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(ii) Rechtsformen ökumenischer Rechtsträger

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Deutschlandweit sind die Bahnhofsmissionen ein prominentes Beispiel für eine aktive ökumenische Zusammenarbeit. Bereits 1910 wurde die „Konferenz für kirchliche Bahnhofsmission in Deutschland“ gegründet, um die konfessionsübergreifende Arbeit zu koordinieren. Im Außenauftritt verzichtet die Bahnhofsmission auf jede konfessionelle Unterscheidung.193 Ende 2017 waren 59 von 103 Bahnhofsmissionen in Deutschland in Doppelträgerschaft.194 Bei der Mehrzahl der Einrichtungen in Doppelträgerschaft handelt es sich um einen gemeinsamen Betrieb der Caritas, IN VIA, der katholischen Kirche und einen weiteren Träger aus dem Bereich der Diakonie bzw. der evangelischen Kirche, beispielsweise eine evangelische Kirchengemeinde. Die hauptberuflich tätigen Mitarbeiter unterfallen entweder den AVR-Diakonie oder den AVR-Caritas, da der Anstellungsträger in der Regel einer der genannten konfessionellen Träger ist.195 Eine ökumenische Rechtsträgerschaft im engeren Sinne liegt nur bei zwei Bahnhofsmissionen vor.196 Tatsächlich ist dies bei vielen „ökumenischen“ Einrichtungen der Fall.

Vielfach werden Einrichtungen von einer katholischen und einer evangelischen Kirchengemeinde gemeinsam getragen; häufig ist Rechtsform der Trägerschaft die des e.V.197 Diesen Trägervereinen gehören häufig die Kirchengemeinde selbst, der Pfarrer oder andere Gemeindemitglieder an.198 Steht der Gemeinde ein größeres Vermögen zur Verfügung, kann sie auch eine Stiftung gründen. Zudem besteht die Möglichkeit der Gründung einer GmbH, deren Gesellschafterin die kirchliche Körperschaft ist.199 In der Praxis werden viele Einrichtungen von Caritas und Diakonie, d.h. in der Regel dem jeweiligen DiCV und dem jeweiligen DW getragen, so beispielsweise die Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche Bad Tölz (Bayern).200 Auch hier ist der e.V. meist die gewählte Rechtsform. Möglich ist auch eine kombinierte Trägerschaft von Wohlfahrtsorganisationen und Kirchengemeinden.201 Die arbeitsrechtlichen Hintergründe dieser Aktivitäten sind häufig unklar. Letztlich handelt es sich jedoch in der Regel lediglich um gemeinsame Einrichtungen, die Anstellungsträgerschaft haben – wie bei der Bahnhofsmission – die beteiligten Träger inne.

Prominentes Beispiel für die Ökumenische Zusammenarbeit ist die Vereinbarung der Arbeitsgemeinschaft für Ökumenische Sozialstationen in der Diözese Speyer und der Evangelischen Kirche der Pfalz (Landeskirche) in Partnerschaft mit dem DiCV Speyer und dem DW der Evangelischen Kirche der Pfalz.202 Die Arbeitsgemeinschaft fungiert nicht als Rechtsträger der jeweiligen Einrichtung, sondern als Spitzenverband und unterstützt die Ökumenischen Sozialstationen durch Dienstleistungen (vgl. § 2 Abs. 1 der Vereinbarung). Die Trägerschaft der Sozialstationen liegt bei den katholischen und evangelischen Kirchengemeinden sowie den jeweiligen Krankenpflegevereinen. Die Einrichtungen agieren ebenso in der Rechtsform eines e.V.

Die Christophorus gGmbH203 ist eines der wenigen Beispiele für eine Ökumenische Trägerschaft im engeren Sinne. Sie leistet diakonisch-caritative Hilfen für die Region Würzburg. Im Unterschied zu vielen anderen ökumenischen Einrichtungen, bei denen es sich lediglich um einen gemeinsamen Betrieb handelt, agiert sie als Anstellungsträger, d.h. die Mitarbeiter sind unmittelbar bei der Christophorus gGmbH angestellt. Nach eigenen Angaben handelt es sich um den ersten ökumenischen Zusammenschluss niederschwelliger Dienste und Einrichtungen in der Rechtsform der gGmbH.204

Die gemeinnützige Christophorus Gesellschaft, diakonisch-caritative Hilfen für die Region Würzburg mbH wurde am 17. April 2000 gegründet. Sie ging hervor aus mehreren Einrichtungen, die auf Grundlage einer Zusammenarbeit von Caritas, Diakonie, Stadt Würzburg und Landkreis agierten. Basis dieser Kooperationen war eine als GbR organisierte Arbeitsgemeinschaft. Die GbR fungierte nicht als (ökumenischer) Anstellungsträger, sondern lediglich als gemeinsamer Betrieb. Es erfolgte ein Betriebsübergang der vormals bestehenden Einrichtungen auf die Christophorus gGmbH. An der Christophorus gGmbH sind zu 51% die katholische Kirche (41% der DiCV, 10% eine kirchliche Stiftung) sowie zu 49% das DW beteiligt. Es gelten die AVR-Diakonie Bayern einheitlich für alle Mitarbeiter. Die Entscheidung für das evangelische kirchliche Arbeitsrecht hängt mit der vorherigen Struktur der Einrichtungen zusammen, in denen mehrheitlich die evangelischen Loyalitätspflichten sowie die AVR-Diakonie Bayern galten. Es besteht zudem eine Mitarbeitervertretung, welche nach MVG-EKD gebildet wurde.205 Die Gesellschafterversammlung setzt sich aus Vertretern des DW Würzburg, Vertretern des DiCV Würzburg sowie einem Vertreter für die Kirchenstiftung St. Johannes in Stift Haug zusammen. Zudem besteht ein Beirat, der den Geschäftsführer und die Gesellschafter in finanziellen und konzeptionellen Fragen berät. Die Christophorus gGmbH ist außerordentliches Mitglied im DW Bayern sowie assoziiertes korporatives Mitglied beim DiCV.

In unseren Nachbarländern können ökumenische Rechtsträgerschaften teilweise auf eine längere Tradition zurückblicken; so beispielsweise in der Schweiz, wo insbesondere zahlreiche Alters- und Pflegeheime in ökumenischer Rechtsträgerschaft, mit gleichberechtigter Beteiligung mehrere Kirchengemeinden, zu finden sind.206

Im Folgenden werden die in Frage kommenden Rechtsformen hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile überblicksartig beleuchtet207:

Das Arbeitsrecht ökumenischer Einrichtungen, Unternehmen und Konzerne

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