Читать книгу ... und dann für immer! - Rubinius Rabenrot - Страница 14

Freitag, 14.06., um 6:30 Uhr. In der Wohnung von Jana

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1.124,8 Kilometer südöstlich von London, in der Mandelstraße in München, klingelte im dritten Stock der Wecker.

Sechs Uhr dreißig zeigte die digitale Uhr an. Völlig gerädert, aber von Glückseligkeit erfüllt, wachte Jana von einem seltsamen, beeindruckenden Traum auf. Sie und Ralf waren über die weiten Wiesen und durch frisch duftende Wälder gelaufen. Über die höchsten Bergspitzen waren sie geflogen. Stundenlang, Hand in Hand. Sie und Ralf Rössler. Lachend und glückselig, unterwegs in ein gemeinsames Leben.

Matthias saß in der Ferne auf einem Felsen und lachte dem beschwingten Paar zu. Noch im Fliegen rief Jana Matthias zu: „Matthi, ist‘s in Ordnung, wenn ich endlich wieder mein Leben lebe und glücklich werde?“

„Jana“, rief der Geist ihr vom Felsen aus zu, „du musst lebend dein Leben leben. Nur ein kleines Stück des Weges bin ich mit dir gegangen. Nimm den Ralf an die Hand und lass ihn nie wieder los.“ Matthias lachte und verschwand im Aufblitzen eines Lichtstrahls.

Ja, sie hatten ihr Glück gehabt, bis zu jener Nacht im Mai vor drei Jahren. Zwei Polizisten standen vor der Wohnungstür. Sofort ahnte Jana, was die Polizei um zwei Uhr morgens wollte. Geschockt war sie gewesen. Ihr Körper hatte sich stundenlang verkrampft. Erst später am Tage, mit sehr viel Mühe konnte sie das Geschehene akzeptieren und den Lauf der Tränen zulassen.

„Nicht der Matthi, verdammt“, hatte sie immer wieder, tagelang, mit erstickter Stimme wiederholt.

Matthias war mit seinen Kumpeln unterwegs gewesen. Mit dem Motorrad waren sie auf Achse. Leichtsinnigerweise ohne Helm waren sie gefahren. An einer Kreuzung hatte ein Besoffener die rote Ampel überfahren und Janas Verlobten mit voller Wucht getroffen. Er hatte keine Chance gehabt. Auf der Stelle war er tot gewesen. So furchtbar zugerichtet, dass man ihr geraten hatte, ihn so in Erinnerung zu behalten, wie sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte.

Am meisten schmerzte sie der Umstand, dass es für sie beide keinen Abschied gegeben hat. Bis vor kurzem noch war es für sie undenkbar gewesen, sich auf eine neue Partnerschaft einzulassen. Zu stark fühlte sie sich mit ihrem toten Verlobten weiterhin verpflichtet und es wäre einer Lüge, einem Verrat gleichgekommen, wenn sie sich wieder auf einen Mann eingelassen hätte.

Sonderbar. Gestern schon, als sie den gesamten Tag über an Ralf Rössler dachte, hatte sie nicht an Matthias denken müssen - und jetzt dieser lange Traum, in dem ihr verstorbener Verlobter sie bat, endlich loszulassen.

Müde rappelte sich Jana auf. Sie ging zur Kommode ins Wohnzimmer, auf dem das Bild des ehemaligen Verlobten stand.

„Du“, sagte sie und streichelte zärtlich über das Glas des eingerahmten Fotos. „Ich danke dir.“ Sie sah Matthias auf dem Bild an und ihr war, als würde er ihr zulächeln. Mit beiden Händen nahm sie den Bilderrahmen und drückte ihn an ihre Brust. Sie öffnete die oberste Schublade der Kommode und legte das Bild hinein. Sie hatte ausreichend getrauert. War genügend einsam zu Hause gesessen, um Matthias zu beweinen.

Jetzt fühlte sie sich frei. Sie musste Ralf Rössler finden und mit ihm reden. Über was, dass würde sich zeigen. Jana schloss die Augen und wieder sah sie sich mit Ralf über die Wiesen und Wälder laufen. Sie atmeten den frischen Duft der Tannen und der Gräser ein. Lachend schwebten sie weit oben im strahlend blauen Himmel und schauten beglückt auf die Welt herunter. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl umgab sie.

Ihr Gang war mehr ein Gleiten als Jana Richtung Bad ging und sich unter die Dusche stellte. Nachdem ausgiebig Wasser über ihren jungen Körper gelaufen war, trocknete sie sich ab und streifte sich den Bademantel über. In der Küche bereitete sie das Frühstück zu, nahm das Tablett mit Kaffee und einer Scheibe Toast und setzte sich damit auf den Balkon.

Ein wolkenloser, strahlendblauer Himmel über der Stadt München. Frech zwitscherten die Spatzen von den Dächern und schwungvoll schwebten die Schwalben trotz der frühen Morgenstunden durch die Lüfte. Sie roch den leichten Geruch von Hopfen und Malz und den Duft der blühenden Wiesen des nahe liegenden Englischen Gartens. Jetzt, am Morgen fühlte sich die Luft frisch an. Jana liebte es, in dieser schönsten aller Städte zu leben, und seit gestern, seit heute Nacht, war es wie-auch-immer wieder möglich zu leben. Und noch sehr viel mehr: Sie war bereit, wieder zu lieben.

... und dann für immer!

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