Читать книгу Deutsche Literatur - Peter Nusser - Страница 9

Schloss- und Gartenanlagen

Оглавление

Der Machtanspruch der absoluten Herrscher zeigt sich am anschaulichsten in der Architektur ihrer Schloss- und Gartenanlagen.11 Anders als der mittelalterliche Herrensitz, die Burg, anders auch als der italienische Palazzo der Renaissance mit seinen starken Mauerwerken ist das fürstliche Schloss des 17. Jahrhunderts das ganze Gegenteil einer fortifikatorischen Anlage. Mit der Befriedung der Länder durch die Regierungsform des Absolutismus hat die ehemals militärische Funktion des Herrensitzes ihre Bedeutung verloren. Statt wehrhaft, will er repräsentativ sein, und dieser Wille bestimmt auch seine Architektur. Charakteristisch für den Barockpalast ist nicht mehr die kubische oder zylindrische Masse, die dem Angriff wenig Fläche und der Verteidigung einen kleinen Radius bietet, sondern die ausgedehnte Schauseite. „So wächst die Breite auf Kosten der Höhe und Tiefe, und der barocke Fassadenbau präsentiert sich in lang gestreckter fensterreicher Front dem Bewunderer. Nicht mehr trotzig abweisend, sondern seigneural einladend ist seine Gebärde.“12 Ganz sinnfällig wird diese Gebärde durch den Ehrenhof, der bei vielen Bauten durch weite Flügel an ihrer Vorderseite gebildet wird und den Besucher gleichsam mit offenen Armen empfängt, um ihn anschließend durch ein prächtiges Portal und breites Treppenhaus, das die Ankunft zum sozialen Ereignis werden lassen kann, in den auf der ersten Etage liegenden Festsaal, den Mittelpunkt des Gebäudes, zu führen. In diesem Raum, dessen Höhe durch dekorative Deckenmalereien und dessen Weite durch Wandspiegel und das knapp bemessene Mobiliar effektvoll unterstrichen wird, muss sich die Gesellschaft, die hierher eingeladen ist und sich selbst in ihrem Schmuck bewundert und sich beim Tanz im Kreise dreht, als Teil der Ausstattung verstehen und darf sich doch zugleich erhöht fühlen. (Das gehobene Bürgertum, das den herrschaftlichen Stil später nachzuahmen suchte, hat nicht nur an der Wertschätzung dieser ersten, der so genannten Bel Etage bis weit ins 20. Jahrhundert festgehalten und besondere Mieten für sie gezahlt, sondern auch die ‚gute Stube‘ nur bei besonderen Anlässen benutzt). Vom Festsaal des Schlosses aus eröffnet sich der schönste Blick auf den Garten. So wie die Wege von der Siedlung, der Residenzstadt her auf die Vorderseite des Schlosses zulaufen, so streben sie auf seiner Rückseite von seiner Terrasse aus in die Landschaft hinein. Der Sitz des Herrschers bildet zwischen dem Raum der Kultur und dem der Natur die Brücke. „Wer hier steht, steht wie in der Mitte der Welt.“13 Gerade in der Gartenanlage, in der, bevor sie sich ins Offene zu verlieren scheint, die Natur dem Menschen kunstvoll unterworfen wird, manifestiert sich ein Bedürfnis nach rationaler Gestaltung und Übersicht, das für das System des Absolutismus insgesamt charakteristisch ist. Nicht nur senkt sich das Gelände des Gartens, diese Übersicht erleichternd, sanft herab und betont auf diese Weise zugleich den ‚überlegenen‘ Standpunkt des Betrachters, seine ‚Kavaliersperspektive‘ (nur ausnahmsweise – wie in Würzburg – steigt, wenn die natürlichen Gegebenheiten es nicht anders zulassen, das Gelände auch einmal in die Höhe); die Architektur des Gartens selbst breitet Wegemuster aus, die – so kompliziert sie verlaufen – doch immer klar gegliedert sind und auf eine der vom Schloss ausgehenden Hauptachsen zurückführen. Die Bäume und Hecken sind so beschnitten, dass sie Kuben oder Zylindern gleichen, die Blumenbeete sind ornamental bepflanzt und bilden gelegentlich auch einmal das Wappen oder Monogramm des Herrschers ab. Wassergefälle, Wasserkanäle, Wasserspiele fügen sich in das Arrangement der Bepflanzungen ein; Nischen oder auch unter den Terrassen gelegene Grotten, die sich dem Überblick entziehen, bilden kleine Zufluchtsorte für das Rendezvous. Orangerien, die im Winter als Gewächshäuser, im Sommer als Festsäle dienen, Menagerien, die exotische Vögel beherbergen, Teehäuschen oder kleine Nebenschlösschen umgeben die Gartenanlage in lockerer Anordnung oder werden in sie integriert. Dieser ganze kunstvoll organisierte ‚Französische Garten‘ ist ein ins Freie verlegter Gesellschafts- und Festraum, in dem die Natur die Funktion einer Szenerie erfüllt.

Deutsche Literatur

Подняться наверх