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Reboot
ОглавлениеMit federndem Schritt gehe ich zu unserem Chrysler, steige ein, aktiviere das Fahrzeug und mache mich auf meinen alltäglichen Weg zum Fisherman’s Wharf. Auf der Fahrt über die Brücke des Golden Gate pfeife ich fröhlich und ausgelassen. Kurz denke ich noch an Lauras Traum. Ist schon verrückt.
Doch dann sind meine Gedanken wieder ganz bei Michael und unserer gestrigen Untersuchung. Was wird er mir heute wohl berichten? Mein Automobil fährt in die Tiefgarage am Hafen und parkt ein. Scan. Fähre. Schleuse. Biophysical Island. Es ist ein gewöhnlicher Tag. Nur bin ich heute aufgeregter als sonst.
„Guten Morgen, Michael.“
„Guten Morgen, John“, gibt der Radiologe flüchtig zurück und setzt gleich nach: „Du, wir haben inzwischen die Daten von gestern ausgewertet. Dabei haben wir feststellen müssen, dass wir einige Untersuchungen heute noch einmal wiederholen müssen.“
„OK. Kein Problem.“ – Ohne weitere Aufforderung mache ich sofort meinen linken Arm frei und setze mich auf die Liege vor dem Tomograph.
„Du weißt ja inzwischen, wie alles abläuft.“ – Michael setzt erneut einen Venenkatheter, nachdem er meine Haut desinfiziert hat. Dann fährt er fort: „Wir müssen heute mit einer höher konzentrierten Radionuklidinfusion arbeiten. Und wir müssen die Scans mit maximaler räumlicher und zeitlicher Auflösung fahren. Wir müssen alles rausholen, was das Gerät hergibt. Heute Morgen haben wir schon ein Softwareupdate aus Deutschland von Siemens geschickt bekommen. Jetzt ist sichergestellt, dass wir mit dem Biograph Scanner die genauesten molekularen Daten erfassen können, die man aus lebendem Gewebe ziehen kann.“ – Kurz hält Michael inne. Ich sehe, wie er denkt. Nur einen Moment. Er schüttelt leicht den Kopf. Dann löst er sich aus seiner Erstarrung: „Lege dich hin.“
– Kurz darauf fährt die Liege wieder mit leisem Surren des Motors in den Tomograph. Ein Arzt, den ich nicht kenne, gesellt sich zu uns. Er spricht leise mit Michael. Doch obwohl er sich Mühe gibt, zu flüstern, höre ich jedes Wort: „Diesmal muss es funktionieren. Bei ihm muss das Implantat perfekt passen.“
Michael nickt. Er rebootet den Positronen-Emissions-Tomographen und spielt dann das neue Softwareupdate aus Erlangen ein. Ich kenne die Ingenieure aus Deutschland. Letztes Jahr habe ich sie einmal besucht, weil wir ein paar Änderungswünsche am Tomograph einbringen wollten. Das Gerät, das wir hier in San Francisco verwenden, hat ein paar technische Änderungen gegenüber dem Gerät, das im freien Handel ist.
– Der Satz des unbekannten Arztes klingt in mir nach. Bei mir muss das Implantat perfekt passen? Ich werde doch der erste XEQ-Implantat-Träger sein. Was hat das zu bedeuten, dass es diesmal funktionieren muss? Ich würde schon ganz gerne einmal rückfragen. Doch dann geht die Untersuchung schon los. Wir beginnen wieder mit einfachen Rechenaufgaben. Ich muss meine Frage auf später zurückstellen. Heute dauert alles deutlich länger als gestern. Es ist ungeheuer anstrengend. Wir werden so spät fertig, dass ich die letzte Fähre zum Festland verpasse.
„Du kannst heute Nacht hier schlafen“, sagt Michael, der ahnt, was ich denke, als ich auf die Uhr schaue. Die Liege fährt sanft aus dem Tomograph heraus. Ich habe Kopfschmerzen. Als ich aufstehe habe ich deutlich stärkere Gleichgewichtsstörungen als gestern. Etwas übel ist mir auch. Mir geht es vom Magen her nicht gut. Wahrscheinlich ist es Hunger. Ich muss etwas essen.
Der Radiologe erklärt: „Wir haben im Gästehaus ein freies Appartement für dich“, dann entfernt er den Venenkatheter aus meinem Arm, versorgt mich mit einem Pflaster und entlässt mich.
Eine Frau aus dem Sicherheitsdienst begleitet mich zum Appartement. Die Wohnung verfügt über alle Annehmlichkeiten. Eine Küche mit einem Kühlschrank gibt es auch. Eine Milch? Nein. Lieber nicht. Ich will nur ein trockenes Stück Brot. Ja. Da ist Brot. Ich esse. Meine Übelkeit will nicht besser werden. Ich gehe zum Telefon. Ich sage der Frau in der Zentrale, dass sie Laura ausrichten soll, dass es mir gut geht und dass ich heute auf Biophysical Island bleibe. Eine direkte Telefonverbindung nach draußen gibt es hier nicht. Wie in allen Räumen, in allen Blöcken des Islands. Nur die Zentrale hat eine Verbindung nach draußen. Ich gehe ins Badezimmer. Es ist sehr geräumig. Es hat sogar einen Whirlpool. Ich lasse Wasser ein. Etwas Entspannung wird mir nach dem anstrengenden Arbeitstag sicher gut tun. Ich gehe auf die Toilette. Ich habe Durchfall. Mein Bauch rumort. Und die Kopfschmerzen werden auch nicht besser. Ich lasse das mit dem Baden lieber. Ich stelle das Wasser ab. Ich lege mich ins Bett. Am Gaumen fühle ich eine wunde Stelle, so als ob ich ein zu heißes Stück Pizza gegessen hätte. Ich bin total fertig.