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»Unpolitische Jugend«

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Wie wir sehen, ging es in dieser Textpassage Helmut Schmidt allerdings weniger um die Person seiner langjährigen Klavierlehrerin. Wichtig war es ihm eher, Lilli Sington-Rosdal als Beleg dafür anzuführen, dass er und viele andere in den Anfangsjahren der NS-Diktatur wenig unmittelbare Kenntnis von den judenfeindlichen Aktionen der Nazis erlangt hatten. Man habe ja in seinem Umfeld nicht einmal gewusst, wer jüdisch oder wer christlich gewesen sei. Das macht er auch für seine Lichtwarkschule geltend, die in der Weimarer Republik und dem schon damals zunehmenden Antisemitismus gern als höhere Schule für die Kinder jüdischer Eltern angewählt wurde. Die Lichtwarkschule galt als eine demokratische Bildungseinrichtung, hier waren jüdische Kinder vor Anfeindungen und Benachteiligungen sicher. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten veränderte sich aber die Lage der jüdischen Kinder auch an der Lichtwarkschule, sie wurden abgeschult oder gingen mit ihren Eltern in die Emigration.[74]

Helmut Schmidts autobiographischer Text aus dem Jahr 1992 erschien in einem von ihm selbst, seiner Frau und einigen engen Freunden herausgegebenen Band Kindheit und Jugend unter Hitler.[75] Es ist der Versuch von Zeitzeugen, die 1933 als Kinder oder Jugendliche den Beginn der NS-Zeit erlebten, das Aufwachsen und Erwachsenwerden in diesen zwölf Jahren der Diktatur zu beschreiben und einen Beitrag zum Verständnis des Lebens unterm Hakenkreuz zu leisten. Für sie alle, die 1933 noch Kinder oder Jugendliche gewesen seien, habe es, so die Argumentation Schmidts, an prägender demokratischer Erziehung gefehlt, sie alle hätten lange gebraucht, um das Verbrecherische des Nazisystems zu erkennen, sie hätten sich angepasst, den Mut zum Widerstand hätten sie, wie die meisten ihrer Mitbürger, nicht aufgebracht.[76] So oder sehr ähnlich dachten wohl auch alle anderen Autoren dieses Bandes, eine Haltung, die wir Nachgeborenen nicht leichtfertig als unverständlich oder inakzeptabel verurteilen sollten.

Aus heutiger Sicht muss jedoch zumindest verwundern, dass Helmut Schmidt in diesem Text, wie an anderer Stelle auch, behauptet, von der systematisch verfolgten Ausgrenzungs- und Vernichtungspolitik des NS-Regimes gegen die deutschen und europäischen Juden keine Kenntnis gehabt zu haben. Ja, die Nazis waren Verbrecher, das habe er spätestens als Soldat gewusst, aber von der systematischen Vernichtung der Juden habe er erst im Gefangenenlager im belgischen Jabbeke erfahren.[77]

Helmut Schmidt am Klavier

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