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„SICH AMÜSIEREN“ – THEATER WIE IM KINO

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Das Publikum strömt in hellen Scharen zum Trianon- und zum Residenz-Theater der Rotters – diese wählen ihre Stoffe wie für den Film, und nichts scheint rückwirkend so bedauerlich wie die Tatsache, dass sie den Sprung zum Kino nicht geschafft haben. „Sie […] bringen die amerikanische Note in das Direktoren-Konzert hinein. Man gibt ihnen gern noch Unterhaltungstheater, weil sie die einzigen sind, die für die großen Preise im Nehmen und Geben Verständnis haben.“23

Wie sehr sich die Stimmung in Berlin wandelt, zeigt auch ein Kabaretttext aus dem Jahre 1921, den der Schauspieler Curt Bois, glänzender Vertreter des komischen Rollenfachs, in seinem Buch Zu wahr, um schön zu sein zitiert: „Das ist ein Abend, was? Friedliche Zeiten. Der Krieg kommt so schnell nicht wieder. Die Revolution hat keinem geschadet – außer den Revolutionären. Jeder will sich amüsieren. Wer klug ist, steckt sein Geld in die Vergnügungsindustrie.“24

Als Fritz Rotter nach längerer Pause wieder als Regisseur auftritt, mit Käthe Dorsch in der Hauptrolle, wählt er das Sturm- und-Drang-Stück Evchen Humbrecht von Leopold Wagner, das im Original Die Kindermörderin heißt. Die Premiere findet am 29. November 1919 unter gespannter Erwartung der Kritik im Residenz-Theater statt.25

Der früh verstorbene Straßburger Goethe-Zeitgenosse Heinrich Leopold Wagner (1747–1779) hat sein Stück 1776 als ein Trauerspiel verfasst, das im Bordell beginnt und mit der Tötung des unehelichen Kindes durch Evchen endet. Dann schrieb er es um – die Bordell-Szene strich er und ersetzte den Kindsmord durch die Reue des Verführers und eine Hochzeit. Fritz Rotter verknüpft beide Fassungen und behält trotz der Verführungsszene – Evchen wird ins Bordell gelockt – das Happy End. Das Berliner Tageblatt meint ironisch, „die Regie“ mache „wunderliche Dinge: eine Ausstattung, die höchst elegant und höchst undenkbar ist; eine freche Kellnerin [gespielt von Olga Limburg] mit dem lieben Namen Mariannel wird in eine Kostümballkokotte verkleidet, natürlich halbnackt. […] Kät[h]e Dorsch, das arme Evchen, gibt dem brüchigen Abend den Zusammenhalt. […] Der Beifall, zuerst nur von der Claque besorgt, wurde dann stark.“26

Jedenfalls bringt die Aufführung Käthe Dorsch den Durchbruch als Schauspielerin. Vorher ist sie in Operetten aufgetreten. Auch im Porträt von Käthe Dorsch aus dem Jahr 1949 im Magazin Der Spiegel heißt es: „Ihr Schauspiel-Debüt als tragisches Evchen Humbrecht wurde ein Riesenerfolg“.27

Zunächst aber läuft ein Teil der damaligen Presse Sturm. Teils wegen Olga Limburg in ihrer Kellnerinnen-Rolle – vielleicht das früheste Beispiel für die Übertragung von Varieté und Cabaret aufs Theater in Berlin –, teils weil inzwischen bekannt ist, dass die Rotters anstreben, mit dem Lessing-Theater ein drittes Haus zu bespielen. Die Vossische Zeitung gibt sich entrüstet:

„Schlimm ist, was die Regie ihrem Dichter raubt. Unerhört aber, was sie hinzufügt. Denn zur Aufmunterung lässt der Trust Rotter Brothers an pikanten Stellen ganze Dialoge im Berliner Schieberjargon einfügen! […] Eine Direktion, die nur mit dem Scheckbuch Regie zu führen weiß, kann gewiss gute Kräfte engagieren: […] Kät[h]e Dorsch als ein anmutiges Evchen ohne falsche Töne. […] Die Reklamepauke knallt über Berlin hin […]. Bereits das dritte Theater ist vom Trust bedroht. Die Brandgefahr ist ernst. So lasst uns zur Feuerspritze greifen!“28

Die zwei Versionen von Wagner „vermanschen“ zu wollen, beschert den Rotters auch in der Weltbühne bitteren Spott. Herausgeber Siegfried Jacobsohn schreibt: „Heinrich Leopold Wagner wird von den beiden Bindelbands [den Rotters] auf ihr Residenz-Theater gebracht. Die erste Fassung seiner Kindermörderin beginnt in einem Bordell, die zweite endet vergnüglich. Wie gut muss erst Rollmops mit Schokoladensauce sein!“29

Die Rotters schicken die Aufführung später auf eine monatelange Tournee, auch nach Hannover, wo sie im Mellini-Theater gastiert.30

Es sei die „brutale Geschichte von einem jungen, verliebten Bürgerkinde, das […] nach einem Ball von einem gewissenlosen Elegant ins Bordell verschleppt wird, ein Kind empfängt“, heißt es in der hannoverschen Kritik. Fritz Rotter habe unter dem Pseudonym Eugen Rinteln das Stück bearbeitet, der Name Rinteln sei auf dem Theaterzettel „dicker gedruckt“ als der von Leopold Wagner: „Ihr Klassiker, merkt’s euch! Rette sich, wer kann!“, setzt man in Klammern hinzu.31

Am 28. Januar 1920 inszeniert Fritz Rotter im Trianon-Theater das Stück Femina. Ein psychoanalytisches Lustspiel von den zwei niederländischen Autoren C. P. van Rossem und J. F. Soesman. Wenig bereit, sich auf Femina und herrschende Geschlechtermuster einzulassen, zeigt sich das Berliner Tageblatt. „Die Geschichte ist von A bis Z unwahr, und jede Szene ist ein Schlag mit gepuderter Hand ins Gesicht der Wirklichkeit. Es sind nur die alten Rollenkleiderstöcke, mit neuem, scheinbar neuem Flitter behängt. Der schüchterne Liebhaber: ein Professor; der Bonvivant: ein zuletzt enttäuschter Lebemann; zwischen beiden, äußerst aktiv, die Salondame, die höchst promenadenlustspielhaft, d. h. höchst unmöglicherweise den Tölpel von Professor liebt.“32 Eine andere Zeitung spricht von einer „höchst harmlosen Verspottung, die weder Freud noch seinen Schülern schlaflose Nächte bereiten wird!“.33 Nur die BZ am Mittag lobt diese Komödie über eine „Simulantin“: „der Dialog“ fließe „so natürlich dahin, gibt soviel lustige, nicht allzu scharf gespickte Pointen, verbreitet eine so gesunde Behaglichkeit, dass man ihn sich höchstens im letzten Akt gelegentlich kürzer wünscht“.

Der Kritiker des Berliner Börsen-Couriers, Herbert Jhering, der sich fortan an den Rotters festbeißt, weil er ein strenges zeitgenössisches Theater fordert (und später Bertolt Brecht unterstützt), spricht erstmals vom umgehenden „Rottergeist“. „Den Situationswitz bestreitet ein Nervenarzt, der die Frau wissenschaftlich, aber nicht praktisch kennt“, so Jhering.

Die Differenz in der Wahrnehmung von Frauen und Männern erscheint als das ständig wiederkehrende Thema Fritz Rotters. Doch Jhering sieht in dem Stück nur ein Beispiel für „feixenden, satten, trägen Humor“: „Fritz Rotter erweckte als Regisseur dieselbe Sehnsucht nach Alfred, die man nach Fritz hat, wenn Alfred Regie führt. Die Aufführung schmeckte nach saccharinsüßem Leim. Frl. Arnstädt macht Grüßchen und Mündchen. Sie schlug Lachroller und flötete. Sie warf Äugelchen und Händchen. (Man erwartete immer, dass Babychen das Fingerchen in den Mund stecken würde.) Auch Eugen Burg ist schon verrottert. Seine Sätze sind geölt, seine Bewegungen geschmiert.34

Dann ist Alfred wieder am Zug. Im Residenz-Theater inszeniert er am 4. März 1920 Die Raschoffs von Hermann Sudermann, ein Stück, das erst am 18. Oktober 1919 in Königsberg uraufgeführt worden ist. „Rotters lieben nicht die tragischen Ausklänge“, schrieb der Theaterkritiker der BZ nach der Premiere. Auf ihre dringende Bitte hin hat der Autor das blutige Ende des Vater-Sohn-Konflikts weggelassen – stattdessen zieht sich die von beiden geliebte Frau zurück, um die sich der Streit drehte und über die es in jener Kritik heißt: „Trägt sündhaft elegante Toiletten; zeigt die Beine, ist überhaupt das personifizierte Berliner Sündenbabel […]“. „Es war eine Glanzpremiere; direkt ‚gesellschaftlich‘; Parkett 1a; Ministerloge […]. Beifallsstürme. Was sag’ ich, Stürme? Orkane.“ So derselbe Kritiker.

Der Börsen-Courier bemerkt mit vergiftetem Lob, es lasse sich „immerhin bewundern“, „wie so ein Nudelteig, der jede Sekunde abzureißen droht, sich trotzdem in die Länge ziehen lässt“.35 Jhering kommt Monate später nochmals auf die Inszenierung zurück und moniert, „mit welch knalliger Aufdringlichkeit“ Olga Limburg in Sudermanns Raschoffs „eine Dirne spielte“.36

In der Regie von Fritz Rotter folgt im Trianon-Theater ein weiteres Stück über schwierige Liebe: das aus dem Jahr 1906 stammende Drama Myrrha von Eduard Stucken – über eine Frau, die in eine „Nervenanstalt“ kommt und in dieser Zeit von ihrem Ehemann betrogen wird; bei ihrer Rückkehr lebt er mit seiner Cousine, die von Käthe Dorsch gespielt wird, und die beiden haben ein Kind.37 Das Schauspiel ist Fritz vertraut, er hat es bereits als Student auf der Akademischen Bühne gegeben.38

Herbert Jhering geißelt das Stück. Es „beginnt als bürgerliches Ehedrama, wird dann zum symbolisch gesteigerten Mysterium und endet als Kolportageroman“: der Dramatiker Eduard Stucken habe „mit jeder Person ein neues Drama“ begonnen, „er wechselt auch die Ebenen, auf denen sich die Konflikte austragen“. „Ein anderer Regisseur als Fritz Rotter hätte hier versagen müssen. Dieser beherrschte den Zuschauerraum (…).“ Das ist ein ironisches Lob bei Jhering, wegen der Claquetruppe für den Applaus bei den Rotter-Premieren. Doch Käthe Dorsch „überzeugte“, findet er.39

Auch andere Zeitungen heben Käthe Dorsch hervor: „Kät[h]e Dorsch wird morgen wieder Operette trällern. Hier, als Cousine, ist sie von ernstester Bescheidenheit, theaterfern, kunstnah, von dem heiligen Wesen schlichter Gestaltung erfüllt. Eine Zukunft, wenn sie selbst sie nicht zerstört.“40 Und der Lokal-Anzeiger lobt: „Über diesem Abend schwebte – wundersam es zu melden – der Geist Otto Brahms. In vergangene, vom heutigen raschlebigen Geschlecht wohl zum Teil bereits entschwundene Zeiten durfte man sich manchmal zurückversetzt wähnen. Leise, gedämpfte Stimmungen, verhaltene Töne, in zartem Grau verfließende Schattierungen, nur im letzten Akt gab es, sorglich vorbereitet, und in weisen Steigerungen herbeigeführt, einen furchtbaren Ausbruch menschlicher Gefühlsverirrung, eine tief ins Herz treffende Katastrophe.“41

Am 1. Mai 1920 wird Alfred Rotter als Regisseur ins Metropol-Theater an der Behrenstraße geholt. Dessen Direktor Fritz Friedmann-Frederich beauftragt ihn, für eine Benefizgala das 1897 uraufgeführte Lustspiel Im Weißen Rößl von Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg neu zu inszenieren. Erst 1930 machte Erik Charell daraus im Großen Schauspielhaus eine Operette, zur Musik von Ralph Benatzky. Doch auch Alfred lässt 1920 bereits singen, und zwar die Wirtin, mit einem „Schnadahüpferl“.42

Kurt Tucholsky ist in der Premiere und vermisst im Stück „Charaktere“, „ethische Wahrheiten“, „Witz“ und „Humor“ – „aber Rollen hat es. Rollen, dass den Komikern das Wasser im Munde zusammenlief. Rollen mit Abgängen und Auftritten und richtigen Knallwitzen. […] Wenn alles gut geht: die erste Fehlspekulation der beiden Bindelbands.“43 Tucholsky dichtet später in der Weltbühne: „Und die Nacht, wenn bei Rotters sie toben, / dem Claqueur der Handschuh zerplatzt –/ […].“44 Auch Herbert Jhering liefert Sarkastisches über die Claqueure:

„Meisterhaft, mit wie sicherem Instinkt der Regisseur den neuen Entfernungen Rechnung getragen hatte. Außerordentlich, wie die Mitglieder der Claque oben, auf den Rängen, hinten im Parkett verteilt waren, wie der Beifall von dort nach den Seiten lief, konzentrisch gegen die Mitte vorstieß, sie umschloss und zur Kapitulation zwang. Nur eins möchte ich Herrn Rotter zu bedenken geben: die am weitesten zurücksitzenden Mitglieder seines Claqueensembles, denen das Stichwort zum Klatschen anvertraut ist, müssen bei großen Entfernungen zur Bühne mit Operngläsern und Hörrohren versehen sein. Ohr- und Augennervositäten, hervorgerufen durch die Anstrengung des Hinsehens und Hinhorchens, ließen den Beifall schon lospoltern, bevor die in die Hose gestopften Frackschöße des Herrn [Alexander] Ekert [des Zahlkellners] sich ganz dem Publikum zukehren konnten […]. Im Ernst: hier liegt eine schwere Gefahr für das Rotter’sche Claqueensemble. Auch der Claqueur muss psychologisch behandelt, d. h. ihm muss die Arbeitsatmosphäre geschaffen werden“, sonst gehe „die Präzision des klatschenden Zusammenspiels, geht die Leichtigkeit des Handschlags verloren.“45

„Beifall und Beifall ist ja nicht dasselbe“, meint auch Fritz Engel im Berliner Tageblatt bei allem Lob: „Es gibt einen Freundesbeifall, vom Claquenbeifall gar nicht zu reden, denn die Herren Rotter hassen nichts so sehr wie ihn, und dieser Beifall ist oft nur der Trommelschlag, der bei einer Hinrichtung erklingt.“ Das Weiße Rößl sei „immer ein Gewinnlos gewesen“, „vom Theater aus gesehen“, „und wenn nicht alles mehr darin ‚stimmt‘, wenn manches heute noch clichéhafter als ehedem“ erscheine, „so blickt durch die Hülle von Staub die gute alte Zeit, die wir jetzt nachträglich zärtlich lieben und aus der Welt des Vergangenen nicht minder gern heraufführen möchten. […] Fast klang es wie Stöhnen und Heimweh aus dem Beifall heraus. Damit war die Spekulation erst recht geglückt, und det Jeschäft war richtiger denn je.“

Von einer unerfüllt bleibenden lesbischen Liebe handelt Die Freundin von Hermann Sudermann46– ein bemerkenswertes und doch für die Rotterbühnen der frühen Zwanzigerjahre typisches Schauspiel. Uraufführung ist am 2. September 1920 im Residenz-Theater, unter der Regie von Alfred Rotter. Die junge Witwe Alice von Hilgenfeld erhält Besuch von ihrer unverheiratet gebliebenen Jugendfreundin Juliane. Wie eine Jean-Genet-Figur dringt sie in die an Tschechow erinnernde Landgutlethargie. Das weitere Personal besteht aus einem scheu in die Herrin verliebten Hauslehrer, einer ebenso unerfüllt-hoffnungslos von diesem Hauslehrer träumenden Buchhalterin sowie dem Onkel von Alice, der zugleich Pastor ist. Als Einziger weiß er, dass der verstorbene Mann von Alice sich selbst getötet hat. Das Geheimnis vertraut er der neuangekommenen Juliane an, die zwar als Nihilistin auftritt, aber den Eindruck erweckt, als könnte sie Alice zurück ins Leben führen, was am Schluss des Stücks auch tatsächlich der Fall ist – wenngleich völlig anders als erwartet und mit einem weiteren Toten.

Der Rezensent Emil Faktor gesteht im Börsen-Courier: „Jedenfalls komme ich mir durch die Aufführung viel verdorbener vor. Ich schaue nunmehr in Abgründe der Menschenseele, hinter denen alle bleichen Gräfinnen der Jugendschundlektüre weit zurückbleiben. […] Tilla Durieux gab jene ruchlose Juliane, die nicht bloß Frauen zu verführen, sondern auch Sätze zu sprechen hat wie jenen von der Menschheit, die ein ‚bösartiges Gewimmel von Herren- und Sklaventieren ist‘. […] So gnadenlos gefährlich hat sich der Dichter das Mannsweib vielleicht selber nicht gedacht.“47 Norbert Falk in der BZ am Mittag bemerkt mit gleichem Sarkasmus: „Rotters, oder vielmehr Alfred Rotter, der sich seinen Sudermann nicht nehmen lässt, hat sich für die Teufelin Juliane Frau Tilla Durieux geholt. Mit kurzem Haar, in enganschließender knallroter Joppe betritt sie, halb Mephisto halb Dompteuse, das Rittergut im Osten. […] Die außerordentliche Sicherheit dieser geistig schärfsten Schauspielerin Berlins führt das Stück über die kitzlichsten Punkte; nur wenn die Luft gar zu schwül wird, rührt sich doch im Parkett ein leises Kichern.“48 Und mit angemessenem zeitlichem Abstand würdigt Elsa Herzog in ihrer Kolumne „Die Mode auf der Bühne“ nochmals die Juliane im „Musentempel der Gebrüder Rotter“: „Bei einem Gartenfest erscheint sie in einer weißen Spitzentoilette – Spitzen sind die Lieblinge der Mode […] – mit Türkenrock, über den Spitzenzipfel fallen. Als farbigen Akzent […] hat sie sich einen breiten giftgrünen Bajaderengürtel um die Hüften geschlungen. Von starkem Farbenreiz ist später ein absinthfarbiges Kreppgeorgettekleid mit einem drolligen Zipfelrock, der kobaltblau abgegürtet ist. Dazu ein blaues Lapislazuligehänge.“49

Auch wenn die Rotters nicht selbst inszenieren, meint die Kritik sie – etwa bei der Aufführung Roman einer Frau von Lothar Schmidt im Trianon-Theater50 in einer Inszenierung des Regisseurs Eugen Burg. Das Stück wird als „Ehebruchsfarce“ bezeichnet: „Man spielt dergleichen bei den Rotters natürlich sehr gut.“51 Bei einem weiteren Lustspiel im Trianon-Theater52, Kammermusik von Heinrich Jlgenstein, ist ebenfalls Eugen Burg für die Regie verantwortlich, doch der Rezensent Norbert Falk lässt sich zum Ausruf verleiten: „Rotters haben es wieder geschafft: sie geben eine Komödie mit ‚pikanten‘ Unterstreichungen und mittendrin noch ein Konzert. Amerika in der Georgenstraße.“53 Auch Hans Albers spielt mit, den sie schon 1915, noch mitten im Weltkrieg, für sich entdeckt haben.

Zu Lady Windermeres Fächer von Oscar Wilde im Residenz-Theater54, wieder in der Regie von Alfred Rotter, meint Alfred Kerr im Berliner Tageblatt über die Rotters, ironisch in Klammern gesetzt: „Sie werden sagen: ‚Kitsch? – immerhin von Wilde!‘ Gott, lass ihnen die Ausred’!“55

Das Residenz-Theater haben die beiden Brüder inzwischen erwerben können. Es hat nur etwas über 600 Plätze – und sie verkaufen es später weiter. 1938 wird es abgerissen, da es wegen Baufälligkeit lange leer steht.56

Fritz und Alfred zielen nun Ende 1920 auch auf das Kleine Theater, eine in der Tat nicht sehr große Bühne: Sie bietet nur 380 Personen Platz, befindet sich aber in prominenter Lage, in der ersten Etage Unter den Linden 44. Direktor und Konzessionsinhaber ist Georg Altmann. Er bleibt Direktor und wird einer der wichtigsten Regisseure der Rotter-Brüder.

Ihr Vormarsch als Direktoren und ihre Salonstücke werden von der Kritik weiter angefochten. Siegfried Jacobsohn, Herausgeber der Weltbühne, deutet an, dass Fritz und Alfred Rotter das Kleine Theater nur an sich gebracht hätten, „indem sie die Anteile oder Aktien“ aufkauften. Altmann habe, so Jacobsohns hartes Urteil, „seine unscharfe geistige Physiognomie und sein bisschen künstlerisches Gewissen“ an die Rotters „verhökert“. Jacobsohn behauptet weiter: „Wie Schwamm und Schimmel breiten die beiden Bindelbands [Rotters] sich über die Bühnen Berlins.“ Und er fordert, das Staatstheater müsse sich der „Charakterlosigkeit“ entgegenstellen – „sonst ist der Siegeszug der Rotterei unaufhaltsam“.57

Fritz und Alfred Rotter

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