Читать книгу Gesundheit ist auch Gefühlssache - Prof. Albrecht Hempel - Страница 20
Wo sitzen sie denn nun, diese Gefühle?
ОглавлениеDer ursprüngliche Empfindungsort der Gefühle ist bis heute ein weithin unbekanntes Feld. Immer noch lassen sich genaue Aussagen darüber nur begrenzt treffen. Interessant ist aber, wie unterschiedlich die Antworten sind, wenn man zunächst »normale« Menschen fragt und sich dann im Bereich der Schulmedizin umhört. Rund zwei Drittel der ersten Gruppe antworten auf die Frage, wo sie ihre Gefühle wahrnehmen, nämlich mit: im Körper. Der Rest vermag größtenteils keine rechte Antwort zu geben (»Ich weiß nicht.«), und nur sehr wenige, unter drei Prozent, glauben, dass Gefühle primär im Kopf stattfinden.
Fragt man hingegen Vertreter der traditionellen Medizin, erhält man genau das umgekehrte Ergebnis: Probleme mit Gefühlen werden hier in der Regel als »Kopfprobleme« oder auch als Probleme des Gehirns benannt, etwa im Bereich des Hirnstoffwechsels. An eine direkte körperliche Problematik denkt dagegen in dieser Berufsgruppe kaum jemand.
Dabei weiß beispielsweise die körperorientierte Psychotherapieschon heute recht genau, wie wichtig es ist, beim Bemühen um geistige Heilung auch auf die körperliche Ebene zu blicken. Unsere Körperoberfläche verfügt über die Fähigkeit, elektromagnetische Wellen auszusenden und zu empfangen. Und genau diese Fähigkeit versetzt uns wahrscheinlich auch in die Lage, die Wellen direkt am Ort ihres Eintreffens in körperliche Empfindungen umzuwandeln. Es ist ein bisschen wie bei einem Handytelefonat, wo das gesprochene Wort in elektromagnetische Schwingungen umgewandelt, versendet und auf der anderen Seite vom Empfänger wiederum zurückverwandelt wird.
»Das Sonnengeflecht (Solarplexus) könnte die
Empfangsstation fürs Bauchgefühl sein.«
Um auf diese Weise Gefühle anderer Menschen zu empfangen, haben wir beispielsweise allein im Bauchraum, im sogenannten Solarplexus, eine ungeheure Anzahl von Nervenzellen. Ihre Menge übersteigt quantitativ die Zahl der Zellen in unserem zentralen Nervensystem deutlich.
Wenn wir davon ausgehen können, dass es beim Menschen, wie bei allen Lebewesen, keine sinnlosen Strukturen gibt, liegt es nahe, dieses Nervengeflecht als Empfangsstation für Gefühle in Betracht zu ziehen. Auch wenn ihre Funktion noch nicht abschließend bewiesen ist, sprechen doch zahlreiche Befunde dafür. Das heißt: Beim Menschen, höchstwahrscheinlich ebenfalls bei Tieren, dienen Nervengeflechte auch dazu, Gefühle aus der Umgebung zu empfangen. Neben dem Solarplexus gibt es noch weitere Nervengeflechte, so zum Beispiel vor dem Herzen, in der Halsregion und in der Umgebung der inneren Organe.
Wenn wir Gefühle als sechsten Sinn interpretieren, gilt für sie, dass sie die gleiche Arbeit verrichten, wie es die anderen fünf Sinne in Zusammenarbeit mit unserem Nervensystem auch machen. So werden etwa chemische Reize durch die Geschmacks- und Riechnerven in jeweils charakteristische Impulse umgewandelt, und wir schmecken oder riechen etwas. Genauso führen Schallwellen oder Impulse durch das Spektrum sichtbaren Lichts dazu, dass wir etwas hören oder sehen. Bei unserem Tastsinn ist es die Berührung durch die Hautoberfläche und im Anschluss daran die Reizung spezieller Rezeptoren in den darunterliegenden Schichten – für Vibration, Kälte, Wärme, An- und Entspannung von Muskeln sowie die Stellung der Gliedmaßen im Raum.
All dies wird über spezifische nervliche Erregungsmuster vermittelt. Der Tastsinn kommt den vermuteten Nervenstrukturen für Gefühlsempfindungen dabei am nächsten, und beide Sinne sind über verschiedene Stellen im Körper verteilt.
Es gibt verschiedene Hinweise dafür, dass Gefühle jeweils eigene Grundmuster aufweisen und daher bevorzugt in bestimmten Körperregionen wahrgenommen werden. An der Körperoberfläche lässt sich somit bereits eine bestimmte Gefühlsqualität, eine Art »Grundgefühl« feststellen, die dann mit der jeweiligen Gefühlsstärke in Beziehung gesetzt werden kann und damit die Dringlichkeit der Empfindung bestimmt.
Man kann sogar nachweisen, dass sich Gefühle – egal ob sie von außen oder von innen kommen – durch geerdete Metallplatten »abwehren« lassen. Was das Experiment noch interessanter macht, ist die Tatsache, dass zu seiner Wirksamkeit nur die Körper voneinander abgeschirmt werden müssen, die Köpfe hingegen unbedeckt bleiben können. Das spricht dafür, dass unser Körper Gefühlssignale direkt ausstrahlt und empfängt, während der Kopf im Grunde unbeteiligt ist. Und das ist noch nicht alles: Es fällt nicht nur auf, dass bestimmte Körperregionen bestimmte Gefühle empfangen können, sondern auch, dass sich diese Empfangsregionen in der Nähe bestimmter innerer Organe befinden. Durch die anatomische Nähe können diese im Bedarfsfall gewissermaßen auf dem »kurzen Dienstweg« angesteuert und aktiviert werden. Ganz konkret könnte also bei »Wut im Bauch« der Solarplexus diesen »kleinen Dienstweg« nutzen, um die Nebennieren anzuregen, mehr Adrenalin freizusetzen und dadurch den Blutdruck in die Höhe zu treiben. Für unsere Urzeitahnen waren körperliche Reaktionen wie diese wichtig, um den Organismus auf einen möglichen Kampf vorzubereiten. Heute laufen sie oft ins Leere und führen deshalb auf Dauer zu einem gefühlten innerlichen Ungleichgewicht.