Читать книгу Geheime Kräfte - Roland E. Koch - Страница 17
PHILOSOPHIE 1
ОглавлениеEin Mann hatte lange studiert, unter anderem Philosophie. Damit war er zuerst nicht weiter aufgefallen. Einige Jahre hatte er sogar Geld vom Staat bekommen, doch dann änderte sich der Wind, und viele Kommilitonen fanden lukrative Stellen oder strebten eilig danach. Eine Wirtschaftskrise kam und ging, die Zahl der Arbeitslosen stieg. Der Mann studierte, bis seine Förderung eingestellt und Studiengebühren erhoben wurden. Man schloss ihn zwangsweise aus. Vieles wurde schwieriger, die Krankenversicherung, das Wohnen, das Essen, denn er konnte nicht mehr billig die Mensa besuchen. Seine früheren Freunde ermahnten ihn regelrecht, sich endlich einen Job zu suchen. Sein Philosophieprofessor aber hatte ihm gesagt, man brauche zehn oder zwanzig Jahre, bis man die Anfänge verstanden habe.
Also las er weiter, lieh sich immer neue Bücher aus. Er versuchte dies und das, aber da er nicht mehr Student war, bekam er schwer einen Job. Er arbeitete in einem Weinladen, was ihm gut gefiel. Er kannte sich ein bisschen mit Wein aus, aber die Lage stimmte nicht, und der Laden musste schließen. Die Eltern des Mannes enterbten ihn zugunsten seiner Schwester, die Beamtin geworden war und sich mehr um sie kümmerte. Eine Freundin, mit der er drei Jahre zusammen gewesen war, heiratete und bekam ein Baby.
Er wohnte in einem Dachzimmer, das sich im Winter schlecht heizen ließ und ging wie gewohnt jeden Tag zur Universität. Er bekam jetzt den Regelsatz, mit dem er meistens auskam, da er nicht mehr in Kneipen ging, auf Alkohol und Reisen verzichtete und sich kaum neue Kleidung kaufte. Im Sommer saß er im Schlosspark und las Bücher, die nichts kosteten, da er sie aus der Universitätsbibliothek ausgeliehen hatte.
So stand er eines Morgens wie immer recht spät auf, trank seinen Tee, las im Wittgenstein, ging durch den Park zur Universität, traf unterwegs ein paar Bekannte und spürte, wie er heute, genau an diesem Tag, die Anfangsgründe der Philosophie hinter sich gelassen hatte. Niemand, dachte er, könne glücklicher und zufriedener, weiser und gelassener, freier von Sorgen und Schmerzen sein als er.