Читать книгу Mein Leben als Schneekönig - Reinhard Lutz - Страница 18
Der weisse Rolls Royce 1983 bis Mitte 1984
ОглавлениеRolli war ein guter Freund von mir und zugleich ein Mitglied des berühmtesten Motorrad-Clubs der Schweiz, der Hells Angels. Rolli stand auf die Fahrzeugmarke Rolls Royce und so bat er mich eines Tages, eine seiner neuen Errungenschaften auf meinen Namen einzulösen. Sein aktueller war grün und der neue, den er erwerben wollte, war weiss. Im Gegenzug durfte ich den grünen für eine längere Zeit selber fahren. Ich stimmte zu und begab mich mit Rolli zu einem Garagisten, der einen ganzen Koffer voll Bargeld für den weissen Rolls Royce erhielt. Der Schlitten war ein wuchtiges Geschoss, das überall für Aufsehen sorgte. Anschliessend habe ich die nötigen Papiere machen lassen und fuhr nun das auffällig grüne Monstrum, was dann nicht nur die Aufmerksamkeit von schönen Frauen und neidischen Männern auf mich zog, leider auch die der Polizei. Ich stand also im Fokus.
Eines Tages sollte ich in kürzester Zeit für das Piccolo Gardino eine grössere Lieferung aus Holland erhalten, Kokain und Hasch. Ich wollte die Lieferung stoppen, denn ein mulmiges Bauchgefühl warnte mich, dass etwas nicht ganz koscher ist. Da es damals keine Handys gab, gelang es mir nicht mehr, die Lieferung aufzuhalten, denn sie war unterwegs, und den Lieferanten zu erreichen, war ein Ding der Unmöglichkeit. So erhielt ich vom Chauffeur einen Anruf, dass er in der Gegend sei und eine Lieferadresse benötige. Alois, der Vizepräsident der Hells Angels und ich fuhren nach Bergdietikon zu Rolli, der dort eine Garage hatte, wo man die Fuhr abladen konnte. Wir wiesen den Chauffeur an, uns nachzufahren. Rolli selbst war nicht vor Ort, als wir ankamen, doch sein weisser Rolls Royce stand vor seiner Garage. Von seiner Freundin Gabi erhielten wir den Fahrzeugschlüssel, sodass wir das Ungetüm von der Garageneinfahrt wegfahren konnten, damit der Chauffeur sein beladenes Fahrzeug hinein parken konnte, wo in der Garage sofort mit dem Ausbau der Ware begonnen wurde. Ich fuhr anschliessend mit Alois und dem Kurier nach Zürich, wo wir gemeinsam abwarteten, bis alles vorbei war. Anschliessend nahm ich den alten Peugeot von Chrigi, da mein Mercedes sich in der Garage befand und machte mich auf den Weg zurück nach Bergdietikon, um nachzuschauen, ob alles erledigt sei. Kurz vor dem Ziel erkannte ich den weissen Rolls Royce von Rolli an der Strasse stehen, doch von Rolli gab es weit und breit keine Spur. Zudem standen überall zivile Autos kreuz und quer herum, was klar die Polizei zu sein schien.
Wenn man einen amerikanischen Spionagefilm sieht, in dem FBI und CIA Agenten in auffälligen schwarzen Anzügen und Sonnenbrillen herumstehen, denkt sich jeder Zuschauer, das ist doch Blödsinn, noch auffälliger geht es ja wirklich nicht. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass es auch in der Realität oft nicht viel anders ist. Die Schweizer Zivilfahnder sind vieles, aber ganz sicher nicht unauffällig. Riechen kann man sie bereits aus fünfzig Kilometern Distanz. Wir erkannten die Zivilfahnder in Bergdietikon gottseidank bereits von Weitem, und nur dem Zufall oder Glück war es zu verdanken, dass mein Mercedes in der Garage war und ich gerade an diesem Tag im alten Peugeot von Chrigi unterwegs war, denn die Fahnder erwarteten meinen Mercedes. Ich bog mit dem Peugeot unauffällig ab. Nach einigen hundert Metern lud ich den Kurier ab, denn einen Holländer im Auto zu haben, machte in meiner Branche noch nie einen guten Eindruck, erst recht nicht, wenn man im Fokus der Uniformierten steht. Alois blieb bei mir im Wagen. Wir fuhren nach Zürich und kehrten in einer Gaststätte ein, wo wir die Zeit etwas vorwärtslaufen liessen. Nach einer Weile beschloss ich, den Holländer abzuholen. Alois wartete unterdessen in Zürich auf uns. Als ich am Waldrand ankam, wo ich den Kurier abgeladen hatte, konnte ich von Weitem gerade noch sehen, wie man ihm Handschellen anlegte. Schnell wendete ich die alte Klapperkiste und fuhr zurück zu Alois, um ihn über diesen unschönen Umstand zu informieren. Alois beschloss, trotz allen Risiken ins Piccolo Giardino zu gehen, um dort noch gewisse Dinge für unser Geschäft abzuwickeln. Zwar war es sinnvoll uns zu trennen, denn man suchte ja nach zwei Personen, doch an einen so riskanten Ort zu gehen, war mir definitiv zu heiss. Alois zu überreden, gelang mir nicht, so ging ich zu einem Kumpel nach Stäfa und Alois ins Piccolo Giardino. Bei diesem Freund konnten wir morgens um etwa 5 Uhr durch das Abhören des Polizeifunks gerade noch mitbekommen, wie man Alois im Piccolo Giardino verhaftet hatte. Nach dieser unschönen Wende wurde mir der Aufenthalt beim Kumpel zu heiss, sodass ich ihn bat, mich nach Rehtobel in St. Gallen zu fahren, wo ein guter Freund von mir eine Disco besass, mit einigen Zimmern oberhalb der Location, für Gäste die zu tief ins Glas geblickt hatten und die einen Ort zum ausnüchtern benötigten. So wurde ich dorthin chauffiert. Während der Fahrt lag ich auf dem Rücksitz, um das Risiko erkannt zu werden, so minim wie möglich zu halten. Dabei wurde mir bewusst, dass unser ganzes Netzwerk aufgeflogen war und dass ich nun auf der Flucht war, dass es für eine Weile kein Zurück in das bisherige Leben mehr geben wird.