Читать книгу ... und dann für immer! - Rubinius Rabenrot - Страница 5
Donnerstag, 13.06., um 8:30 Uhr. Im Büro der Firma Henning Manufaktur & Co. KG
ОглавлениеJana legte ihre Handtasche ab, setzte sich an den Schreibtisch, schaltete den Computer ein. Während der Rechner hochfuhr, ging sie in den Flur hinaus, um sich aus dem Pausenraum ein Mineralwasser zu hohlen.
Seltsam war es. Immer wieder tauchte in ihren Gedanken das Gesicht des Mannes im Aufzug auf. Sie schloss einen Augenblick die Augen und sah, wie er sie anlächelte. Jana spürte, wie der Blick des Fremden schmeichelnd über ihre Haut streifte.
Eine Ewigkeit war es her, dass sie dieses Gefühl zuletzt verspürt hatte. Seit drei Jahren war sie allein. Seit jener schrecklichen Nacht, als es passiert war. Von da an hatte sie sich kein Leben in einer Partnerschaft mehr vorstellen können.
Aber dieser Mann, den sie eben im Fahrstuhl gesehen hatte, vermochte es, sie zu beeindrucken. Sie zu reizen. Sein Lächeln entfachte einen Funkenregen. Die braunen Augen weckten in Jana ein tiefes Vertrauen. Geschehe was wolle! Sie musste diesem Mann wieder begegnen! Wie sie ihn finden konnte, wusste sie nicht. Sie wusste nichts über den Mann, der ihr den Kopf verdrehte.
Mit der Flasche Mineralwasser und einem Glas ging sie zurück in ihr Büro. Als Erstes sah sie die Post durch und sortierte sie nach Dringlichkeit. Viele Mails waren über Nacht in ihrem Postfach aufgelaufen. Heute würde es spät werden, denn sie musste mit Geschäftspartnern in Amerika telefonieren und einige Bestellungen in Übersee bestätigen.
Sie liebte ihre Arbeit als Fremdsprachenkorrespondentin. Seit zwei Jahren war Jana in der Schokoladenfabrik von Paul Henning angestellt. Jeden Tag, wenn sie die Firma Henning Manufaktur betrat, wusste sie, dass alles Bisherige, trotz der Mühsal, im Beruf ideal verlaufen war.
Den Vormittag über führte Jana Telefonate mit Hamburg, wegen des Containers, der eiligst nach Philadelphia verschifft werden sollte. Aber aus irgendeinem Grunde hakte es in Hamburg und der Container konnte nicht verladen werden - bis sie einen Herrn am anderen Ende der Leitung hatte, der ihr erklärte, dass Henning mit ihm persönlich gesprochen habe und der Container jetzt an Bord sei.
Sie schrieb Mails an die amerikanischen und asiatischen Geschäftspartner. An Gerald Owen, den Impresario von „Lizzy & Sweets“, musste sie einen Brief schreiben. Sie schmunzelte, als sie den Namen las.
Mit den Schleckereinen von „Lizzy“ verband sie die Zeit ihrer Ausbildung in London. Die Pralinés von „Lizzy & Sweets“ waren häufig die stillen Tröster, wenn sie vor lauter Heimweh, fernab der schönen Stadt München, in ihrem tristen Untermietzimmer zu vergehen glaubte. Oder sie beschenkte sich mit den köstlichen Pralinen, wenn sie Tests oder Prüfungen gut bestanden hatte. „Lizzys“ halfen immer und Jana musste damals achtgeben, dass sie nicht zu viel von den kleinen, aber hintertückischen Köstlichkeiten in sich hineinschaufelte. Denn die Delikatessen von Mister Owen hingen alles andere als federleicht an den Hüften und dem Bauch.
Seltsam. Seit sie in der Schokoladenfabrik beschäftigt war, hatte sie mit Mister Owen, dem Besitzer von „Lizzy & Sweets“ bereits des Öfteren telefoniert. Ein sehr sympathischer Mensch. Im besten Oxfordenglisch schrieb sie an Gerald Owen, dass Herr Rössler, Vertriebsmanager der Firma Henning Manufaktur, auf dem Weg zu ihm sei.
Noch schnell vor dem Mittagessen vergewisserte sich Jana im Münchner Lager, dass die kurzfristige Bestellung der 60 Tonnen heller und weißer Kuvertüre, in Containern verfrachtet und mit den LKWs bereits unterwegs zum Einschiffen nach Antwerpen gebracht worden war. Pünktlich am 22.06. mussten sie in Kanada sein. Eine Karenzzeit von einem Tag wurde ihnen von den Kanadiern gewährt.
Auf dem Weg in die Kantine hoffte Jana den Mann, den sie am Morgen getroffen hatte, wieder zu sehen. Sobald ihr diese Idee gekommen war, spürte sie, wie ihr Puls schneller wurde. Vielleicht würde sie ihm in der Kantine begegnen. Der Gedanken breitete in ihr fiebrige Hitze aus und ließ sie erröten. Dies Denken an den Fremden beschwingten sie eigenartig. Sie drückte auf den Knopf der Aufzugsanlage. Sie wartete - und umso näher der Fahrstuhl kam, desto heftiger pochte das Herz in ihrer Brust. Denn was wäre, wenn die Türen aufgingen und er drinnen stehen würde, mit seinen Lächeln und seinen Augen? Die Schiebetüren öffneten sich und der Aufzug war leer. Enttäuschung breitete sich in ihr aus.
‚Ach, wie kindisch’, dachte sie, fuhr in das Kellergeschoss und ging durch die Kellerflure hin zur Kantine. Lächelnd ging sie, von einem seltsamen Glück getragen, an den Menschen vorbei, die ihr entgegen kamen.