Читать книгу Das Asylhaus - Rita Renate Schönig - Страница 14
Der Überfall
ОглавлениеTillmann wurde zusehends unleidlicher. Keine Spur von diesem Hexenweib und ihrem Bewacher. Bis zum heutigen Tage war ihm das nicht widerfahren. Stets war es ihm gelungen, Flüchtige zu ergreifen und dem Scharfrichter zuzuführen, zwecks ihrer gerechten Strafe. Seine Männer faselten bereits von Umkehr und, dass die Zaubersche es geschafft hatte – im Zusammenwirken mit dem Teufel – sich der Obrigkeit zu entziehen. Ansonsten wäre man ihr gewiss schon habhaft geworden.
Trotzdem sich in der Schankstube der „KRONE“ zurzeit wenige Gäste aufhielten, saß Tillmann in der hintersten Ecke und kippte einen Becher Wein nach dem anderen in sich hinein. Alles schien wie verhext. Weder Eckhardts Überwachung dieser Elisabeth hatten Auffälligkeiten zutage gebracht. Noch waren Walfrieds Schnüffeleien von Erfolg gekrönt. Und doch sagte ihm sein Instinkt, dass im Bergmannschen Haus etwas im Argen läge. Die unfähigen Kerle hatten nur nichts entdecken können. Er würde sich selbst kümmern.
Mit dieser Erkenntnis erhob Tillmann sich ruckartig und verließ die Gaststube, in der einzig Eckhardt, einige Tische weiter an seinem Wein nippend, überrascht aufsah. Alle anderen seiner Kameraden lungerten in irgendwelchen Kneipen herum oder vergnügten sich mit Weibsbildern.
Es wird höchste Zeit, dass wir zurückkehren, sinnierte er. Von Anfang an stand dieses Unterfangen unter keinem guten Stern. Wohin will Tillmann zu so später Stunde?
Eckhard überlegte, ob er ihm folgen sollte. Verwischte aber den Gedanken sofort wieder. Stattdessen suchte er sein Nachtlager auf.
***
Es kostete Konrad viel Mühe, sich auf die Gebete zu konzentrieren. Nachdem der Prior das Amen sprach, lief er, so schnell, ohne Aufsehen zu erregen, hinunter in die Klosterküche. Dort bat er um etwas Brot und Käse. Kopfschüttelnd überreichte ihm Bruder Culinarius das Gewünschte.
„Du wirst niemals etwas auf die Rippen bekommen, wenn du dich weiterhin derart kasteiest, Bruder Konrad. Bei mir würd’s nicht schaden.“ Lachend klopfte er auf seinen unverkennbar gerundeten Leib, wurde aber sofort wieder ernst.
„Überdies drohte mir unser Bruder Wenzel – Gott sei seiner Seele gnädig – noch zu seinen Lebzeiten: Pass auf den Jungen auf, sonst such ich dich aus dem Nachleben heim … ob von unten oder von dort oben.“ Er zeigte mit einem hölzernen Löffel in besagte Richtungen. „Wie soll ich meiner Verpflichtung nachkommen, wenn Ihr es mir nicht gestattet? Nehmt wenigstens noch ein Stück Räucherschinken und hier, einen Apfel. Ist gut für die Zähne.“
Der Mönch packte alles in das Leinentuch, das Konrad auf den Tisch gelegt hatte.
„Ich danke Dir und auch Bruder Wenzel – Gott sei seiner Seele gnädig – für euer beider Fürsorge. Ich verspreche, dass ich ab morgen wieder zusammen mit meinen Brüdern zu Tische sitzen werde.“
Bevor der Mönch weiterer Besorgnis Ausdruck geben konnte, war Konrad schon auf dem Weg nach oben.
***
Indessen spazierte Tillmann durch die Freihofgasse in Richtung Marktplatz. Die wenigen Bürger, die um diese Zeit noch unterwegs waren, beachteten ihn kaum und huschten in den umliegenden Gassen in ihre Häuser. Aus einem Gasthaus schwankten zwei johlende Zecher. Sich gegenseitig stützend versuchten sie, sich auf den Beinen zu halten. Sie schafften es, in eine Seitengasse einzuschwenken und ihr Gekrächze verebbte bald.
Nun löschten auch die Wirtsleute ihre Laternen, sodass nur durch die Fenster noch schwaches Licht nach außen drang. Es war eine nahezu stockfinstere Nacht. Sogar der Mond hatte sich hinter einer dicken Wolkendecke zurückgezogen. Von Ferne erklang der Singsang des Nachtwächters, der seine Runden drehte.
Tillmann lenkte seine Schritte am Rathaus und der Schmiede vorbei in die Rathausgasse und von da aus in die Römerstraße. Wenn ihm seine Sinne keinen Streich spielten, so käme er auf diesem Weg zur hinteren Hofreite des SCHWARZEN HANNES.
Vor ihm tat sich ein enger Durchlass zwischen zwei Häusern auf. Schritt für Schritt tastete er sich vorwärts. Es ging ziemlich steil abwärts, und es war rutschig. Dann stand er an einem gurgelnden Bachlauf. Gleichzeitig erkannte er die rückseitigen Umrisse der „Rothen Mühle“. Gerade wollte er über das Gewässer springen, als er aus den Augenwinkeln einen Schatten auf der anderen Seite ausmachte, der jedoch sofort wieder von der Dunkelheit verschluckt wurde.
***
Ungeduldig harrte Hannes an der hinteren Pforte auf Bruder Konrad. Er horchte in die Stille. War da nicht ein Rascheln im Gras? Einen Spalt breit öffnete er das Holztürchen. Just in dem Moment stieß ihn Konrad zur Seite und verriegelte die Pforte von innen.
„Still Hannes“, flüsterte er. „Schau – dort drüben.“
Hannes’ Augen, an die Dunkelheit gewöhnt, fanden sofort, durch ein Astloch blickend, die Gestalt auf der anderen Seite des Baches. Die Person setzte zum Sprung über das Wasser an. Hannes hoffte inständig, dass es nur ein Besucher des Badehauses sein möge, der nicht erkannt werden wollte. Ein Rütteln an der Holzpforte machte seine Hoffnung zunichte. Starr an die Mauer gepresst hielten Konrad und er den Atem an. Ein schleifendes Geräusch auf der anderen Seite sagte ihnen, dass jemand im hohen Gras herumschlich. Dann trat wieder Stille ein und sie nahmen an, dass die Person sich entfernt hätte. Doch im nächsten Augenblick hörten sie ein Kratzen und Schaben und ein Mann schwang sich über die Mauer. Nur wenige Schritte vor den beiden kam er zum Stehen.
Fast gleichzeitig flog die Tür zum Stall auf, in der die Kaltblüter Burgel und der Braune standen und einen Augenaufschlag später sauste ein schwerer länglicher Gegenstand auf den Kopf des Eindringlings, der sofort lautlos zu Boden fiel.