Читать книгу ... und dann für immer! - Rubinius Rabenrot - Страница 9

Donnerstag, 13.06., um 21:56 Uhr. London, Hotel Thistle

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Er fuhr mit dem Aufzug in den achten Stock und ging in das für ihn reservierte Zimmer. Nett war die Räumlichkeit. Durch das riesige Panoramafenster drang viel Tageslicht ins Zimmer. Die Wände waren in warmen Rottönen gehalten. Ein Fernseher stand auf der Anrichte und das obligatorische Briefpapier lag für den Gast bereit. Auf einem Tablett standen liebevoll die Wasserkaraffe und die Whiskygläser. Ralf musste schmunzeln, als er den Wasserkocher, die Teebeutel und den lösliche Kaffee sah. Unter der Anrichte die Minibar. Der Kleiderschrank war unauffällig in der Ecke hinter der Tür angebracht. Alles äußerst praktisch und geschmackvoll.

Am breiten Bett stand ein Nachttisch. Der bequeme weinrote Ledersessel mit dem Tischchen davor animierte zum Lesen. Keine scheußlichen Bilder an den Wänden. Aus dem großflächigen Fenster hatte er einen herrlichen Blick auf die darunter liegenden Straßen. Seinen Trolley hinter sich herziehend, ging er weiter durch das Zimmer, entledigte sich Ralf der Schuhe legte beiläufig den Mantel über die Sessellehne. Zog den Anzug aus, hängte ihn in den leeren Schrank und streifte sich den Frotteebademantel über, der für den Gast im Badezimmer bereit hing. Aus der Minibar nahm er sich ein kleines Fläschchen Talisker. Ein forschender Blick auf das Etikett verriet, dass der Malt-Whisky zwölf Jahre alt war. Ralf schraubte den Verschluss auf, goss den Whisky in ein bereitgestelltes Glas und gab einen Schluck Wasser aus der Karaffe dazu. Entspannt schritt er barfuß zum Panoramafenster. Das Glas mit dem Whisky führte er zur Nase und roch das rauchige Aroma. Aus dem Fenster konnte er weit über die Dächer der Stadt schauen. Unter ihm in den Straßen staute sich der Verkehr. Er mochte London. Das Grün einer überdimensionalen Plakatwand lenkte seine Gedanken wieder auf die Frau im olivgrünen Kleid.

Ralf nahm sein iPhone aus dem Trenchcoat. Geschickt tippte er auf die App mit der Kontaktliste, scrollte sich durch, bis er Lisas Nummer angezeigt bekam. Ralf wischte mit dem Finger über das Display und schon wurde der Anruf zu Lisa aufgebaut.

„Hey“, sagte sie, „wo in der weiten Welt bist du heute?“

„Servus Lisa“ begrüßte er die Freundin. „Heute nur im nahen London.“

„Wow, beneidenswerter Mann. Was steht an?“

„Eine Pralinenfabrik möchte sich unsere Kuvertüre anschauen und deshalb bin ich hier. Wäre genial, wenn ich das Geschäft abschließen könnte. Drück mir die Daumen. Aber Lisa, weshalb ich dich anrufe. Ist zwar ein bisserl delikat, aber ich kenn nur dich, mit der ich über so etwas reden würde. Lisa, ich hab eine Frage an dich.“

„Wenn’s was Geschäftliches ist, möchte ich aber am Erfolg beteiligt werden.“

Ralf lachte.

„Ich schau, wie ich‘s einrichten kann. Lisa, was würdest du tun, wenn du auf der Suche nach einer Frau wärst …“

„… du weißt, ich bin immer auf der Suche nach einer Frau mit Chic.“

„Gut so. … wenn du eine Frau suchen würdest, die du nur einmal gesehen hast, wie würdest du jemanden suchen, den du nur kurz in einem Aufzug gesehen hast, nichts von ihr weißt und sie wieder treffen möchtest?“

„Hast du überhaupt das Recht dazu, du weißt schon, und die Zeit für eine Liaison?“, mäkelte sie gespielt vorwurfsvoll.

„Moralisch wahrscheinlich noch nicht.“ Ralf lachte sein charmantes Lächeln. „Ist ja wurscht Lisa, spielt doch keine Rolle. Nur ein lästiger Termin vor Gericht, ansonsten: unbedeutend. Na und wegen der Zeit, ich weiß nicht, mal sehen.

Was würdest du an meiner Stelle machen, in so einer Situation? Wie könnte man jemanden finden, den man nicht kennt?“

Am anderen Ende der Leitung hört Ralf ein glucksendes Lachen.

„Ralf, hast du dich verliebt?“ Ein wenig amüsiert klang die Frage.

„Ich möchte sie einfach wiedersehen“, sagte Ralf ernsthaft, aber was sie nicht sehen konnte war sein Erröten. Ralf Rösslers Kopf erglühte von der Halskrause bis hoch zum Haaransatz. Von der einen Ohrspitze bis zur anderen.

„Oh, das klingt mir beunruhigend gefährlich.“ Wieder war so ein spitzes Lächeln von ihr zu hören.

„Lisa, ich weiß nicht.“ Auf irgendeine Weise fand er es jetzt blöd, Lisa angerufen zu haben. Es endstand eine kurze Pause.

„Bist du noch dran?“, fragte Lisa.

„Bin noch dran.“ antwortete er verunsichert.

„Ralf, ich glaub, dich hat es gigantisch erwischt.“

„Woher willst du das wissen?“ Dieses Gequatsche nervte ihn langsam.

„Erkenne ich an dem Atem und an deiner Stimme. Ich hör sogar, wie du rot geworden bist!“

„Oh, am Atem erkennst du’s? An meiner Stimme?“

„Wo musst du suchen, weltweit oder nur in London?“

„In München.“

„Ach, nur in München. Das ist ein Leichtes“, meinte sie ironisch. „Lass mich kurz überlegen.“

Er nippte an seinem Glas und das Finish des Whiskys hinterließ einen rauchig-malzigen Geschmack und breitete sich wie eine cremige Schicht in Ralfs Gaumen aus.

„Wann bist du wieder in München?“, fragte Lisa.

„Morgen, am Freitag bin ich wieder zu Hause, so um acht Uhr abends glaub ich,.“

„Bis dahin werde ich mir irgendetwas überlegen. Du könntest schon mal eine Annonce in zwei oder drei Zeitungen schalten oder vielleicht übers Radio eine Liebesfahndung starten. Da gibt es so was, ich erkundige mich. Du solltest daraus was wahrhaftig Gewaltiges machen, was Tolles lancieren.“

„Naa, Lisa, nichts Gigantisches. Ganz leise möchte ich suchen. Keinesfalls auffällig.“

„Ja, is scho‘ recht, der Herr. Ralf, mit einem leisen Ton kannst du heute niemanden mehr hinterm Ofen hervorlocken. Das weißt du doch selber am besten. Wir machen etwas ganz Großes, Spektakuläres daraus, in einem wahrhaft lauten Flüsterton.“ Ihr unverkennbares Lächeln war zu hören. „Bist endlich wieder frei und aufs Neue vergeben.“ Lisa seufzte übertrieben.

„Kommst du am Freitag zu mir oder treffen wir uns beim Italiener?“

„Wenn du zahlst, Ralf, beim ‚Italianissimo‘ in der Leopoldstraße.“

„Geht klar, beim Italiener. So um neun, oder ist dir das zu spät?“, fragte er.

„Wart a bissl.“ Das Blättern im Kalender war zu hören. „Passt, Ralf. Ich freu‘ mich auf dich.“

„Wie geht es dir, Lisa?“ Die Frage hatte heute wohl mehr rhetorischen Charakter.

„Sehr gut und fast ein bisschen zu gut. Meine kleine Firma verhindert erfolgreich, dass ich mich in Liebschaften verstricke, so wie du. Erzähl ich dir morgen. Ich muss jetzt Schluss machen, Ralf. Hab noch einiges zu erledigen und treffe mich nachher mit Herrn Kazumi in einer Weinstube an der Feldherrnhalle. Er möchte mit mir über die Frühjahrskollektion im nächsten Jahr reden. Er hat gesagt, dass mein Stil bei den Kunden in Tokio sehr gut ankommt.“ Aus der Art, wie sie sprach, konnte er ihre Zuversicht heraushören.

„Das ist ja großartig. Gratuliere! Hättest dir auch nicht gedacht, dass du in so einem Tempo erfolgreich sein wirst.“ Er konnte durch das Telefon hindurch spüren, wie sich ihr schlanker Körper vor lauter Stolz reckte und sie nochmals ein wenig größer wurde, als sie so wieso schon war.

„Ja, fantastisch is des! Wir reden am Freitag darüber. Ralf, mach’s gut. Ich drück dir die Daumen für deine Besprechung morgen und den eventuellen Abschluss. Bis dann, beim Italiener. Ciao.“

„Servus Lisa und danke dir.“

„Bussi und bye, bye!“ hörte er Lisa sagen, dann war die Leitung unterbrochen.

„Eine Annonce“, wisperte er vor sich hin. „Nicht schlecht.“ Ralf ließ sich mit dem Whisky in der Hand in den Ledersessel fallen. Er schloss die Augen und dachte an die Frau, die er nicht kannte. Die er bis zum heutigen Tag noch nie bemerkt und in die er sich, so plötzlich, auf den ersten Blick verliebt hatte.

Sie war die Schönste, die er je gesehen hatte. Sie war für ihn unbeschreiblich. So viel Leichtigkeit umgab sie, so viel Klarheit. Sie war wie ein Feenwesen für ihn.

... und dann für immer!

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