Читать книгу ... und dann für immer! - Rubinius Rabenrot - Страница 11
Donnerstag, 13.06., um 20:29 Uhr. In Cindy Hennings Haus.
ОглавлениеCynthia Henning, die konsequent von allen verlangte mit Cindy angesprochen zu werden, weil sie den altbackenen Namen Cynthia hasste, den sie ihrer Mutter, diesem verblödeten Lennon-Fan zu verdanken hatte, trank gelangweilt einen Schluck Cola.
Cindy war den ganzen Tag am Flaucher an der Isar gewesen, dem Nacktbadestrand der Münchner Müßiggänger. Wieder mal umgeben von Leuten, mit denen sie eigentlich gar nicht zusammen sein wollte, aber die ihr eben die Langeweile vertrieben. Sie konnte nichts und wollte auch nichts mit ihrem Leben anfangen. Das Einzige, das sie tat, war, auf das Ableben ihres Vaters zu warten, um endlich die väterliche Firma übernehmen zu können. Das, nur das war ihr Lebensziel. Ziel und Aufgabe genug, wie sie fand.
Nur war der alte Sack anscheinend nicht bereit, ihr in nächster Zeit diesen Gefallen zu tun. Strotzend vor Gesundheit lenkte er sein kleines Imperium und das gefährlich am Rand des Ruins entlang. Völlig ineffizient agierte der Alte. Sie musste es schaffen, dass er abdankte und sich zurückzog. Er musste ihr dieses wunderbare Juwel einer Firma übergeben, so dass sie endlich so herrschen konnte, wie sie es mühsam an der Universität gelernt hatte. Er musste den Chefsessel endlich abgeben und wenn alles nicht half, dann – in Gottes Namen - musste sie eben nachhelfen. Waldemar Hintzinger, ihr Anwalt und Freund, hatte schon Recht: Überall gab es Mittel und Wege, um die Macht an sich zu reißen und sich zum neuen Herrscher auszurufen – oder besser: zur neuen Herrscherin.
Warum zum Teufel hatte ihr Vater überhaupt darauf bestanden, dass sie das stupide Studium im langweiligen Hannover durchzog, wenn er sie dann in der Firma nicht etablierte und mitentscheiden ließ?
Obwohl es draußen noch hell war und sicherlich noch einige Zeit hell bleiben würde, zog Cindy die Vorhänge zu und zündete die Kerzen auf dem Wohnzimmertisch an. Das Flackern des Kerzenlichts beruhigte sie. Im Badezimmer zog sie sich die Hotpants aus, streifte sich das trägerlose Top und den Slip ab und zog sich den seidenen Bademantel mit dem kunstvoll aufgestickten Drachen über.
Solange der Alte noch lebte, konnte sie nur warten und sich ihre Zeit mit Partys vertreiben - So wie sie es seit Wochen und Monaten tat und so wie heute. Mittags hatte sie die ganze Bagage, die sich am Flaucher um sie versammelt hatte, zu einem Snack und reichlich Bier eingeladen. Nach einer Maß Bier hatte sie sich dick mit Sonnencreme eingecremt und sich wieder voll in die Sonne, ans Ufer der Isar gelegt. Im Rauschen des Flusses dämmerte sie dahin. Der Alkohol begann leicht zu wirken. Wattig fühlte es sich an.
Seit Tagen verfolgte sie diese Unruhe. Wie ein Flattern fühlte es sich im Bauch an. Nur mit Alkohol war es möglich, dieses grässlichen Flatterns Herr zu werden. Waldemar, ihr Kumpel aus der gemeinsamen Schulzeit und ihr Scheidungsanwalt, war schuld daran. Eines Abends, oder vielmehr in der Nacht vor einigen Tagen, hatte sie ihm im Vollsuff von ihrem Kummer berichtet.
„Scheiße“, sagte sie laut, „und der Waldi hat doch recht.“
Am Schrank mit all den CDs suchte sie nach einer Musik, die ihre Laune jetzt verbessern sollte und entschied sich für „The Best of R.E.M.“ Unruhig ging ihr Atem. Sie legte die CD in den CD-Player. Zu den Klängen von „All the Way to Reno“ bewegte sie sich tänzelnd im Wohnzimmer ihres Bungalows. Sie schloss die Augen und dachte über den vergangenen Tag nach.
Der Junge mit den schulterlangen Haaren fiel ihr wieder ein. Als sie nach ihrem mittäglichen Nickerchen aufgewacht war, hatte er plötzlich vor ihr gestanden und sie angelächelte. Dreist hatte er sie angegrinst und in ihr hatte sich das Leben zu regen begonnen. Der Junge hätte ihr wirklich gut gefallen. Breitschultrig war er und mit einem Lächeln gesegnet, mit dem er die Polkappen zum Schmelzen hätte bringen könnte. Oberarme wie ein Boxer und am Bauch kein Gramm Fett. So durchtrainiert hätte der Kerl sie wahrscheinlich den ganzen Nachmittag bis spät in die Nacht hinein durchvögeln können, bis sie bewusstlos in seine starken Arme gesunken wäre.
Siebzehn war er, und sie dagegen eine alte Frau, deren Haut von Tag zu Tag immer mehr schrumpelte. Im Mai, vor einem Monat, war sie einunddreißig Jahre alt geworden und das Leben rann täglich immer mehr durch ihre schlanken und tadellos manikürten Finger hindurch. Aber was sollte es! Ihre Figur war immer noch top und wenn das nicht reichen sollte, dann angelte sie die Jungs mit ihrem Geld. Sie liebte diese unbeherrschten, vor Geilheit strotzenden jungen Burschen, bei denen sie das Sagen hatte. Die an ihr leckten und alles machten, was sie sich von ihnen wünschte.
Als sie sich dem Jungen im Gespräch näherte, sich vor ihm nackt, wie sie war, aufreizend aufrichtete und dem Jungen ihre nackten Brüste ein wenig entgegenreckte, sah sie das Feuer, das sie in seinem Blick entfachte. Diese unbändige Gier des Jungen erregte sie. Mit den Fingern strich sie über seine unbehaarte, muskulöse Brust und beobachtete dabei, wie sich zwischen seinen Lenden die Lust zu regen begann.
Just in dem Moment als sie ihn fragen wollte, ob er mit zu ihr kommen wolle, rief eine noch pubertierende kleine Schlampe seinen Namen. René hieß der Bengel. Erschrocken hatte er sich umgesehen und der kleinen, halbwüchsigen Tussi zugewinkt.
„Ich muss los“, stammelte er nervös und sie erkannte in seinem Blick, wie sehr er es bedauerte, einfach so, unverrichteter Dinge, gehen zu müssen.
„Musst du wohl“, hatte sie verächtlich erwidert, sich ohne einen weiteren Gruß umgedreht und sich wütend zurück in die Sonne gelegt.
Wieder hatte man sie allein gelassen. Sie lebte seit einem Jahr in Scheidung und war froh, dass dieser Lebensabschnitt bald zu Ende ging. Langweilig war ihre Ehe gewesen und wenn sie ihren Ehegatten einen Langweiler nannte, dann war in dem Wort immer noch zu viel Temperament enthalten, um das auszudrücken, was er tatsächlich war. Ein Schauer voller Wollust durchströmte ihren Unterleib, wenn sie daran dachte, dass sie bald frei war.
Aber manchmal, wenn sie allein war so wie jetzt, und ihr Denken von einem Thema zum nächsten huschte, empfand sie beim Gedanken an ihre Ehe ein entsetzliches Versagen.
Aber das Leben musste weitergehen - und wie es weiter zu gehen hatte, bestimmte sie. Waldemar hatte sie auf die Spur gebracht. Sie musste nur noch einen guten Zeitpunkt finden, um ihren Plan ins Rollen zu bringen. Waldemar und sie mussten akribisch genau vorgehen, um nichts dem Zufall zu überlassen.
Ihr Vater, der alte Henning, hatte genügend Leute um sich herum, mit denen er sich beratschlagen konnte. Kluge Leute. Ausgebuffte Leute. Der Übelste von allen war der Rössler, diese Kreatur, die aus der Gosse hochgekrabbelt war. Ein Individuum, das sich ganz oben in der Firmenstruktur festzusetzen drohte. Sie, blöde wie sie war, hatte den Ralf Rössler in der väterlichen Firma untergebracht. Jetzt war er auf dem Posten, der eigentlich ihr von ihren Fähigkeiten her zugestanden hätte.
Dieser Ralf Rössler durfte auf keinen Fall mehr Macht erlangen als er schon erlangt hatte. So schnell wie möglich musste sie diesen Schmarotzer zu Fall bringen. Am besten wie ein lästiges Insekt zerquetschen.