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STIMMEN HÖREN

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Nach einer Trennung kaufte ein Mann in Köln eine große, ruhige Altbauwohnung für sich allein, mit hohen Räumen, einem Balkon zum Hof, drei Zimmern, einer kleinen Küche und einem Bad. Er hatte lange gesucht, und diese Wohnung entsprach genau dem, was er sich vorgestellt hatte. Er wollte sie für sich allein behalten und nie mehr mit jemandem zusammenleben. Er richtete alles sorgfältig und sparsam ein. Die Räume sollten ihre Atmosphäre aus sich selbst erhalten, Möbel oder Vorhänge durften sie nicht zerstören; am besten gefiel ihm die Wohnung, als sie leer war, als seine Schritte und Plaudereien mit sich selbst in ihr nachhallten. Sie hatte einen seltsamen, weichen, geschmeidigen Hall, dachte er, als ob etwas Lebendiges antwortete. Die Holzdielen ließ er nackt. Er brauchte ein Zimmer zum Arbeiten, eins zum Schlafen, das dritte blieb leer, obwohl er es als Wohnzimmer vorgesehen hatte. Er baute dort nur seine Anlage auf und stellte sonst nichts hinein.

Er konnte lange in dem leeren Zimmer auf- und abgehen, Musik hören oder in der Stille mit sich selbst sprechen, über die letzten sechs Jahre nachdenken, die so traurig geendet hatten. Dennoch fühlte er sich jetzt zufrieden, kraftvoll. Er freute sich auf die ersten Monate des Jahres, das gerade begonnen hatte, auf das Alleinsein, die Ruhe.

Einmal wurde er nachts von einer Stimme wach, die laut seinen Namen gesagt hatte. Zuerst dachte er, er habe geträumt, aber der Hall war so echt gewesen, als habe wirklich jemand gesprochen. Er sah überall nach. Aber die Fenster waren geschlossen und niemand außer ihm befand sich in der Wohnung. Er zog sich an, es war kurz nach drei, und ging in das leere Zimmer. Er war sicher, nicht geträumt zu haben. Die Stimme hatte beruhigend geklungen, besorgt, so als wolle sie ihn nicht erschrecken. Er solle sich zuerst sammeln, entspannen und dann zuhören. Aber zum Zuhören war er nicht gekommen. Er konnte nicht einmal sagen, ob es sich um eine Männer- oder eine Frauenstimme gehandelt hatte. Sie hatte alterslos und mittelhoch geklungen.

Er hatte sich von ihr verstanden gefühlt und sprach mit sich selbst darüber, ob sie gesagt hatte, er solle erst einmal langsamer machen, innehalten, nichts überstürzen, lauschen auf das, was kommen werde. Er kniete auf den Dielen nieder und horchte, ob die Stimme aus den Ritzen gekommen sein konnte. Im Dienst sprach er mit niemandem darüber, auch seinen zwei Freunden, die ihm geblieben waren, traute er nicht. Abends fragte er sich oft, ob er in der Nacht wieder etwas hören würde. Dann lag er wach im Bett, und wie eine monophone Musik setzte etwas ein, ein Summen, das ihm bedeutete, jetzt sei alles gut, er solle so weitermachen, nicht aufgeben, durchhalten. Es sei schon in Ordnung, was er getan habe, er könne sich auch ein bisschen ausruhen.

Er lebte dann immer auf die Nächte zu. Die Stimme war nie vor 22 Uhr abends zu hören, aber auch nie nach drei Uhr nachts. Sie war so gutmütig, so zugewandt. Sie wusste so viel. Er sog sie mit den Ohren ein. Er spürte ihre Vibrationen in seinem Bauch.

Geheime Kräfte

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