Читать книгу Fritz und Alfred Rotter - Peter Kamber - Страница 40

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Die rechtsnationale Presse läuft beinahe Amok. Die Zeitung Der Deutsche schreibt: „Der äußere Erfolg – ein gewisses Publikum wieherte bei jeder Zote und kam infolgedessen aus dem Wiehern den ganzen Abend nicht heraus – soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit dieser Joujou Rotters ihrem Ruf als Leiter literarischer Bühnen den Todesstoß versetzt haben. Und der letzte Akt, der besagte Joujou als witzelnde ‚Leiche‘ zeigt, mit Kränzen, Bratenröcken und Trauerfloren arbeitet, ist mit seiner Verhöhnung alles dessen, was empfindsame Menschen an einem Totenbett schon erlebt haben, geradezu ein öffentlicher Skandal!“130 Die Zeitung Germania, geht noch weiter: Das Stück sei „von Anfang bis Ende eine widrige Cochonnerie, oder besser auf deutsch eine große Schweinerei“: „Wie weit die Geschmacksverirrung geht, mag der letzte Akt dartun, in dem eine Kokotte eine Leiche im Bett mimt und Wiederbelebungsversuche mit sich anstellen lässt. […] Die Kunst ist hier bordellisiert, das Theater zum Amüsierbetrieb geworden. In einer Zeit, wo Tausende von Volksgenossen nicht wissen, woher sie die Kohlen und Brot nehmen, findet sich im Bogen an der Friedrichstraße ein Publikum ein, das durch Meckern und Wiehern seine pöbelhafte Lust an diesen Pfeffrigkeiten zu erkennen gibt. […] Kann gegen diese ganz zweifellose Bordellkunst nicht einmal gemeinsam Attacke geritten werden? Soll wirklich nichts geschehen? Im Interesse deutscher Kultur und deutscher Kunst müssen diese Darbietungen auf irgendeine Weise unmöglich gemacht werden.“131

Drei Wochen später, zwei Tage vor dem Hitler-Putsch in München, wird am 6. November 1923 bei den Rotters Eine galante Nacht von Hans Bachwitz132 aufgeführt – Kanehl inszeniert. Ein Attentäter, der auf einen russischen Minister geschossen hat und verhaftet werden soll, entführt als falscher Onkel die Tochter des Ministers. Doch „die Sensationslust einer sorglich Behüteten findet Geschmack an dem Abenteuer. Die Zurückhaltung des Gentleman-Anarchisten, die ihr unerlässliche Bedingung schien, wird ihr zur Qual. Am Morgen des dritten Aktes ist sie beleidigt […], weil er die ganze Nacht hindurch auf- und abgegangen ist. Und als die große Liebe gerade zum Durchbruch kommt, da fällt nebenan ein Schuss. Die Tür wird aufgerissen. Ein Schupo will verhaften.“133 In der ausführlichen Besprechung bezeichnet das Berliner Tageblatt die männliche Hauptfigur als Nihilisten. Doch er erweise sich als „nur scheinbar dämonisch“, „ein Oberlehrer mit Hemmungen“: „Er will flüchten, nicht lieben.“134

Das hört sich an wie ein guter Film – und in der Tat bringt der Film später unbekümmert das, was schon die Rotters auf der Bühne gemacht haben. In der Theatergeschichtsschreibung jedoch fallen die Rotters durch. Wie viel Ernst Lubitsch und Billy Wilder in ihnen ist, wie stark sie vom Herrnfeld-Theater geprägt sind, wird einfach übersehen. Lissi oder Joujou auf Zelluloid wären mittlerweile Kult.

Fritz und Alfred Rotter

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