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3. Handelsgewerbe i. S. v. § 1 II HGB

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Nach § 1 II HGB ist jeder Gewerbebetrieb im obigen Sinne Handelsgewerbe, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

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Mit der Formulierung „es sei denn“ stellt das Gesetz eine widerlegliche Vermutung auf, dass der Gewerbebetrieb ein Handelsgewerbe ist.[41] Wird diese Vermutung nicht durch denjenigen, der die fehlende Kaufmannseigenschaft behauptet, widerlegt, so ist der Betreiber kraft Gesetzes zwingend (Ist-)Kaufmann. Zu beachten ist, dass § 1 II HGB nur vermutet, dass ein Gewerbebetrieb ein Handelsgewerbe darstellt, nicht aber, dass überhaupt ein Gewerbebetrieb vorliegt; dieser erste Schritt ist vielmehr zunächst positiv festzustellen.[42]

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Mit in „kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb“ sind Einrichtungen wie die kaufmännische Buchführung, Rechnungslegung, Kassen- und Firmenführung, Inventarisierung und kaufmännische Stellvertretung (§§ 48 ff. HGB) gemeint, die erforderlich sind, um ein kaufmännisches Unternehmen ordnungsgemäß zu überblicken und zu leiten. Diese Komplexität der Strukturen unterscheidet ein Handelsgewerbe von einem Kleingewerbetreibenden oder einer Privatperson, die angesichts der Einfachheit und Überschaubarkeit ihrer Geschäftsbeziehungen solche Einrichtungen nicht benötigen. Für § 1 II HGB kommt es dabei nur darauf an, dass der Gewerbebetrieb, gemessen an seiner Art und seinem Umfang, einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb im Sinne einer sachgerechten Führung erfordert. Irrelevant ist hingegen, ob der Betreiber tatsächlich einen solchen führt oder nicht, könnte er sich doch anderenfalls leicht der Anwendbarkeit des Handelsrechts entziehen.[43] Diese Erforderlichkeit ist anhand der objektiven Umstände des konkreten Einzelfalles zu bestimmen, maßgeblich ist das Gesamtbild des konkreten Unternehmens.

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Dabei verlangt § 1 II HGB entgegen des der negativen Formulierung „es sei denn“ geschuldeten Wortlauts, dass ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb zur sachgerechten Führung des Gewerbebetriebs nach Art und Umfang (nicht: oder) des Gewerbes erforderlich ist.[44] Die Art des Gewerbebetriebs meint als qualitatives Merkmal Umstände wie z. B. die Art, Schwierigkeit und Komplexität des Unternehmensgegenstandes, die Diversität der erbrachten Leistungen/angebotenen Waren, die Vielzahl von Geschäftsbeziehungen, die Aufnahme von Darlehen, die Inanspruchnahme von Frachtverkehr oder die nationale oder gar internationale Ausrichtung der Geschäftsbeziehungen.[45] Das Merkmal des Umfangs bezieht sich demgegenüber auf quantitative Umstände wie beispielsweise die Zahl und Funktion der Arbeitnehmer, Anzahl an Betriebsstätten, die Produktionskapazität, das Anlage- und Betriebskapital oder das Umsatzvolumen.[46] Um zu bestimmen, ob ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Gewerbebetrieb erforderlich ist, wird häufig im Interesse der Einfachheit und Rechtssicherheit an den Umsatz angeknüpft und die Erforderlichkeit ab einem Jahresumsatz von € 250.000 angenommen.[47] Dabei kann es sich aber nur um einen Richtwert handeln, der eine Abwägung aller Einzelfallumstände nicht entbehrlich macht. Weil – wie ausgeführt – stets das Gesamtbild des Unternehmens entscheidend ist, sind Abweichungen in beide „Richtungen“ möglich.[48]

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In zeitlicher Hinsicht sind grundsätzlich allein die aktuellen Verhältnisse maßgeblich, nicht hingegen, wie sich das Unternehmen möglicherweise in der Zukunft entwickeln wird. Etwas anderes gilt für das Gründungsstadium, wenn das Unternehmen von Anfang an auf einen kaufmännischen Betrieb angelegt ist und damit zu rechnen ist, dass sich in naher Zukunft ein solcher Betrieb einstellen wird.[49]

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In Fall 3 wäre die Weigerung des K, sich im Handelsregister eintragen zu lassen, nur dann rechtmäßig, wenn er nur Kannkaufmann wäre, hätte er dann doch nach § 2 HGB die Wahl, ob er sich eintragen lässt (und damit Kaufmann wird) oder nicht. Wenn K hingegen Istkaufmann i. S. v. § 1 II HGB ist, muss er sich nach § 29 HGB eintragen lassen. Kommt er dem nicht nach, kann ihn das zuständige Registergericht nach § 14 HGB unter Zwangsgeldandrohung dazu anhalten (s. Rn. 116). Laut Sachverhalt betreibt K ein Gewerbe, das nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Dass K einen solchen nicht eingerichtet hat, spielt im Rahmen von § 1 II HGB keine Rolle. Entsprechend ist K Istkaufmann und nach § 29 HGB zur Eintragung verpflichtet. Die Weigerung des K ist mithin rechtswidrig. (Fortsetzung Rn. 56)

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