Читать книгу ... und dann für immer! - Rubinius Rabenrot - Страница 12
Donnerstag, 13.06., um 23:40 Uhr. Hotelzimmer in London
ОглавлениеIn London saß zur selben Zeit Ralf Rössler auf dem Bett, den Laptop auf dem Schoß, und schrieb an einer Annonce für die Abendzeitung.
Suche das Mädchen mit grünem Kleid und smaragdgrünen Augen. Umgeben von Schokoladenduft habe ich dich am 13. Juni im Aufzug gesehen. Bitte melde dich.
Nein, so konnte er das keinesfalls schreiben. Das kam dem Gefühl, das er empfand, in keinerlei Weise, nicht einmal ansatzweise nahe.
Umgeben von Schokoladenduft habe ich dich im Aufzug gesehen. Deine smaragdgrünen Augen gehen mir nicht mehr aus dem Sinn. Bitte melde dich.
Schon besser, aber keineswegs gut genug.
Wieder tippte Ralf einen Text in den Computer. Aber alles, was er schrieb, vermochte kein bisschen das auszudrücken, was er schreiben wollte.
Du, mit den grünen Augen und dem grünen Kleid. Seit ich dich im Aufzug sah, umgeben von Schokoladenduft, gehst du mir nicht mehr aus dem Sinn. Bitte melde dich.
Ach, egal! Er war kein Schreiber. Er war ganz der Zahlen- und Faktenmensch. Und außerdem: Wie hoch war schon die Wahrscheinlichkeit, dass dieses feenhafte Wesen überhaupt die Anzeige las? Las sie überhaupt Zeitung in Zeiten des Internets? Und wenn, las sie wirklich genau die „Abendzeitung“? Die Chance, sie über die Annonce wieder zu treffen, lag bei eins zu einer Million.
Auf der Internetseite der Münchner Abendzeitung fand Ralf die Annoncenseite „Treffpunkt“. Er füllte das vorgegebene Formular aus, überlegte eine Weile und entschied sich für den zweiten Text, den er geschrieben hatte:
Umgeben von Schokoladenduft habe ich dich im Aufzug gesehen. Deine smaragdgrünen Augen gehen mir nicht mehr aus dem Sinn. Bitte melde dich.
‚Na ja, ganz schön verschlüsselt, der Text’, überlegte er.
Ralf zahlte mit Visa und schickte den Auftrag für das Inserat mit klopfendem Herzen los.
Dann grinste er. Ein erster Schritt war getan. Die Annonce erschien am Freitag. Freitagabend am Flughafen würde er sich die Zeitung kaufen und sie Lisa zeigen. Die würde Augen machen, wenn sie den Text las.
Er schaltete den Laptop aus und ging ins Badezimmer, um sich für die Nacht fertigzumachen. Morgen war ein bedeutender Tag und er musste ausgeschlafen und vollauf fit sein.
Ralf knipste die Zimmerbeleuchtung aus und das Nachttischlämpchen ein. Irgendwie war er müde und legte sich ins Bett, obwohl er sicher war, keinen Schlaf finden würde. Aber wenn der Schlaf partout nicht kommen wollte, gab es immer noch Tricks, sich in den Schlaf zu mogeln. Sein Lieblingstrick war der, sich gedanklich nochmals mit dem Termin am nächsten Tag zu beschäftigen. Sich den Ansatz für das Gespräch klar zu machen und die genauen Schritte zu überlegen, wie er zum Erfolg kommen konnte. Diese Strategie half fast immer.
Bei geschlossenen Augen, völlig entspannt auf seinem Bett liegend, visualisierte er das Firmengebäude von „Lizzy & Sweets“. Er versuchte sich Gerald Owen vorzustellen, den er nur von einigen Fotos her kannte. Aber zwischen dem Firmengebäude und Owens Fotos tauchten wieder und wieder das wunderschöne Gesicht und die smaragdgrünen Augen der Frau im Aufzug auf. Wie eine Fee sah sie ihn an. Mit ihrem Lächeln schien sie all seine Wünsche erfüllen zu können. Er versuchte nicht allzu lange an sie zu denken und doch kam er mit seinem Einschlaftrick keinen Deut weiter. Viel stärker als sein Wille waren das Lächeln und der strahlende Blick der Frau. Immer wenn er dachte, dass er kurz davor stände und endlich in den Schlaf sinken würde, rüttelte ihn seine Fee wieder wach.
Ralf stand auf und holte den neuesten Thriller von der Reimers aus dem Trolley: „Blinde Passagiere“. Im Bett fing er an zu lesen. Zwei, drei Sätze und abermals waren die Gedanken bei den grünen Augen, den weichen Lippen und den kastanienbraunen Haaren. Er begann erneut mit der Lektüre und wieder verschwammen die Buchstaben, und er glitt vom Lesen wie durch einen Nebel hin zu ihr. Es hatte keinen Sinn. Ralf legte das Buch auf den Nachttisch und knipste das Licht aus.
Schließlich, Stunden später, hüllte ihn dunstiger Schlaf ein. Und selbst in Morpheus' Armen war sein Geist mit dem der unbekannten Schönheit verwoben.