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Mein Freund von der Mafia

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Mein damals bester Freund Renzo kam mich im Rehtobel besuchen. Renzo war der Bruder von Roberto, mit dem ich ebenfalls befreundet war, im Gegensatz zu seinem Bruder, entpuppte sich dieser leider bald als Verräter, aber dazu kommen wir später. Als Renzo bei mir war, unterhielten wir uns zuerst über meine missliche Lage, dann übers Geschäft. Endlich begannen wir etwas herumzualbern, was uns jedoch schnell langweilig wurde.

«Also Reini, ich kenne dich normal als besseren Gastgeber. Ist ja voll öde hier. Kannst du nicht für etwas Stimmung sorgen?»

Renzo neckte mich, irgendwie fand ich dummerweise, dass er recht hatte und so bestellte ich über eine Escort Firma ein paar Mädels, damit etwas Leben in die Bude kam.

Gelockert durch die Stimmung wurde ich unvorsichtig, so bestellte ich die Frauen ganz cool unter meinem richtigen Namen. Ich konnte ja nicht wissen, dass der Escort Service, bei dem ich erstmals Girls bestellte, ebenfalls abgehört wurde. So geriet ich in den Fokus der Polizei, die nicht nur ein Signal von mir mitbekam, sondern auch gleich meinen Aufenthaltsort auf dem Silbertablett serviert erhielt. Die Polizei griff jedoch nicht direkt zu, entweder wollten sie mich zuerst beobachten, oder die Information gelangte nicht direkt durchs Abhören an sie, sondern durch einen Informanten am nächsten Tag. Wie auch immer. Jedenfalls verbrachten wir die Nacht mit den Escort Ladies. Am nächsten Morgen verabschiedete sich Renzo. Ich fuhr mit dem Hotelbesitzer und Max nach St. Gallen, wo ich mir dringendst neue Kontaktlinsen besorgen musste. Dort angelangt, bekam der Besitzer der Diskothek einen Anruf seiner Serviertochter, dass ein Überfallkommando der St. Galler und Appenzeller Polizei gerade das ganze Gebäude umstellt hätte. Während des Anrufs, hörte man im Hintergrund, wie die Tür eingerammt wurde, und das plötzliche Verstummen der Serviertochter am anderen Ende der Leitung lies vermuten, dass gerade einige Maschinenpistolen auf sie gerichtet wurden. Somit war klar, das Versteck war aufgeflogen und ein Zurück würde es nicht mehr geben. Ich dachte über ein neues Versteck nach und da kam mir ein alter Bekannter in den Sinn: Luciano de Maria.

Luciano hatte ich einige Jahre zuvor kennengelernt. Er war ein Mafioso wie man ihn aus den Filmen kennt, ein Gangster ganz nach alter Schule. Wir haben einige Geschäfte zusammen abgewickelt, doch ein Erlebnis blieb mir immer besonders im Gedächtnis haften. Es war kurz nachdem sich der grosse Brinks Goldraub am Flughafen in London ereignete. Es ging dabei um dreieinhalb Tonnen Gold, 6800 Goldbarren, die in London Heathrow gestohlen wurden. Obwohl einige der Komplizen verhaftet werden konnten, ist der Verbleib des Goldes bis heute ungeklärt. Kurz danach rief mich Luciano an, um sich mit mir zu treffen. Er berichtete mir, dass wir nach Genf zu einem Haus fahren müssten, da sich das gestohlene Gold dort befinde. Luciano sei beauftragt worden, einen Käufer für den «Schatz» zu organisieren. Wir fuhren sogleich nach Genf, zu einer riesigen Villa, die von einigen bewaffneten Gestalten bewacht wurde. Der Anblick des ganzen Goldes, war einfach überwältigend. 6800 Barren! Wer hat je eine so grosse Menge live gesehen? Vielleicht in Zeitschriften oder in Fernsehdokus, doch es real zu sehen, ist um ein Vielfaches beeindruckender. Unbeschreiblich. Luciano hatte bereits unterwegs telefonisch einen Käufer organisiert und so kam bereits kurz nach unserer Ankunft ein Einkäufer der SBG, also der heutigen UBS Bank zu uns in die Villa, um das Gold zu begutachten. Der Name des Bankmitarbeiters war Dr. König, das weiss ich noch genau. Am Ende bekam ich noch mit, dass Dr. König das Gold im Namen der Bank gekauft hatte und es darauf in einer Schmelzerei im Tessin schmelzen liess. So wurde aus gestohlenem Gold wieder reines, unbeflecktes Schweizer Gold. Luciano war wirklich ein anderes Kaliber eines Kriminellen. Er war ein Typ Mensch, der über jegliche Kontakte verfügte, dem man aber auch gleich auf den ersten Blick ansah, was er auf dem Kerbholz hatte.

Auf der Flucht kam mir endlich der Gedanke, nachdem das Rehtobel-Versteck aufgeflogen war, dass es für mich nur eine Unterkunft gab und zwar eine mir bekannte, konspirative Wohnung von Luciano. Max begleitete mich dorthin, denn für ihn war die Rückkehr in unser Versteck ja auch nicht mehr möglich.

Leider war Luciano weder telefonisch zu erreichen, noch war er vor Ort anzutreffen. Ich hatte keine andere Wahl, als durch das Küchenfenster einzubrechen, im Wissen, dass mir Luciano nicht böse sein würde. Als ich mit Max durch das Fenster eingestiegen war, lief ich im Dunkeln durch die Küche in Richtung Wohnzimmer, wo seltsamerweise eine Lampe leuchtete. Auf dem Sofa erblickten wir zwei Aktenkoffer, einer davon geöffnet. Aus dem Koffer ragten unzählige Dollar Blüten hervor, grob geschätzt sechs Millionen Dollar. Gerade als mir bewusst wurde, mit Max wohl nicht allein hier zu sein, betraten zwei Gestalten im Nadelstreifenanzug das Wohnzimmer und noch bevor ich ein Wort sagen konnte, hatte ich zwei Pistolenläufe mit Schalldämpfer an meiner Brust.

«Was machen Sie hier und wer seid ihr?», fragte mich einer der Mafiosi in knurrendem, fast zähnefletschendem Ton.

Max machte sich beinahe in die Hose. Er bereute gerade eindeutig, mir auf der Flucht gefolgt zu sein, er sah sicher soeben sein letztes Stündchen schlagen. Max begann plötzlich zu jammern und erinnerte dabei an einen kleinen Jungen, der um Verzeihung fleht. Ich blieb ruhig, denn ich wusste, bei der Nennung des Codeworts «Luciano» würde alles gut werden. Und genauso kam es auch. Die Waffen senkten sich und einer der beiden Mafiosi rief Luciano an, der nach wenigen Minuten in der Wohnung eintraf und die Situation klärte. Die beiden Mafiosi wurden in ein anderes Versteck geordert. Danach erklärte ich Luciano meine prekäre Lage. Zudem bat ich ihn darum, mir einen Pass zu organisieren, der natürlich auf einen anderen Namen lauten musste. Luciano stimmte zu, bat mich um ein Passfoto, was ich natürlich in der ganzen Hetze nicht bedacht hatte. Also ging ich im Mantel und mit Sonnenbrille – etwas auffällig, beinahe wie die Zivilfahnder, die ich zuvor in diesem Buch noch hochgenommen habe – zum Bahnhof, wo ich die Fotos an einem der Automaten machen wollte. Dumm war nur, in meinen Taschen befanden sich keine Münzen, nur Scheine. Der Automat jedoch, wollte eindeutig nur Münzen. So war ich gezwungen, irgendwo Geld zu wechseln. Als könnte es nicht noch riskanter laufen, kamen mir zwei Polizeibeamte entgegengelaufen. Wahrscheinlich war es ihr routinemässiger Kontrollgang, doch schienen sie mich bereits fixiert zu haben. Ich entschied mich für ein heikles Unterfangen, setzte alles auf eine Karte, lief den Polizisten entgegen und sprach sie an.

«Guten Abend miteinander. Können Sie mir eventuell behilflich sein und mir Kleingeld wechseln?»

Zuerst schwiegen die Beamten, dann antwortete einer im typischen Beamtenton.

«Wir haben leider kein Kleingeld. Versuchen sie es doch am Kiosk gleich hier um die Ecke. Die werden Ihnen bestimmt helfen können.»

«Vielen Dank», sagte ich freundlich und lief in Richtung Kiosk.

Hätte ich die zwei Polizisten nicht direkt angesprochen, so bin ich heute noch überzeugt, hätten sie mich kontrolliert und schnell in Handschellen gelegt. Genau in solchen Situationen muss man cool bleiben, und kreativ sein. Unter Kriminellen sagt man ja gerne, Entscheidungen müssen wie ein Schuss aus einer Pistole geschossen, respektive, getroffen werden. Dazu braucht man aber Cojones, Hoden, oder einfach Chuzpe und dies ist nun mal nicht jedermanns Sache. Zugegeben, oft ist auch der Faktor Glück entscheidend, denn ich hätte trotz des direkten Ansprechens ebenso gut kontrolliert werden können, doch minimierte sich dieses Risiko durch mein Handeln massiv.

Die Fotos hatte ich also nachgeholt, und alles war bereit, um mir eine neue Identität zu verschaffen. Frühmorgens reiste Luciano mit dem Flugzeug ab nach Mailand und bereits am Abend kehrte er wieder zurück. Meine Erwartungen erfüllte der aus Italien organisierte Pass jedoch bei weitem nicht. Erstens war es ein holländischer Pass auf den Namen Hogerforst und zweitens war die Qualität der Fälschung ziemlich miserabel, erst recht mit dem Wissen, dass Italien damals für die besten Fälschungen in ganz Europa bekannt war. Als ich Luciano darauf ansprach, verstand er mich und erklärte, dass der Fälscher gerade nicht vor Ort gewesen sei und da ich ja unter Zeitdruck stehen würde, hätte er sich mit dem begnügen müssen, was dort herumlag. Mir war ziemlich unwohl was meine Flucht betraf, doch blieb mir keine Zeit, um Alternativen auszuarbeiten. Luciano rief einen Bekannten beim italienischen Zoll an und organisierte dort, dass man mich am nächsten Tag durchwinken würde. Immerhin kam ich nun schon mal sicher aus der Schweiz. Was Max betrifft, wurde ihm die ganze Flucht zu heiss, zudem war er ja, wie anfänglich erwähnt, wegen einer ziemlichen Lappalie auf der Flucht, sodass er es wohl für sicherer hielt, hier abzubrechen, zurückzukehren und sich freiwillig zu stellen. Für einige Monate in einer Zelle zu hocken, erschien ihm weniger gefährlich, als mit mir durch die Welt zu ziehen. Vielleicht war es tatsächlich die bessere Lösung, denn wer weiss, wie die nachfolgende Zeit für ihn geendet hätte.

Zeitungsartikel um die SBG, erstellt von Thomas Illi


Weitere Bilder und Zeitungsberichte finden Sie unter www.der-schneekoenig.ch

Mein Leben als Schneekönig

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