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„REKLAME MACHT NICHT DEN ERFOLG“

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1924, als sie inzwischen bewiesen zu haben glauben, etwas vom Fach zu verstehen, stellen sie bei der Theaterabteilung des Polizeipräsidiums das Gesuch, Alfred Rotters Spielerlaubnis – die Theaterkonzession – vom Residenz- auf das im Jahr zuvor von ihnen gekaufte Lessing-Theater zu übertragen. Eine Formalität?

Nein, wie schon beim Konzessionsgesuch 1917/18 kommt es zu einer regelrechten Empörungswelle gegen sie als Theaterdirektoren. Die Kampagne gegen die Rotters nimmt ihren Ausgangspunkt im Barnowsky-Lager. Einer der Lustspiel-Regisseure Barnowskys am Künstlertheater, Emil Lind, sitzt 1924 im Vorstand der Bühnengenossenschaft. Der Versuch der Bühnengenossenschaft, die Erteilung der Konzession an Alfred Rotter zu verhindern, ist ein letzter, verbittert geführter Versuch, Barnowsky am Lessing-Theater zu halten.

Barnowskys Verdienste stehen über jedem Zweifel. Der Schauspieler Paul Hörbiger sagt über ihn, er sei „ein Theaterbesessener“145, Fritz Kortner weiß um Barnowskys „besondere Beziehung zum Schauspieler. Er liebt ihn, ja er ist in ihn verliebt, wenn er ihn nicht gerade hasst.“146 Seine „Liebenswürdigkeit“ wird als „ein so sichtbarer Grundzug in der Erscheinung und dem Wesen Barnowskys“ hervorgehoben,147 der Schriftsteller Carl Zuckmayer bezeichnet ihn als „immer soignierten und auf seine Haltung bedachten Bühnenleiter“.148

Unschön ist, dass die Bühnengenossenschaft noch einmal ihre alten Klagen vorbringt. „Es wäre eine Pflichtvergessenheit unsererseits, wollten wir nicht alles aufbieten, um zu verhindern, dass Künstler einer solchen frivolen Kunstauffassung ausgeliefert werden“ – gemeint war: wie jener der Rotters. „Was wir dem Antragssteller [Alfred Rotter] vom Standpunkt der berufenen Schützerin der künstlerischen Interessen ganz besonders vorzuwerfen haben, ist, dass Herr Rotter in unvornehmer Weise den Betrieb seiner Theater nicht nach künstlerisch ethischen Gesichtspunkten handhabt, sondern dabei Methoden verfolgt, die dem Betriebe eines Warenhauses um ein Haar ähneln. Für die Herren Rotter kommt es in allererster Linie darauf an, um jeden Preis mit den Leistungen der von ihnen verpflichteten Bühnenkünstler Geschäfte zu machen.“ Das war für eine Bühnengewerkschaft ein seltsamer Zungenschlag.

Es beginnt ein eigentlicher Aufstand gegen Alfred Rotter, an dem sich die Theaterkritiker beteiligen. Die Bühnengenossenschaft schreibt alle einzeln an und beliefert sie mit den sattsam bekannten Akten über die Rotters aus dem Krieg. Daraufhin gehen die Kritiker, egal ob für linke, konservative oder extrem rechte Blätter schreibend, eine seltsame Allianz ein. Die Gewerkschaft glaubt einen linken Kampf zu führen, wenn sie den Streit darauf reduziert, „deutsche Theaterkunst“ werde „dem rein profitmäßig eingestellten Managertum ausgeliefert“. Präsident Gustav Rickelt formuliert sozusagen als Startschuss des Feldzugs gegen die Rotters: „Kurz vor Beendigung des Krieges machten sich im Berliner Theaterleben, ohne dass sie sichtbar in die Erscheinung traten, zwei Persönlichkeiten bemerkbar, die sich in skrupelloser Weise an die Theater herandrängten. […] und heute sind die Herren teils Besitzer, teils Pächter von 6 hervorragenden Berliner Bühnen.“149

In der Tat: Das Trianon-Theater haben die Rotters am 17. November 1919 übernommen; schrittweise auch das Residenz-Theater – mit einer Spielerlaubnis seit dem 30. Dezember 1920; das Zentraltheater gehört seit 1922/23 ihnen. Das Lessing-Theater, das 1923 an sie übergeht, bildet nunmehr ökonomisch ihren wichtigsten Besitz. Lediglich gepachtet hingegen sind das Kleine Theater, wo Georg Altmann für sie inszeniert, sowie das Theater des Westens, und dies auch erst ab September 1924. Jenes bespielen sie noch nicht, tun dies erst später mit Operetten, sondern – und das ist ein weiterer Anlass für Kritik – verpachten es einstweilen weiter. Rickelt weiter: „Gleich bei ihrem ersten Auftreten warnte man vor diesen Herren, sie verstanden es aber mit allen Mitteln, sich immer mehr durchzusetzen. […] Nun kann man dem Grundsatz huldigen: ‚Geschäft ist Geschäft‘, und es kann niemandem verübelt werden, wenn er ein großes und gutes Geschäft machen kann.“ Doch dann wirft Rickelt ihnen vor, sie wollen „eine allgemeine Vertrustung der Theater […] nach amerikanischem Muster“ herbeiführen, und ruft eine Spur zu schrill nach Maßnahmen gegen das „Geschäftsgebaren dieses Parasitentums im deutschen Theaterleben“: „Leider bieten die bestehenden Gesetze und Verordnungen keine Handhabe, diesem Verderben bringenden Unwesen ein Ende zu machen.“

Selbst Curt von Glasenapp, einst wilhelminischer Theaterzensor und nun im Ruhestand, meldet sich als Oberregierungsrat a.D. nochmals zu Wort, doch ihm fällt, vermutlich aus altem Reflex heraus, nur die Forderung nach schärferen Theatergesetzen ein – „ein durchgreifendes Konzessionserneuerungsverfahren, das gesetzlich vorgeschrieben werden müsste“.150

Der sozialdemokratische Vorwärts ruft sogar nach Enteignung: Es müsse „ein Weg gefunden werden, den Herren Rotter diejenigen Theater, die sie gekauft oder aufgepachtet [sic] haben, nicht, um selbst darin zu spielen, sondern nur: um damit Geschäfte zu machen, glattweg zu enteignen.“151 Einige Tage später bestärkt der Vorwärts nahezu alarmistisch die Bühnengenossenschaft noch einmal in ihrem „Kampf gegen das kulturschädliche Geschäftstheater […], wie es der Rottertrust betreibt“ – die Genossenschaft sei „berufen […], die Theaterkunst vor der ihr drohenden Barbarei zu schützen“.152

Der Anwalt der Brüder, Wolfgang Heine, bemüht sich um Sachlichkeit: In einer umfassenden Stellungnahme vom 20. Juli 1924 charakterisiert er die „Entwicklung“ an den Theatern, die mit der Bezeichnung „Vertrustung“ in „ganz maliziöser und ganz unzutreffender Weise“ bezeichnet werde, als „in gewissem Maße unaufhaltsam“: „Sie ist aber keineswegs durch die Herren Rotter herbeigeführt worden. Vor ihnen hatte bereits [Viktor] Barnowsky zwei Bühnen, [Carl] Meinard & [Rudolf] Bernauer beherrschten drei, die Reinhardt-Bühnen bildeten schon seit 1914 einen Konzern von 3 Theatern […]. Das hat innere und vor allem auch künstlerische Gründe. Nicht nur in Berlin zeigt sich dies, sondern in Wien und anderen großen Theaterstädten. […] Es mag sein, dass das Lessing-Theater durch den Übergang an Herrn Direktor Alfred Rotter eine gewisse Veränderung erfährt. […] Niemand wird auch die Verdienste des Herrn Victor Barnowsky unterschätzen, und auch der Unterzeichnete kann das Bedauern nicht unterdrücken, dass es diesem hervorragenden und sympathischen Künstler zurzeit nicht geglückt ist, eine Bühne in Berlin zu seiner Verfügung zu haben. Dies kann aber nicht dazu führen, das Recht des Herrn Alfred Rotter zu bestreiten, dem nun einmal Frau von Hartogensis das Lessing-Theater verkauft hat, und der in seinem Haus Theater spielen will.“ Für die kommende Spielzeit seien, so wird jetzt bekannt, Stücke von Hauptmann, Ibsen, Schnitzler, Fulda und Shaw geplant.


Kronprinzenbrücke über die Spree mit dem Lessing-Theater links oben im Bild, Dreißigerjahre


Das zerstörte Lessing-Theater, 1946

Gerade wegen seiner Heftigkeit ermöglicht der Streit ums Lessing-Theater tiefe Einblicke in die damalige Bühnenwelt. „Die Sammelreklame an den Litfaßsäulen gibt es seit 1 ½ Jahren“, heißt es etwa im Protokoll der Sitzung des Berliner Bezirksverbandes der Bühnengenossenschaft am 28. Juli 1924. Vorgeworfen wird den Rotters nämlich, Umbesetzungen in der Presse nicht anzukündigen, wie offenbar geschehen, obwohl sie „noch besondere Reklame an den Säulen gemacht“ hätten und „sehr wohl in der Lage gewesen“ wären, „Berichtigungen anzubringen“ oder diese wenigstens vor der Vorstellung selbst gebührend bekannt zu geben. Die Theaterabteilung im Polizeipräsidium erhebt ebenfalls den „Vorwurf der falschen Anzeigen von Stars auf den Theaterzetteln, Litfaßsäulen und in den Zeitungsannoncen“. So etwa sei der Rotter-Schauspieler Kaiser-Titz, der einen fünfjährigen Vertrag hat, während einer Beurlaubung für Filmaufnahmen immer noch auf den Theaterzetteln erschienen.

In einem anderen solchen Fall verteidigt Anwalt Heine die Rotters mit dem Verweis auf das Chaos der Hyperinflation in den Milliarden-Tagen des Novembers 1923: „Dass Frau Toelle vor der Premiere von Eine galante Nacht Anfang November 1923 angekündigt wurde, war selbstverständlich, denn sie hatte die Rolle übernommen und geprobt.“ Sie trat im Übrigen auch auf. Aber, so Anwalt Heine weiter: „Infolge der fortschreitenden Geldentwertung kam es dann zu dem Prozess, weil die Beteiligten sich nicht über die Höhe der Gage einigen konnten und Frau Toelle sich weigerte, zu spielen. […] Die Ankündigung der Frau Toelle wurde fortgesetzt, weil man annahm, dass dies nötig wäre, um ihre Kontraktbrüchigkeit und den Schaden festzustellen […]. Eine Täuschung des Publikums war nicht beabsichtigt. Fast täglich stand in den Zeitungen, dass Frau Toelle nicht spielte. Im Kassenraum war ein entsprechender Anschlag. Die Billetts wurden selbstverständlich anstandslos zurückgenommen.“ Um solches Klein-Klein geht es.

Anwalt Wolfgang Heine darf sich dazu sogar im Berliner-Tageblatt äußern: „In der nervösen Inflationszeit hat es manche Prozesse von Mitgliedern gegeben; auch etliche mit Autoren. Bei welchem Theater ist das nicht vorgekommen? – Dafür ist ja das Schiedsgericht geschaffen. Die meisten Streitfälle sind gütlich erledigt, die Kläger zum großen Teil noch immer bei Rotter engagiert.“153

Frau Jlm, ebenfalls Mitglied des Verwaltungsrats der Bühnengenossenschaft, referiert laut Protokoll einer Versammlung eine abfällige Bemerkung von Oskar Kanehl: „Der Regisseur an den Rotterbühnen, der Kommunist Kanehl, habe geäußert: ‚Der Kampf, der jetzt geführt wird, ist der Kampf des Kapitals gegen die Arbeitnehmer, und diese blöden Hunde in der Genossenschaft glauben, für ihre paar Groschen eben was tun zu müssen, in dem Kampf selbst wird aber selbstverständlich das Kapital siegen.‘“

Doch das Verhängnisvolle ist, dass im Streit zwischen den Theaterdirektoren Alfred Rotter und Victor Barnowsky auch andere, offen rechtsradikale Stimmen laut werden. Die Deutsche Zeitung höhnt am 29. Juli 1924 unter dem Titel Aus Rotters Warenhäusern:

„Der ‚König der deutschen Bühnen‘, wie er sich großherrlich zu wiederholten Malen selbst nannte, Alfred Rotter, hatte sich um die Spielerlaubnis für das Lessing-Theater beworben […]. […] 33 Klagen der Künstler, die beim Bühnenschiedsgericht anhängig gemacht wurden, geben einen Beweis der weisen und gerechten Regierung ‚König Alfreds I‘ alias des Juden Alfred Rotter. Eine Regierungs-(Geschäfts-)führung war bei den Gebr. Rotter üblich, die nicht einer Stätte der Kunst, sondern einem schlecht geleiteten Warenhause würdig ist. […] Der Rotter’sche Geist macht sich in jeder Rotteraufführung bemerkbar. Die Gebrüder Rotter sind nicht nur üble Schädlinge am deutschen Bühnenwesen, sondern missbrauchen durch ihre Reklamesucht, ihre ‚Geschäftstüchtigkeit‘ die nichtsahnenden Besucher ihrer theatralischen Warenhäuser.“

Als Rickelts Bühnengenossenschaft eine Umfrage unter den bekanntesten Theaterkritikern macht, findet Monty Jacobs von der Vossischen Zeitung am 1. August 1924 zu einer zwar ablehnenden, aber nuancierten Stellungnahme. Er sagt:

„Ob es jetzt noch möglich ist, den Einzug der Direktion Rotter in ihre sechste Berliner Heimstätte zu verhindern, haben die Juristen zu entscheiden. […] Rotters hat es immer und überall gegeben, und es ist vielleicht nötig, dass es sie gibt. Aber hier handelt es sich ja um etwas anderes. Hier wird die Frage entschieden, ob es in der Berliner Theaterkunst überhaupt noch etwas anderes neben den Rotters geben soll. Solange sie an der Jannowitzbrücke [gemeint ist das Residenz-Theater] genügsame Geister erfrischten, waren sie ein Unternehmen wie andere auch. Seitdem sich aber dieses Unternehmen zum Trust ausgewachsen hat, seitdem es durch einen kapitalistischen Handstreich Otto Brahms Haus erobert hat [gemeint ist das Lessing-Theater] muss die Gefahr einleuchten, die eine Ausdehnung dieses Betriebs bedeutet.“

Alfred Kerr, der rund zwei Jahrzehnte älter ist als die Rotters und kurz nach ihnen ins Exil geht, sticht mit seinen literarischen Kritiken hervor und beantwortet die Rundfrage der Bühnengenossenschaft am 27. Juli 1924 aus Berlin-Grunewald – wo auch Fritz und Alfred Rotter leben – mit ungewöhnlicher Härte:

„Die Herren Rotter sind mir menschlich unbekannt. Ich habe gegen sie keine Voreingenommenheit. Aber ihr Wirken gibt mir die Gewissheit, dass sie die übelsten Schädlinge sind, welche die deutsche Theaterkunst seit Geschlechtern aufzuweisen hat. Ihr Wirken ist Spekulation auf tiefstehende Regungen einer gewissen Schicht. In dieser Tendenz treiben sie ‚Kunst‘ als Handelsgeschäft. Sie pflegen u. a. Kitzlich-Obszönes in der plattesten Form. […] Dazu kommt eine das Publikum peinlich irreführende Reklame: durch systematische Veröffentlichung von Zeitungsannoncen mit unwahren Angaben. Deutschlands Bühnenkunst, jahrzehntelang die erste der Welt (und noch heut im ganzen unerreicht), wird vornehmlich durch die Rotter-Praxis heruntergebracht.“154

Seltsamerweise verteidigt Alfred Kerr erst im Dezember 1932, kurz vor ihrem Untergang, endlich die Brüder: „Das Getu, als pfiffe Deutschland Theater auf dem letzten Loch (weil die Rotters ein paar Häuser pachten)“, schreibt er – wie nach einem Sinneswandel – im Berliner Tageblatt.

Siegfried Jacobsohn, Herausgeber der Weltbühne, schreibt dem Präsidium der Bühnengenossenschaft aus seiner links-oppositionellen Haltung heraus am 28. Juli 1924 ebenfalls unerbittlich: „1. Ich halte die künstlerische Tätigkeit der Direktion Rotter für so schädlich, dass ich sie als Kritiker von jeher aufs schärfste bekämpft habe. 2. Mit jedem Theater mehr, das der Direktion in die Hände fällt, vergrößert sich ihre Schädlichkeit, als dieses Theater sonst ja unter die Leitung einer künstlerischen Persönlichkeit kommen könnte, die das Niveau der deutschen Theaterkunst in dem Grade heben würde, wie die Direktion Rotter es heruntergebracht hat.“155

Und Herbert Jhering antwortet am 28. Juli 1924 aus den Ferien („Kampen auf Sylt“): „1. die ‚künstlerische‘ Tätigkeit der Direktion Rotter hat das Ansehen des Berliner und damit des deutschen Theaters untergraben. 2. […]. 3. Ein Theater von der Bedeutung des Lessing-Theaters braucht besonderen Schutz. Es geht nicht an, dass es beliebigen skrupellosen Unternehmern ausgeliefert wird. Es ist eine Frage der Reinlichkeit des öffentlichen Kunstlebens, dass das Lessing-Theater nicht an die Gebrüder Rotter fällt oder an einen von ihnen. 4. Es ist gerade deshalb in diesem Falle besonders notwendig, auf die künstlerische Eignung des Konzessionsbewerbers zu dringen. Es liegt ein bedeutendes öffentliches Interesse vor. Die Verantwortung ist groß.“156 Nur: Das Lessing-Theater war kein Staats- oder Stadttheater, sondern ein privates Haus.

Einzig der – republikanisch-demokratische – Montag Morgen in Person des Autors Stefan Großmann (der einmal Anarchist gewesen sein soll) rät als Warner in der Wüste davon ab, das Polizeipräsidium in einem „Denunziationskrieg“ zum Richter über eine Frage zu machen, die „nur uns Kritiker, uns Publikum“ angehe. „Man sage nicht, der Zweck heiligt die Mittel. Umgekehrt ist’s richtig: Diese Mittel entheiligen jeden Zweck!“157 In einem weiteren Artikel mahnt Großmann: „Ich halte freilich den Kampf, den die Bühnengenossenschaft jetzt gegen die Rotters führt, für eine der prinzipiell unglückseligsten Aktionen der Genossenschaft. Wir sind glücklich die Zensur losgeworden, und durch solche Aktionen, die der Polizei-Behörde neue Macht einräumen, sind wir im Begriffe, eine Überwachungszensur schlimmster Art einzuführen.“158

In einer Kolumne wendet sich Großmann unter dem satirisch gemeinten Titel Vorschlag zur Beseitigung der Rotters direkt an Gustav Rickelt, den Präsidenten der Bühnengenossenschaft und Anführer der Kampagne: „Sie wollen die Gebrüder Rotter beseitigen? […] Ich will Ihnen schnell das Mittel sagen, wie Sie die Rotters mausetot schlagen können. Ich will es Ihnen sagen, weil Sie ein so famoser zorniger Polterer für die Kunst sind, Ihr Poltern ist ja beinahe schon Kunst. […] Wenn ich nicht irre, Genosse Rickelt, sind Sie Sozialist. Oder waren Sozialist. Oder sind Beinahe-Sozialist. In den schönen kurzen Novembertagen schimmerten Sie jedenfalls rot.“159 Und dann weist Großmann auf die Sonntagsbeilage Weltspiegel des Berliner Tageblatts hin, auf dem die Rotters mit Theaterfotos stets exklusiv Werbung für ihre Bühnen machen:

„Sie brauchen […] den Rotters bloß diese Inseratenseite zu entziehen, und die Berliner Theater sind vor der Verrotterung geschützt. […] Auch die Autoren werden es euch danken. In der vorigen Saison ist es Ludwig Fulda passiert, dass er eine Generalprobe bei den Rotters mitmachte, in welcher der Hauptdarsteller, Herr Falkenstein, fehlte, er hatte Wichtigeres zu tun, er filmte. Fulda wollte daraufhin seine Premiere inhibieren [aufhalten]. Aber da sagten die Rotters: ‚Unmöglich!‘ – Fulda fragte, drang in sie, warum die Verschiebung denn unmöglich sei. – Endlich erhielt er das süße Geständnis: ‚Ja, das Bild im Weltspiegel mit dem großen stürmischen Erfolg ist schon im Druck!‘ Folgen Sie mir, Rickelt, […] mit meinem Rezept schlagen Sie die Rotters für immer tot!“

Schon Jahre zuvor mutmaßt Siegfried Jacobsohn in der Weltbühne satirisch, „die beiden Bindelbands“ könnten „eines Tages, um den störenden Widerspruch zwischen ihren Bildinseraten und den Kritiken zu beseitigen, den Verlag der wichtigeren Zeitungen auf ähnliche Weise an sich bringen“ wie ihre Bühnen.160

Doch was ihre vermeintlich amerikanischen Methoden betrifft, schreibt ausgerechnet der US-amerikanische Schriftsteller John Dos Passos in seinem 1925 erschienenen Roman Manhattan Transfer: „[…] die Reklame macht nicht den Erfolg … Wenn das ginge, wären sämtliche Theaterdirektoren in New York Millionäre […]. Die Reklame macht es nicht, auch die guten Kritiken machen es nicht, vielleicht ist es Genie, vielleicht ist es Glück, aber wenn man dem Publikum in einem bestimmten Augenblick und in einem bestimmten Theater das bieten kann, was es haben will, dann ist der Erfolg da.“161

Fritz und Alfred Rotter

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