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Der Abzug

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Tillmann wachte mit einem Brummschädel auf. Bevor er ein Wort sagen konnte, reichte Eckhardt ihm einen Becher Wein.

„Hauptmann, ein Glück, Ihr weilt wieder unter den Lebenden.“

In langen Zügen schüttete Tillmann die Flüssigkeit in sich hinein. Erst dann bemerkte er den Verband um seinen Kopf. „Was ist passiert?“ Trotz der hämmernden Qualen probierte, er sich aufzusetzen.

„Offensichtlich seid ihr überfallen worden.“

„Aber – wie komme ich hierher?“ Tillmann erinnerte sich, dass er aus der Gaststube geeilt war und an den Gang durch die Straßen und Gässchen.

„Nun eh …“ stotterte Eckhardt. „Zuerst hatte ich mich zur Nachtruhe begeben aber dann … Ich hoffe, Ihr verzeiht mir meine Neugier, aber mich trieb die Sorge um Euer Wohlergehen und …“

„Ich mache dir keine Vorwürfe. Wo hast du mich gefunden?“

„Am Backhaus.“

Tillmann schwieg, runzelte die Stirn und Eckhardt fuhr fort. „Ich sah drei Gestalten, die aber sofort flüchteten, als ich näher kam. Leider konnte ich sie in der Dunkelheit nicht ausmachen.“

„Du konntest nicht erkennen, wer die Kerle waren?“

„Nein, Hauptmann. Das war mir leider nicht möglich.“

Ich kann mir vorstellen, wer für meinen schmerzenden Schädel verantwortlich ist. Sei gewiss, SCHWARZER HANNES, das Spiel ist noch nicht zu Ende.

„Du kannst jetzt gehen.“

Eckhardt wollte etwas erwidern, ließ es aber dann bleiben und ging mit gesenktem Kopf zur Tür.

***

Früh am nächsten Morgen – es war der 14. September 1600 – ritten Tillmann und seine Soldaten zum Obertor hinaus.

Unterdessen zelebrierten die Seligenstädter Bürger andächtig das Fest zur KREUZERHÖHUNG in ihrer Gemeindekirche. Beim anschließenden Frühschoppen in den verschiedenen Gaststuben drehten sich die meisten Gespräche über die Abreise der kurfürstlichen Horde und keiner weinte ihnen eine Träne nach. Außer einigen Schankwirten, denen die zusätzlichen Einnahmen ausblieben, womöglich auch die eine oder andere Lohndirne.

Hannes zumindest schnaufte auf. Tillmann war abgezogen, zwar in desolatem Zustand, aber lebendig. Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass seine Tochter zu so etwas in der Lage gewesen wäre. Die Bilder von letzter Nacht standen noch immer vor seinem geistigen Auge. Dennoch erfüllten sie ihn mit Stolz.

Behände und mit aller Kraft, streckte Elisabeth den hundsmiserablen Kerl mit einem Schlag nieder. Alsdann sank sie selbst, mit zitternden Gliedern zu Boden, das dicke Holzscheit noch immer fest in ihren Händen, bis Konrad es ihr entwand.

Nachdem Hannes sich vergewissert hatte, dass Tillmann nur besinnungslos und nicht tot daniederlag, schaffte er ihn zusammen mit Christoph und Martin aus dem Haus. Sie hatten vor, ihn auf dem Freihof an der Klosterpforte abzulegen, sodass ihn der Nachtwächter auf seiner Runde bemerken würde. Doch kaum waren sie in Höhe des Backhauses angekommen, kam jemand aus der „KRONE“. Sie schafften es gerade noch, Tillmann gegen die Mauer zu lehnen und unerkannt zu verschwinden.

***

Eckhardt war froh. Endlich würde er wieder nach Hause, zu seiner Mechthilde, kommen. Zwar hatten sie der Zauberschen nicht habhaft werden können und auch diesen Vitus hatten sie nicht gefunden, aber letztendlich war es für Eckhard der beste Beweis, dass es sich bei der Alten um eine gefährliche Hexe handelte. Sollten sie sich nicht glücklich schätzen, der Zaunreiterin nicht noch einmal über den Weg gelaufen zu sein?

Tillmann schien anderer Meinung. Seine Laune wurde zusehends miserablerer je mehr sie sich von Seligenstadt entfernten. Über den gestrigen Überfall verlor der Hauptmann kein weiteres Wort. Dagegen trieb er seine Truppe zu beträchtlicher Eile an.

Eckhardt war es recht. Der Blick in den düsteren wolkenverhangenen Himmel kündigte Regen an und seine Knochen sagten ihm seit Tagen eine Wetteränderung voraus. Ein trockenes Nachtlager wäre deshalb nur von Vorteil, zumal die Nächte schon empfindlich kalt wurden.

Kurz vor Stockstadt hatte der Wolkenbruch sie eingeholt und völlig durchnässt. Vor einer anrüchigen Kaschemme in der Ortsmitte beschloss Tillmann abzusitzen. Er stürmte mit riesigen Schritten in die Behausung. Einige Minuten später verordnete er – auffallend zufriedener – seinen Männern eine kurze Pause zum Aufwärmen. Er wirkte so wohlgemut, dass Eckhardt ihn argwöhnisch beäugte. Desgleichen misstraute er dem dickwanstigen Wirt, der ständig mit der Zunge über seine wulstigen Lippen fuhr, währenddem er und Tillmann die Köpfe zusammensteckten.

Nach etwa einer halben Stunde verließen sie die Kneipe wieder. Zu dem anhaltenden Regen hatte sich ein kräftiger Wind gesellt. Dem Hauptmann schien dieses Unwetter nichts auszumachen. Kerzengerade saß er auf seinem hohen Ross, obgleich ihm die Nässe ins Gesicht peitschte.

Mit Bedacht näherte Eckhardt sich Tillmann, der vornweg ritt „Warum nehmen wir nicht den Weg durch den Wald?“, fragte er vorsichtig.

Der Angesprochene verzog grimmig sein Gesicht, nickte aber dann und lenkte sein Ross in den vor ihnen liegenden Forst. Die Eile, die er vor wenigen Stunden noch an den Tag gelegt hatte, schien verschwunden.

Eckhardt hüllte sich enger in seinen wollenen Umhang. Durch den aufgeweichten Boden wären sie zwar länger unterwegs, aber wenigstens boten die Bäume etwas Schutz gegen die Witterung. Am späten Nachmittag erreichten sie endlich Aschaffenburg.

Eckhardt war erschöpft und hustete ununterbrochen.

Das Asylhaus

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