankraum wurden die Gespräche wieder aufgenommen. Der Song, den die Musikbox hinausplärrte, endete. Jemand legte nach, ein alter Elvis-Song setzte ein. Man schien das Interesse an uns zu verlieren.
„Ja“, sagte ich. „Ich nehme ein Bitter Lemon. Du Partner – was trinkst du?“
„Dasselbe“, kam es von Milo. Er wies auf die Hintertür. „Geht‘s da zur Toilette?“, fragte er den Burschen hinter dem Tresen.
„Sicher. Zwei Bitter Lemon also.“ Er streifte uns mit einem verächtlichen Blick. „Und das soll ein Absacker sein?“ Er verzog fast angewidert das Gesicht und wandte sich ab.
An einem der Tische erhob sich ein Kerl. Er war nicht mehr ganz sicher auf den Beinen und schwankte verdächtig. „Ich geh mal ‘ne Stange Wasser in die Ecke stellen“, erklärte er der Lady, die mit ihm am Tisch hockte und auch nicht mehr ganz nüchtern zu sein schien. Sie war von der Sorte, die ein Mann, der nur ein klein wenig auf sich hält, nicht mit der Beißzange angelangt hätte.
Als der Schluckspecht an uns vorbeistolperte, bedachte er uns mit einem schrägen Seitenblick, dann verließ er den Schankraum durch die Hintertür.
Milo folgte ihm. Die Tür klappte hinter ihm zu. Milo schaute sich um. Der Flur endete bei einer Wand, in die ein Fenster eingelassen war. Einen Hinterausgang aus dem Gebäude gab es nicht. Am Ende des Korridors begann die Treppe zum Obergeschoss.
Milo betrat die Toilette. Es gab vier Pissoirs. Ein Schild hing an Wand. Milo las: „Tritt näher ‘ran, er ist kürzer, als du denkst“.
Der Angeheiterte schien den Spruch nicht gelesen zu haben. Schwankend stand er vor einem der Becken. Am Boden bildete sich eine Pfütze. Ziel verfehlt, dachte Milo. Er wusch sich bloß die Hände über dem schmutzigen Waschbecken. Der Spiegel darüber an der Wand war fast blind. Der Behälter mit den Papierhandtüchern war leer. Milo holte sein Taschentuch heraus und trocknete sich die Hände. Hinter ihm torkelte der Betrunkene vorbei.
„Heh, Mister“, sprach ihn Milo an. Der Bursche verhielt abrupt und starrte ihn unter zusammengeschobenen Brauen hervor an. „Ist oben vielleicht mehr geboten als hier unten?“ Milo wies mit dem Daumen zur Decke.
„Du meinst die kleinen Luder, die da oben auf den Strich gehen?“ Ein stupides Grinsen begleitete die Worte. Er kam näher. Milo hatte sich dem Schluckspecht zugewandt. Heißer, vom Alkohol durchsetzter Atem streifte Milos Gesicht und stieg ihm in die Nase. Ihm wurde fast schlecht.
Der Bursche meinte mit verschwörerischem Tonfall: „Is‘n Geheimtipp. Mexikanerinnen. Blutjung. Sie kommen und gehen. Derzeit sind‘s vier. Geh nur hinauf, Mister. Du brauchst aber ‘nen dicken Geldbeutel. Die kleinen Huren sind nicht gerade billig.“
„Man kann sicher mit ihnen handeln“, sagte Milo. „Kann man doch, oder etwa nicht?“
Der Bursche schüttelte den Kopf und erwiderte mit schwerer Zunge. „Da sind zwei Spaghettifresser oben. Salvatore und Giovanni. Die beiden kassieren ab. Und mit denen kannst du nicht handeln, Mann. Entweder zu bezahlst den vollen Preis, oder du kriegst ‘nen Arschtritt.“ Er lachte heiser und verschwand.
Milo kam zurück. Zwei gefüllte Gläser standen auf dem Tresen. Milo beugte sich zum Keeper hinüber. „Okay, Amigo. Wir sind nicht zufällig hier. Wir haben einen Geheimtipp bekommen.“ Er senkte seine Stimme und drehte die Augen zur Decke: „Junge Mexikanerinnen. Heißblütig, glutäugig, willig.“ Sein Blick kehrte zu dem Keeper zurück. Milo grinste kantig.
Ich war wie elektrisiert. Im nächsten Moment zählte ich eins und eins zusammen und ahnte, woher Milo sein Wissen bezogen hatte. Erwartungsvoll beobachtete ich den Keeper. Der presste den Mund zusammen. Die Flamme des Misstrauens in ihm schien wieder hochzulodern. Schließlich sagte er grollend: „Woher hast du den Tipp, Mister? Ich weiß nichts von Mexikanerinnen. Man hat dich verarscht.“ Er lachte unecht auf. Es klang, als stürzte ein Stapel leerer Konservendosen in sich zusammen. „Wenn ihr deswegen hergekommen seid, dann muss ich euch enttäuschen. Ihr seid an der falschen Adresse.“
Ich mischte mich ein. „Sieht wohl tatsächlich so aus. Nun, wenn das so ist, dann sollten wir wieder gehen.“ Mein letzter Satz galt Milo. „Was kosten die zwei Getränke?“, fragte ich den Keeper.
Er nannte den Preis.
Ich bezahlte. Dann setzten wir uns auf den Ausgang zu in Bewegung.
„Ihr habt ja nicht mal ‘nen Schluck getrunken“, rief uns der Keeper hinterher.
„Ich fürchte Herpes“, gab Milo über die Schulter zurück.
Dann waren wir draußen. Wir verschwanden über die Straße und wurden von dem dichten Schatten eines Lagerhauses verschluckt.
Milo erzählte, was er von dem Betrunkenen erfahren hatte.
Wir waren hier richtig. Ich war fest davon überzeugt, dass uns in dieser Nacht ein weiterer Schlag gegen den Handel mit den mexikanischen Girls gelingen würde.