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(c) Marktmacht als Wettbewerbskriterium
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In einer Reihe von Leitlinien erläutert die Kommission durchaus, dass es ihr bei der Beurteilung der Marktwirkungen eines bestimmten unternehmerischen Verhaltens um marktstrukturelle Erwägungen gehe. Das sagt sie teils ausdrücklich, teils lässt es sich daraus ableiten, dass die Kommission dem Kriterium der Markmacht entscheidende Bedeutung beimisst. Dafür stehen zunächst die Horizontalleitlinien 2011, in denen die Kommission darlegt, dass die Marktmacht der Beteiligten und andere Merkmale der Marktstruktur ein wesentlicher Bestandteil bei der Ermittlung der von einer Koordinierung des Marktverhaltens zu erwartenden Auswirkungen und damit für eine Bewertung gem. Art. 101 AEUV sei.[136] Marktmacht sei die Möglichkeit, den Markt hinsichtlich Preisen, Produktion, Innovation oder Vielfalt sowie Qualität der Waren und Dienstleistungen negativ zu beeinflussen.[137] Und ganz ähnlich heißt es in den Freistellungsleitlinien 2004, dass negative Auswirkungen auf den Wettbewerb im relevanten Markt häufig dann entstünden, wenn die Parteien einzeln oder gemeinsam ein gewisses Maß an Marktmacht hätten oder erlangten und die Kartellvereinbarung zur Begründung, Erhaltung oder Stärkung dieser Marktmacht beitrüge, oder es den Parteien ermögliche, diese Marktmacht auszunutzen.[138]
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In diesem Zusammenhang charakterisiert die Kommission Wettbewerbsbeschränkungen bemerkenswerter Weise auch dadurch, dass sie „negative Auswirkungen auf den Wettbewerb“ haben und konkretisiert diese negativen Auswirkungen wiederum durch den Aspekt der Marktmacht. Es ist dann die durch eine Beschränkung des Wettbewerbs erlangte oder verstärkte Marktmacht, welche die negativen Auswirkungen auf Preise, Mengen, Qualitäten etc. zur Folge hat. Daran ist bemerkenswert, dass diese Auswirkungen nicht mehr direkt an das zu beurteilende unternehmerische Verhalten angeknüpft werden, sondern an die aus diesem Verhalten resultierende Veränderung der Marktstruktur. Marktmacht ist stets ein Indikator für deren Verengung. Die genannten Auswirkungen sind also vermittelt durch die Marktstruktur, deren Verengung das Ergebnis des wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens ist. Die marktstrukturellen Wirkungen sind hiernach das eigentlich maßgebliche Kriterium für die wettbewerbliche Beurteilung eines konkreten Verhaltens von Unternehmen.
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Das ergibt sich auch aus den Fusionsleitlinien 2004, wo die Kommission betont, dass ein wirksamer Wettbewerb den Verbrauchern Vorteile bringe, zum Beispiel in Form niedriger Preise, hochwertiger Produkte, einer großen Auswahl an Waren und Dienstleistungen und Innovation. Mit der Fusionskontrolle verhindere die Kommission Zusammenschlüsse, die geeignet wären, den Verbrauchern diese Vorteile vorzuenthalten, indem die Marktmacht der Unternehmen spürbar erhöht würde.[139] Damit greift die Kommission zum Zweck der Konkretisierung dessen, was sie unter wirksamem Wettbewerb versteht, erneut auf den Gesichtspunkt der Marktstruktur zurück, indem sie die Begründung oder Verstärkung der Marktmacht der beteiligten Unternehmen zum entscheidenden Maßstab erhebt. Es bedarf keiner Betonung, dass dies etwas anderes ist als eine klare und direkte Orientierung am Kriterium der Konsumentenwohlfahrt. Es geht insoweit vielmehr um die Aufrechterhaltung einer für die Wirksamkeit des Wettbewerbs hinreichend offenen Marktstruktur.