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Milo und ich und eine Einsatzbereitschaft waren die Nacht über im Federal Building geblieben. Zwei Kollegen hatte Milo bei Morettis Laden zurückgelassen, damit sie ihn observierten. Am Morgen, es war sieben Uhr vorbei, rief einer der Agenten Milo an. Milo hörte zu, was der Mann berichtete, dann stieß er hervor: „Okay, haltet die Stellung. Wir kommen sofort. Unternehmt nur etwas, falls Moretti das Haus verlässt. Und seid auf der Hut. Möglicherweise ist der Gangster bewaffnet.“

Der Beamte am anderen Ende der Strippe sagte noch etwas, Milo bedankte sich und wandte sich mir zu: „Ein Mann, der Sergio Moretti sein könnte, hat den Laden aufgesperrt und ist hineingegangen.“

„Fahren wir!“, stieß ich hervor.

Die Mitteilung zog mir schlagartig jegliche Müdigkeit aus dem Gehirn.

Wir kreuzten eine halbe Stunde später mit vier Beamten in Little Italy auf. Mit den beiden Kollegen, die das Haus observiert hatten, waren wir also zu acht.

„Zwischenzeitlich sind die beiden Verkäuferinnen eingetrudelt“, erklärte einer der observierenden Beamten. „Von dem Burschen, von dem wir berichtet haben, war nichts mehr zu sehen.“

Beide Ausgänge des Hauses, in dem sich das Spezialitätengeschäft Morettis befand, wurden abgeriegelt. Milo und ich drangen ins Geschäft ein. Hinter der Kasse saß eine Lady, eine andere schob einen Hubwagen mit Waren durch den Mittelgang. Ich konnte zwei Kundinnen wahrnehmen.

Wir ließen die SIGs noch, wo sie waren.

„FBI!“, rief ich. „Setzen Sie sich zwischen den Regalen auf den Boden und rühren Sie sich nicht vom Fleck, bis ich Entwarnung gebe.“

Ohne dass wir uns aufhielten, durchquerten wir den Laden. Verblüffte Blicke folgten uns. Eine der Verkäuferinnen rief uns mit schriller Tonlage etwas hinterher, aber da befanden wir uns schon in einem Flur, von dem aus eine Treppe nach oben führte. Wir zogen unsere Waffen. Sicher ist sicher. Dann stürmten wir die Treppe hinauf. Niemand stellte sich uns entgegen. Die Korridortür war geschlossen. Wir sahen das Messingschild mit dem Namen Morettis.

Ich winkte mit der Waffe und baute mich neben der Tür auf.

Milos Bein zuckte hoch und schnellte vor. Krachend und berstend flog die Tür auf. Milo glitt sofort zur Seite und stand auf der anderen Seite der Tür.

Drin blieb es ruhig.

„Sergio Moretti!“, rief ich laut. „Treten Sie mit erhobenen Händen ins Treppenhaus. Hier sind die Special Agents Tucker und Trevellian, FBI. Wir sind gekommen, um Sie zu verhaften.“

Meine Worte verhallten im Treppenhaus. In der Wohnung blieb es still.

„All right“, raunte ich nach einer Weile, „du sicherst, Milo, ich gehe hinein.“

Ich glitt um den Türstock, den Arm mit der Waffe erhoben, die SIG schussbereit in der Faust, der Zeigefinger lag hart um den Abzug. Jeder meiner Sinne war aktiviert, meine Muskeln waren angespannt, ich war sprungbereit und darauf eingestellt, gedankenschnell zu reagieren.

Ich verhielt neben der ersten Tür links und stieß sie auf. Ich trat natürlich nicht sofort in das Türrechteck. Erst nach etwa fünf Sekunden wirbelte ich um den Türstock, den rechten Arm mit der Pistole vorgestreckt, das Handgelenk mit der Linken stützend. Geduckt und breitbeinig stand ich da, die P226 von einer Zimmerecke zur anderen schwenkend.

Es war das Schlafzimmer. Das Doppelbett war ordentlich eingerichtet. Der Raum war leer.

Zur nächsten Tür ...

Milo trat in den Korridor und inspizierte die Zimmer auf der rechten Flurseite.

Ein Satz mit X – war wohl nix.

Sergio Moretti war ausgeflogen. Seine Frau hatte er mitgenommen. Hatten sich die beiden in Luft aufgelöst? Mir schien, wir standen vor einem Rätsel.

Als auf der Treppe Schritte erklangen, sicherten wir in den Flur. Plötzlich erstarb das Geräusch. Ich glitt vor zur Korridortür und – sah niemand. Vorsichtig schob ich mich von der Seite an das Treppengeländer heran. Ich konnte die Treppe bis zum Absatz einsehen. Da stand eine der beiden Frauen, die unten im Laden arbeiteten.

Die Anspannung fiel mir ab. Ich trat einen halben Schritt vor.

Das ältliche Girl schaute entsetzt, als ich so unvermutet auftauchte. „Was – was – warum ...“

„Sagte ich Ihnen nicht, Sie sollen sich nicht zwischen den Regalen hervor bewegen“, herrschte ich sie an.

Neben mir erschien Milo.

„Ich – ich ...“ Es gelang der Lady einfach nicht, einen ganzen Satz hervorzuwürgen. Sie schluckte krampfhaft. Aus geweiteten Augen starrte sie auf die Waffe in meiner Faust. Seufzend ließ ich die SIG sinken und holsterte sie.

Milo folgte meinem Beispiel.

„Wo ist Moretti?“, fragte ich. Die Ignoranz dieser Frau ärgerte mich. Ebenso gut hätten hier die Kugeln fliegen können.

„Ich – ich habe die Polizei gerufen“, gelang es ihr schließlich, auszusprechen, was ihr bisher im Hals steckte. Meine Frage ignorierte sie. „Ich dachte – ich dachte ... Nun, Sie haben gerufen, dass sie vom FBI sind. Aber das kann ja schließlich jeder sagen.“

Nachdem wir die Pistolen verstaut hatten, wurde die Lady etwas sicherer. Es gelang ihr zumindest, sich zu artikulieren.

Ich zeigte ihr meinen Ausweis. Entweder war sie wirklich so mutig, weil sie vor dem Eintreffen der Polizei heraufgekommen war, um nachzusehen, was wir in Morettis Wohnung trieben, oder sie war ganz einfach dumm wie Bohnenstroh. Oder aber ihre Neugier war größer als ihre Angst.

Milo und ich stiegen die Treppe hinunter und forderten die Lady auf, vor uns herzugehen.

Während wir nach unten gingen, klärte Milo die Kollegen vor dem Haus per Walkie-Talkie auf. Er vergaß auch nicht, darauf hinzuweisen, dass möglicherweise gleich ein Konvoi Patrolcars aufmarschieren würde und dass die Kollegen sie wieder wegschicken konnten.

Da hörten wir auch schon Polizeisirenen. Sie näherten sich mit rasender Geschwindigkeit.

Wir kehrten in den Laden zurück. Die beiden Verkäuferinnen konnten uns nichts sagen. Sie hätten Moretti schon seit dem Vortag nicht mehr gesehen. Da aber das nicht ungewöhnlich war, dass er sich tagelang nicht im Geschäft blicken ließ und die Kassiererin über einen Ladenschlüssel verfügte, hatten die beiden Ladys selbstständig ihren Job gemacht wie jeden anderen Tag vorher auch.

Draußen kreischten die Reifen, als die Patrolcars abrupt abgebremst wurden. Die Sirenen veranstalteten einen Trommelfell betäubenden Lärm. Plötzlich verstummten sie. Kein Cop betrat den Laden. Motoren heulten auf, das Brummen entfernte sich.

„Verfügt das Haus über einen Ausgang, den wir nicht kennen?“, fragte ich.

„Durch den Schlot vielleicht“, kam es pulvertrocken und sarkastisch von Milo.

Eine der Verkäuferinnen nickte und sagte: „Moretti gehört das Gebäude nebenan ebenfalls. Er hat die Kellerwand durchbrechen lassen, um ein großes Warenlager zu schaffen. Es nimmt nun fast die beiden Keller ein. Man kann das Haus also auch durch das Nebengebäude verlassen.“

Dass sich Sergio Moretti seiner Verhaftung entzogen hatte, war uns nach dieser Eröffnung mehr als klar. Er hatte sich nicht darauf verlassen, dass seine Vertrauten Stillschweigen bewahrten und ihn verschonten.

Ein Lastenaufzug, der nur zwischen Keller und Laden verkehrte, brachte uns nach unten. Wir fanden den Durchbruch. Man hatte einen etwa zwei Meter breiten Durchgang in das Nachbarhaus geschaffen. Als wir wenig später aus der Haustür dieses Gebäudes traten, machten die Kollegen, die auf der Straße sicherten, große Augen.

Die beiden Beamten, die den Spezialitätenladen beobachtet hatten, waren sprachlos. „Ja“, sagte der eine ziemlich niedergeschlagen. „Aus diesem Gebäude sahen wir vor etwa zwanzig Minuten einen Mann mit Hut und Trenchcoat und eine Frau kommen. Kurz vorher ist ein Taxi vorgefahren, das die beiden wegbrachte. Wir haben nicht besonders drauf geachtet. Wer hätte denn vermutet, dass es einen Durchgang von dem Laden zu dem Haus gibt?“

„Schon aufgrund der Tatsache, dass er sein Haus durch den Ladeneingang betrat, konnte niemand auf diesen Fluchtweg schließen“, meinte der andere Beamte im Bestreben, sich zu rechtfertigen.

„Ich denke mal, er hatte keinen Schlüssel für das andere Haus einstecken“, knurrte Milo, ahnungslos, dass er mit dieser Vermutung den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.

Wir hatten das Nachsehen. Und wir waren enttäuscht. Den alten Gangster hätten wir uns zu gerne gekauft. Auf sein Konto gingen vom Rauschgifthandel bis hin zum Mord eine ganze Latte von Straftaten. Und jetzt war der Mafioso sicherlich mit seiner Gattin auf dem Weg zum Flughafen, um sich in seine Heimat Italien abzusetzen.

Ich mobilisierte telefonisch die Flughafencops. Sowohl die Sicherheitskräfte des La Guardia Airports, wie auch die Kollegen, die im JFK-Flughafen stationiert waren.

Dann jagten wir los.

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