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Rechenschaft

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Stephen war mit seiner OP-Schwester und seinem OP-Springer zurück nach New York gereist, ohne sich noch einmal von Michael zu verabschieden. Zu heftig war die Auseinandersetzung im Operationssaal.

Michael drehte gedankenversunken seinen Bleistift in der Hand. Dem Direktor von Biophysical Implants müsste er jetzt einen schriftlichen Bericht vorlegen. Und er müsste Zac eine Einschätzung über die Risiken vor einer neuerlichen XEQ-Implantation abgeben. Zac war von Haus aus Anatom. Für alle Vorarbeiten war das bislang recht hilfreich. Aber Michael wäre es jetzt doch lieber gewesen, wenn Zac ein Ingenieur gewesen wäre. Manche Ärzte leisteten sich immer wieder mal so etwas wie eine Ethik. Der Direktor von Biophysical Implants auch. Das war jetzt eher hinderlich. Was sollte Michael zu Papier bringen? Er legte den Bleistift wieder weg. Diese Sache erledigte er besser in einem persönlichen Gespräch.

Bevor er zum Telefon greifen konnte, um Zac anzurufen, klingelte es. Jane war am Apparat: „Sie sollten einmal vorbeikommen. Es gibt Neues von unserem Patienten.“

„Was gibt es denn?“ – Der Anruf kam für Michael denkbar ungelegen.

„Das sollten sie sich lieber selbst ansehen“, antwortete Janes Stimme über die Telefonleitung.

Genervt warf Michael den Hörer wieder auf die Gabel des Telefons. Er wusste, dass Jane gut war. Wenn sie sagte, er sollte kommen, dann lag wirklich etwas Schwerwiegendes an. Das konnte er in diesem Moment gar nicht gebrauchen. Doch wenn er nicht gehen würde, um sich ein Bild zu machen, dann könnte sich die ganze Sache ohne ihn verselbständigen. Das durfte auf keinen Fall passieren. Es blieb ihm nichts anderes übrig. Er musste rüber in Block K, wo der OP-Trakt und die kleine Krankenstation beherbergt waren. Er ging. Sofort.

Als er das Zimmer betrat, sah er, dass sich der Patient aufgesetzt hatte. Er sprach scheinbar zusammenhanglose Dinge. Und er bewegte die Hände vor seinem Gesicht. Immer wieder schlug er mit seinen Armen aus – so wie ein Mann, der Mücken an einem warmen Sommerabend vertreibt. Jane und Julia waren schon ein Stück vom Krankenbett zurückgetreten, um nicht noch unfreiwillig eine Ohrfeige oder einen Schlag ins Gesicht einzufangen. Der Mann hatte seinen Kopf aufwärts gewandt: „Weg. Weg!“ – Dabei war sein Blick starr ins Leere gerichtet.

„Jetzt hat er den Verstand komplett verloren“, stellte Michael kopfschüttelnd fest.

„Wir sollten einen Psychiater zu Rate ziehen“, regte Jane an.

Michael wusste, dass das unter üblichen Bedingungen die richtige Entscheidung gewesen wäre. Aber hier herrschten nicht übliche Bedingungen. – „Wir werden den Ball flach halten und keine große Welle machen“, entschied der Forschungsleiter von Biophysical Implants. Er wollte nicht, dass jetzt noch vom Festland irgendein Psychiater geholt wurde. Ein Psychiater stand bislang nicht auf der Gehaltsliste von Biophysical Implants.

Jane schaute Michael mit großen Augen an.

– „Fixieren. Am Bett fixieren. Der Mann steckt mitten in einem psychotischen Schub. Und dann schauen wir in Ruhe, wie sich das die nächsten Tage weiterentwickelt“, ordnete Michael an.

„Keine Psychopharmaka?“, fragte Jane leise.

Doch mit Psychopharmaka kannte Michael sich nicht aus. Die Frage entlockte dem Radiologen ein Achselzucken.

„Haldol XP?“, fragte Jane ganz ruhig. Mit dem Medikament hatte sie während ihrer Tätigkeit als Krankenschwester in einer Klinik schon Erfahrungen gesammelt. Immer wieder hatten Patienten mal ein Durchgangssyndrom nach einer Operation. Die bekamen dann einen kleinen Becher Haldol XP zu trinken.

Michael wusste, dass Janes klinische Erfahrungen hier umfangreicher waren als seine Kenntnisse. Er war ein hervorragender Radiologe und ein exzellenter Wissenschaftler. Aber mit allgemeinen klinischen Kenntnissen war es bei ihm nicht so weit her. Michael verzog sein Gesicht und raunzte zurück: „Von mir aus. Besorgen sie das Medikament auf dem Festland persönlich und bringen sie es hierher. Ich schreibe ihnen ein Rezept aus. Das Rezept wird auf Klinikbedarf ausgestellt, um keinen Namen des Patienten angeben zu müssen. Behandeln sie die Sache vertraulich.“

„Selbstverständlich“, gab Jane zurück.

Jetzt würde es noch schwieriger werden, Zac einen Rechenschaftsbericht abzugeben. Seit der Implantation des XEQ-Chips war das Chaos in Block K ausgebrochen. – Und was wäre, wenn Michael Zac einfach sagen würde, dass das Implantat aus technischen Gründen nicht gepasst hatte? Irgendein Passfehler in der Fertigung? Ein Fehler, den sie inzwischen im Griff hätten? Das könnte ein Weg sein. Michael musste sich noch einmal in Ruhe ganz genau überlegen, wie er das aufziehen müsste, ohne dass Zac Verdacht schöpfte.

Deep Dream

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