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Der unbekannte Deutsche im Zinnsarg
ОглавлениеEiner meiner damals treusten und besten Mitarbeiter, war der Fritz. Zum einen hat er für mich Hasch vertickt, zum andern aber auch allerlei andere Sachen für mich erledigt. Er war mein Allrounder, auf den ich mich stets verlassen konnte. Eines Tages kam Fritz zu mir, mit einem Lächeln im Gesicht, dass daherkam, dass er einen neuen Abnehmer an Land gezogen hatte. Ein Deutscher der angeblich vier Kilo von meinem feinsten Hasch kaufen wolle. Der Deal sei bereits arrangiert, festgelegt sei er an einer Unterführung, nahe des Bahnhofs Uerikon. Mir war der Treffpunkt recht, denn ich wohnte damals in Stäfa und fremde Leute wollte ich eh nie bei mir zu Hause, geschweige denn, in dem Dorf treffen, wo ich wohnte. Da kam mir das Nachbarskaff mit seinem winzigen Bahnhof gerade recht. Fritz kam am Tag des Deals zu mir, holte die Ware ab und machte sich auf zum Bahnhof, während ich mit Chrigi zu Hause blieb und auf die Kohle wartete. Fritz traf wie vereinbart bei der Unterführung auf den Deutschen, händigte ihm den Stoff aus und der Deutsche ihm die Kohle. Gerade als der Deal zum Abschluss kam, erkannte Fritz von Weitem zwei Gestalten die mit äusserst unfreundlichen Gesichtern auf den Deutschen zu gerannt kamen. Als der Deutsche sich umdrehte und die zwei auf ihn zu rennenden Männer erkannte, warf er den Hasch zurück in die Arme von Fritz, obschon der das Geld schon hatte. Die Panik schien den Deutschen überkommen zu haben.
«Verschwinde schnell! Die wollen mich überfallen. Weg, los, weg, schnell …», rief der Deutsche völlig gestresst.
Fritz lief los, lief und lief. Nach einigen Metern blickte er nochmals zurück. Alles was er sehen konnte, war, wie der Deutsche von den zwei düsteren Gestalten niedergestochen wurde, was die Adrenalinausschüttung von Fritz erhöhte, seinen Beinen einen Energieschub versetzte, sodass er massiv an Geschwindigkeit gewann. In meinem Büro angekommen, stürmte er komplett verschwitzt herein, warf den Koffer auf meinen Schreibtisch und dazu die Knete.
«Oh mein Gott. In welche Scheisse bin ich da reingeraten?», fragte Fritz in den Raum, der Schock war ihm ins Gesicht gezeichnet. «Beruhige dich Fritz», unterbrach ich ihn, «was ist denn genau passiert?»
Fritz erzählte mir die kuriose Geschichte, die selbst meine gewagteste Erwartung übertraf. Als ich mich dann erkundigte, weshalb er dem Deutschen nicht zu Hilfe geeilt sei, meinte Fritz leise mit blassem Gesicht: «Ich glaube nicht, dass ich ihm noch hätte helfen können, er sah bereits ziemlich tot aus. Zudem wollte ich nicht riskieren, ebenso vorzeitig das Zeitliche zu segnen, für ein paar Kilo Hasch.»
Anschliessend bat ich Chrigi, mit dem Motorrad zum Bahnhof Uerikon zu fahren. Sie sollte sich dort vor Ort über die Geschehnisse ein Bild machen. Als Chrigi dort ankam, war bereits der gesamte Bahnhof abgesperrt, unzählige Polizisten anwesend und es existierte keine Möglichkeit mehr, nur in die Nähe des Toten zu gelangen. Sie sah nur noch von weitem, wie man umständlich einen Zinnsarg in einen Kastenwagen schob. Bis zum heutigen Tag wurden diese Mörder nicht gefasst, auch die genauen Hintergründe blieben im Dunkeln. Ob die beiden Angreifer sich den Deutschen zufällig oder bewusst ausgewählt hatten? Man weiss es nicht. Aber nicht, dass die Polizei nicht gründlich ermittelt hätte, nein, das hatte sie. Und wie konnte es anders kommen, als dass auch ich noch verdächtigt wurde.
Es klopfte an der Tür. Als ich öffnete, standen am Eingang zwei Polizisten mit einem Vorführungsbefehl in der Hand.
«Jetzt sitze ich wirklich das erste Mal unschuldig in einem Polizeiwagen», ulkte ich noch, als man mich auf dem Rücksitz platzierte.
Es stellte sich bei der Befragung im Nachhinein heraus, dass irgendjemand im Restaurant Brückenwaage in Stäfa herumerzählt hatte, dass der Deutsche mir noch Geld schuldig gewesen wäre, wofür ich eine Abreibung angeordnet hätte, die am Ende aber aus dem Ruder gelaufen sei und so in einem Mord endete. Schlussendlich war dies nur eine Lügenthese eines besoffenen Stammtisch-Märchenerzählers und ich konnte die Wache wieder verlassen und nach Hause gehen. Die ganze Geschichte hatte am Ende einen Vorteil für mich, denn sie verbreitete sich auf der Strasse wie ein Lauffeuer. Plötzlich wurden alle Schulden bezahlt, selbst solche die noch hätten warten können. Der Irrglaube der Kunden, ich hätte dem Deutschen eine Abreibung beschert, schien sie so sehr eingeschüchtert zu haben, dass sie lieber vorzeitig bezahlten, als dasselbe Schicksal zu riskieren. Im Milieu sagt man ja gerne: egal ob von dir gesprochen wird, sei es positiv oder negativ spielt keine Rolle, Hauptsache man spricht den Namen richtig aus, so bleibt es gratis Werbung.