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GEHEIME KRÄFTE
ОглавлениеIm Frühling, der heiß und trocken begann, glaubte ein Mann, sich in eine viel jüngere Frau verliebt zu haben. Er war verheiratet und nicht unglücklich, doch zog ihn an dieser neuen Liebe etwas derartig stark an, dass er sich nicht beherrschen konnte. Er suchte nach Gelegenheiten, sie zu treffen, was keineswegs einfach war, denn das Mädchen hatte offenbar viele Verehrer oder Freunde. Manchmal dachte er, dass er seiner Frau bloß etwas heimzahlen wollte, ihre Besserwisserei, ihre Macht und die Tatsache, dass sie fast immer das letzte Wort hatte.
An einem Sonntag war seine Frau verreist, und er hatte sich mit dem Mädchen in einem großen Forstbotanischen Garten in der Nähe ihrer Wohnung verabredet. Er spürte sein schlechtes Gewissen, als er mit dem Fahrrad an der Bank ankam, an der sie sich treffen wollten. Der Garten war voller Spaziergänger. Es war heiß, und er dachte, dass es gar nichts bringen würde, hier draußen mit dem Mädchen zu reden. Er wäre gern mit ihr allein gewesen, aber er wusste nicht, ob sie ihn in ihre Wohnung einladen würde. Manchmal war sie sehr schwierig, und es kam ihm vor, als wolle sie ihn benutzen in ihrem Spiel mit den verschiedensten Männern. Er konnte ihr nicht viel bieten, eine Affäre, ein paar Reisen vielleicht. Wie von einem Gummiband gezogen würde er wieder zu seiner Frau zurückkehren.
Eine halbe Stunde nach der verabredeten Zeit saß er immer noch auf der Bank, wartete und ärgerte sich. Ständig setzten sich Leute zu ihm, standen wieder auf, neue kamen hinzu. Er wollte sich verstecken und von dort aus beobachten, ob das Mädchen kam. Die besonderen Pflanzen und Bäume des Parks hatte er noch nicht beachtet. An einer Ecke war das Gebüsch äußerst dicht, gebildet aus weichen, gummiartigen Blättern mit einem starken, moschusartigen Geruch, und er betrat einen schmalen Eingang zwischen den Büschen.
Die Pflanzen strichen weich über sein Gesicht und seine Arme, zärtlich beinahe, als wollten sie ihn einladen. Er ging weiter und kam in eine seltsam menschenleere Gegend, dunkel von den dichten Blättern, hier in der Größe von Händen. Auch hörte er keine Geräusche mehr von den Kindern, die draußen überall gelärmt hatten. Er spürte, wie gut ihm die Gegenwart der Pflanzen tat, er summte ein bisschen vor sich hin, hatte aber die Bank längst aus den Augen verloren. Das Gebüsch wurde immer dichter, der Geruch stärker, und als er sich umdrehen wollte, spürte er, dass er festgehalten wurde. Die Blätter umklammerten ihn an den Armen und Beinen, und er konnte nicht mehr gehen.
So gefangen, fühlte er sich zunächst nicht unwohl, erzählte er später. Erst gegen Abend, als der Park sich leerte, wäre er gern gegangen. Je mehr er aber zappelte, desto fester hielten ihn die Blätter, und sein Rufen wurde von ihnen erstickt. Kurz vor der Dämmerung ließen ihn die Pflanzen allmählich los, und als er, hungrig und vor allem durstig, zurück zur Bank kam, saß dort seine Frau und wartete auf ihn.