Читать книгу Griechische Götter- und Heldensagen. Nach den Quellen neu erzählt - Reiner Tetzner - Страница 16

Zeus wird geboren

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Nachdem Kronos die Zeugungskraft seines Vaters gebrochen hatte, erhob er sich zum mächtigsten der Götter, war aber nicht weniger grausam als Uranos. Kronos wurde von den Römern Saturn gleichgesetzt und zeugte mit seiner schwesterlichen Gattin Rhea, die mit der kleinasiatischen Kybele13 in Verbindung gebracht wurde, die Olympischen Götter: zuerst den mächtigen Hades, der unbarmherzig sein unterirdisches Reich regieren wird, dann Hestia als Göttin des heimischen Herdfeuers, sowie Demeter, ferner die goldbeschuhte Hera und den Erderschütterer Poseidon.

Aber der gewalttätige Kronos erfuhr von seinen Eltern, sein eigener Sohn werde ihn vom Thron stürzen. Ob dies nur listige Rache des Verstümmelten war, bleibt im Dunkeln. Sicher ist jedenfalls, dass Kronos alle seine Sprösslinge verschlang, sobald sie aus Rheas heiligem Schoß glitten.

So lag der Götterkönig auf der Lauer, ja keine Geburt zu verpassen. Unsägliche Trauer litt die Mutter; und als sich unter ihrem Herzen ein neues Kind regte, bat sie ihre Eltern um Rat, wie sie den Säugling retten könne.

Gaia und Uranos schickten die Schwangere in das reiche Kreta, wo sie in der Diktäischen Grotte mit Zeus niederkam. Die Kureten14, dämonische Jünglinge, tanzten ekstatisch um das Kind, brüllten und schlugen mit ihren Speeren auf die Schilde, um das Plärren des Säuglings zu übertönen. Ernährt wurde Zeus von Honig, der aus den Bäumen tropfte, und der Milch der Ziege Amaltheia15. Auch später als Herrscher der Götter erinnerte sich Zeus liebevoll seiner Amme und versetzte sie als Sternbild des Steinbocks an den Himmel.

Doch noch schwebte der kindliche Gott in Lebensgefahr. Kronos war Rheas Schwangerschaft nicht entgangen. Zur Täuschung windelte Rhea einen großen Stein; im Glauben, es handele sich um seinen Stammhalter, packte ihn Kronos und verschlang ihn.

Kronos war durchaus kein Tor. Die Griechen pflegten ihre Neugeborenen bis auf das Gesichtchen mit einer langen Windel mumienähnlich einzuwickeln, so dass sie einem ovalen weißen Stein glichen. Noch heutzutage verfahren einige Naturvölker so.

Gaia zog den Kleinen auf, ihm wuchsen rasch Kraft und Wissen zu. Es gelang ihm, Metis zu überreden, Kronos Gift zu reichen. Daraufhin würgte der den Stein, den er zuletzt verschlungen hatte, aus sich heraus, danach erbrach er alle seine Kinder in der umgekehrten Reihenfolge, wie er sie gefressen hatte. Da Hades zuletzt wieder ans Licht kam, wird er der erst- und der letztgeborene Kronide genannt. Zeus stellte den Stein im heiligen Delphi unter den Schluchten des Parnass auf; er wurde als Omphalos, der Nabel der Welt, verehrt.

Kronos’ Heimtücke blieb also ohne Erfolg. Griechische Götter waren unsterblich und demnach weder durch Gift noch Verschlingen zu töten. Selbst der große Zeus sollte später in eine ähnliche Lage geraten; und wir werden sehen, ob er seinen Vater auch an Intelligenz übertreffen wird. Bei den Germanen hätte es Kronos leichter gehabt. Dort sind selbst die Hauptgötter wie Wodan/Odin und Donar/Thor sterblich. Es wird sogar davon berichtet, wie der strahlendste Gott Balder getötet wurde. Auch die meisten indischen Götter gelten in ihrer derzeitigen Existenz als sterblich.16

Folglich ist in griechischer Vorstellung kein Gott zu einem derartigen Selbstopfer fähig wie der indische Gott Prajapati, aus dessen Körper die Welt entstehen konnte, oder wie im Germanischen Ymir, aus dessen Leib die Welt gebaut wurde. Dennoch findet man bei Dionysos Züge des Selbstopfers,17 die im Umkreis der Gnosis, einer antiken Glaubensgemeinschaft, die das Urchristentum maßgeblich beeinflusste, immer stärker in den Vordergrund traten und im Kreuzestod des Gottessohnes Jesus gipfelten.

Griechische Götter- und Heldensagen. Nach den Quellen neu erzählt

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