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Aus dem Ehegefängnis ins Saxerriet 1978

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So kam es also, dass ich zum erneuten Strafantritt, diesmal in die halboffene Strafanstalt Saxerriet musste. Eine Anstalt, die durch ihren halboffenen Status nicht besonders sicher und lediglich für Strafgefangene geeignet ist, bei denen weder von einer Fluchtgefahr noch einer Gefahr für die Öffentlichkeit ausgegangen wird. Es vergingen nur einige Tage als meine mittlerweile Ex-Frau mich in der Anstalt besuchen kam. Sie erklärte, dass die Scheidung ein Fehler gewesen sei, dass sie mich noch liebe und sie zu mir stehen wolle, in dieser schweren Zeit, so wie danach. Obschon ich mein Kapitel mit dieser Frau eigentlich abgeschlossen hatte, gab ich der Beziehung noch eine Chance, um ehrlich zu sein, einzig aus Liebe zu meiner Tochter, denn mir war es immer ein Anliegen, dass sie mit Mutter und Vater zusammen aufwachsen kann und keines dieser vielen Scheidungskinder werden muss, von denen es heutzutage leider viel zu viele gibt. Ich wollte kein Kind, dass zwischen den Elternteilen hin und hergeschoben wird und keines Falls wollte ich Termine vereinbaren müssen, wann und wo ich mein Kind für wie lange sehen darf. Die Beziehung zu meiner Exfrau hatte ich also wieder aufgenommen. Im Hafturlaub ging ich stets nach Hause und bei meinen Ausgängen kam sie zu mir in die Nähe. Ich gelangte somit anfänglich, trotz unsinniger Rückversetzung in Haft, wieder auf die geregelte Bahn, die eines normalen Bürgers, beinahe schon der eines Bünzlis. Zu meinem Pech jedoch, lernte ich im Saxerriet neue Koryphäen aus dem Milieu kennen, so zum Beispiel die Sihlposträuber und Rolf Brunner, einer der grössten und damals berüchtigtsten Drogendealer aus dem Kanton Zürich. Rolf Brunner ist übrigens einer der wenigen, dem die Flucht vor einer neuen Untersuchungshaft gelang und bei dem mittlerweile alles verjährt ist, sodass er ohne Probleme zu bekommen, wieder in die Schweiz einreisen könnte. Was mich betrifft, wurde aus meiner eigentlichen Resozialisierung leider eine Kriminalisierung. Statt mit einem blauen Auge davonzukommen und wieder ins Berufsleben einzusteigen, steckte man mich ausgerechnet in die pompöse Verbrecheruniversität, das Gefängnis. Um dies richtig zu verstehen, gerade wenn man nie selbst in Haft war, muss man sich das so vorstellen. Man wird nicht von einem Tag auf den anderen kriminell. Kriminalität ist auch keine Krankheit, von der man angesteckt werden kann. Es ist etwas, dass meist im Kleinen beginnt, sich dann aber rasch ausbreitet, beinahe wie ein Geschwür, das wächst und wächst, bis es gefährlich wird. Ich musste damals schnell erkennen, dass wie im Übrigen auch heutzutage noch, die ehrlichen und guten Menschen, es am Schwersten haben, im Gefängnis noch mehr als in der Freiheit. Fragen sie ehrlich nach etwas, wird es ihnen meist verwehrt, lügen sie hingegen, kriegen sie meist das Doppelte von dem, was sie sich eigentlich vorgestellt haben. Der Genfer Drogenguru Rolf Brunner zum Beispiel machte sich an jeden Neuankömmling im Saxerriet ran, schickte ihn zum Arzt, wo der Insasse die von ihm befohlenen Symptome vorspielen musste, um genau die Medikamente zu erhalten, die Rolf benötigte. Ein Teil davon für den Eigenkonsum, der andere Teil für Geschäfteleien. Rolf war nicht nur sehr versiert im Umgang mit Medikamenten, er war auch ein cleverer Geschäftsmann, der es selbst im Gefängnis schaffte, mit den einfachsten Mitteln Geld zu machen. Dies imponierte mir zugegebener Weise nicht nur, sondern es begann mich von Tag zu Tag mehr zu reizen. Eine andere Anekdote ist die; als ein Insasse bereits seit Längerem seine Mandeln operieren lassen sollte, wurde er von Rolf mit einem Auftrag zum Arzt geschickt, wonach er wutentbrannt herauskam und beinahe auf Rolf einschlagen wollte, denn durch den Auftrag kam es soweit, dass er nun durch die vorgespielten Symptome nicht mehr darum herumkam, die Mandeln wirklich raus zu operieren. Solche Geschichten und Blödeleien verkürzten mir das Warten auf meine Entlassung. Nebst solchen Anekdoten gab es natürlich auch viele traurige Geschichten, gerade von Insassen, die durch einen schweren Schicksalsschlag hinter die Mauern kamen, oder die dadurch alles verloren; Haus, Frau, Kinder, Arbeit und wer weiss was noch mehr.

Als ich etwa drei Monate vor meiner endgültigen Entlassung im Urlaub nach Hause kam, fielen mir diverse Neurungen im Haushalt auf. So stand plötzlich eine mir unbekannte Stereoanlage zu Hause, aber auch neue Möbelstücke schienen die alten abgelöst zu haben. Als ich mich bei meiner Frau erkundigte, kam sie mir mit einer fadenscheinigen Erklärung, von wegen, die Sachen seien von einer Freundin ausgeliehen, da diese momentan in ihrer Wohnung zu wenig Platz hätte. Eine Woche vor meiner Entlassung erhielt ich nochmals einen Ausgang, den ich wie gewohnt mit meiner Frau nutzte. Wir mieteten wie so oft zuvor ein Hotelzimmer in der Nähe, da für den Weg nach Hause zu wenig Zeit gewesen wäre. Nach dem Sex, als ich mich gerade entspannte und mir eine Zigarette anmachte und für einen kurzen Moment zufrieden war, denn das Ende der Haft nahte, mein Kind und meine Frau erwarteten mich in unserem Haus und der Knast würde als dunkles Kapitel in meinem Leben abgeschlossen werden, etwas, über das ich nie wieder nachdenken wollte, geschweige denn wo ich nie wieder landen wollte, kam etwas unerwartetes. Gerade als ich den zweiten Zug Nikotin mit einem verschmitzten Lächeln herunterzog, detonierte eine Bombe in meinem Leben.

«Nach deiner Haft kannst du nicht nach Hause kommen», sagte meine Frau, zu meinem Erstaunen, denn es passte weder zum Moment noch zu meinem Plan des Lebens.

«Wieso soll ich nicht nach Hause kommen?», fragte ich irritiert, während ich die noch fast ganze Zigarette im Aschenbecher auf dem Nachtisch neben mir ausdrückte.

«Ich habe einen neuen Freund.»

Diese Worte kamen überraschend, sie knallten wie eine Explosion.

«Wie bitte?», flüsterte ich schon beinahe.

«Ich wollte es dir nicht während der Haft sagen, aber jetzt wo es dem Ende zu geht.»

Ich war baff. Aber so etwas von baff. Im Nachhinein tröste ich mich gerne mit dem Gedanken, dass ich wohl wenigstens besser im Bett war als ihr Neuer, doch um ehrlich zu sein, ein Trost war es nicht wirklich. Nicht nur, dass mein Leben und meine Pläne den Bach runter gingen. Nein, augenblicklich erkannte ich auch, wie naiv, wie leichtgläubig, blauäugig, wie dumm ich doch war. Die neue Stereoanlage, die neuen Möbel, die fadenscheinige Erklärung, alles erschien mir nun als Zeichen. Als ein Zeichen, das ich nicht erkannte, einfach nicht deuten und wahrhaben konnte oder eventuell auch nicht wollte? Wer weiss.

Von diesem Moment an, schwor ich mir, so etwas nie mehr mit mir machen zu lassen. Zudem schwor ich mir auch, nie mehr eine Beziehung die zu Ende war, von Neuem zu beginnen. Eine zweite Chance in einer Beziehung gab es für mich ab sofort und für immer nicht mehr. Ich fühlte mich einfach nur verarscht und stand nun quasi davor auf der Strasse zu landen, denn in einer Woche wurde ich entlassen, doch wohin stand offen, denn mein Heim war nun seins, meine Frau ebenso, mein Kind blieb mir noch für gewisse Zeiten, meine alte Stereoanlage und Möbelstücke lagen wohl irgendwo auf dem Kehricht und mein Herz war gebrochen, von Narben übersäht. Meine neuen Prioritäten tätowierten sich in meine Seele ein, tief gestochen, für die Ewigkeit.

Mein Leben als Schneekönig

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